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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

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Nr. 1
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Frimmel, Theodor von: Zwei neuaufgefundene Bildnisse Beethovens
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genug der auffallenden Züge äufweist, wird wohl ein derlei Versuch Höchles
sein, den Meister Beethoven zu skizzieren. Auffallend ist die Kleidung von
oben bis unten, vom verdrückten Zylinderhut bis zu den Schuhen, die nicht
von einwandfreier Nettigkeit zu sein scheinen. Das Skizzenhafte der Aus-
führung läßt es nicht genau unterscheiden, ob der Schreitende Wasserstiefel
anhat mit breiten Lederfalten über den Knöcheln, oder ob hinaufgeschlagene
lange Beinkleider gemeint sind. Ich meine, der starken Ausladung wegen,
Beinkleider annehmen zu sollen, die Regenwetters wegen hinaufgeschlagen
sind. Auffallend ist weiter das doppelte Überkleid, unten ein längeres,
darüber ein kürzeres, obwohl es der Gebrauch umgekehrt vorschreibt. Das
fügt sich alles ohne Zwang in das Bild ein, wie man es sich nach guten
Quellen von Beethovens Äußerem machen muß, und zwar hat man hier den
Meister vor sich, wie er bei Sturm und Regen seinen Spaziergang macht, es
heißt, auf einer Bastei. Er hat den Halskragen seines Mantels hoch hinauf-
geschlagen und hüllt sich ein. Vorn oben nahe beim Hals gewahrt man ein
Stückchen Hand, die den Mantel festzieht. Alles zusammenfassend, läßt sich
die Wahrscheinlichkeit nicht bestreiten, daß hier Beethoven dargestellt ist.
Zur Beschreibung sei mitgeteilt: Federzeichnung mit Tusche auf Papier.
Leider aufs Untersatzpapier festgeklebt. Blattgröße: Höhe 11, Breite 6 cm.
Laviert. Gesicht etwas rötlichgelb aber blaß (vielleicht verblaßte Farbe).
Regenmantel grau etwas bläulich (Abbildung genau in der Größe des Blattes).
Die Entstehungszeit des kleinen Blattes ist mit weiten Grenzen durch
Höchles Lebensgang gegeben. J. N. Höchle, der Sohn des Malers Joh. Bapt.
Höchle, ist erst 1800, damals ungefähr zehnjährig, aus München nach Wien
gekommen und erst seit 1804*) zum Berufsmaler ausgebildet worden. Inder
Zeit der Franzosenkriege wurde er Kriegsmaler ganz im Sinn unserer heu-
tigen Künstler, die sich dem Kriegsfach gewidmet haben. Höchle pflegte
auch, und das nicht zuletzt, die Bildniskunst, die er bei seiner schnellen Auf-
fassung für seine Kriegsbilder verschiedener Art prächtig verwerten konnte.
Im ganzen eine sehr bewegliche Natur, ist Höchle während der Befreiungs-
kämpfe und noch später weit in Mitteleuropa herumgekommen. 1816, wohl
auch in den unmittelbar darauffolgenden Jahren war er in Wien; vorüber-
gehende Ausnahmen abgerechnet. Daß er 1827 im Schwarzspanierhaus ge-
zeichnet hat, wurde schon oben erwähnt. Höchle starb im 45. Lebensjahr
zu Wien am 22. Dezember 1835. Die äußersten Grenzen für die Entstehung
der Zeichnung wären, zunächst ohne Rücksicht auf die Darstellung: 1804
und 1835. Zieht man die Tracht in der Darstellung heran, so würde man
auf die Zeit um 1820 bis 1825 kommen. Bestätigt sich die gut begründete
Annahme, daß Beethoven dargestellt ist, so führt uns das kleine Bildnis nach
dem Alter des Dargestellten in dieselben Jahre.
Die getuschte Zeichnung von Josef Weidner ist mir nicht im Urbild
bekannt. Ich kenne sie nur nach der Abbildung im Verzeichnis der XXX.
Kunstauktion von Karl Ernst Henrici in Berlin; am 23. März 1916 wurde
diese Versteigerung abgehalten, wobei das Bildnisblatt in Berliner Privat-
besitz gelangte (auf Tafel XV des vorliegendes Heftes die Abbildung).
*) Über Höchle findet sich vieles in den bekannten Nachschlagebüchern. In den
Büchern über die Geschichte der Wiener Akademie der bildenden Künste fehlt der
Name. Die obigen Angaben über den Künstler zumeist nach dem Monatsblatt des
Wiener Altertumsverein vom Februar 1916.
 
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