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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

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Nr. 2
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Frimmel, Theodor von: Tizians Skizze zum Petrus Martyr
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Frimmel, Theodor von: Malerische Naturbeobachtungen, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0048

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38

rechts unten wurde zum Zweck der Untersuchung abgedeckt) eine zweite
graue Grundierung von mittlerer Helligkeit, die mit einem Bindemittel
angerieben ist, welches sich mit den gewöhnlichen Lösungsmitteln der Öl-
farbe nicht angreifen läßt. Es ist vielleicht geleimter grauer Grund, wie er
bei Tizian auch sonst in einigen Fällen vorkommt.
Das Bild selbst wurde in Ölfarbe ausgeführt, die, nun längst hart
und brüchig geworden, nicht mehr leicht löslich ist. Aus den hauptsäch-
lichen Rissen der Farbe, die an mindestens acht Stellen quer über die Bild-
fläche gerade verlaufen, kann man den Schluß ziehen, daß das Bild ziem-
lich eng von oben nach unten gerollt worden war, u. zw., wie man es
nicht hätte tun sollen, mit der Farbenschicht nach innen.
Die vielen Schäden beweisen nur, daß man das Bild schon seit Jahr-
hunderten vernachlässigt hatte. Erst in neuester Zeit ist es mit neuer Lein-
wand unterzogen worden. Mit jener augenscheinlichen Vernachlässigung
hängt es ohne Zweifel zusammen, daß die herrliche Farbenskizze in Ver-
gessenheit geriet und sich schließlich unerkannt und weit unterschätzt im
Privatbesitz vererbte oder herumschob. Verschmutzte, verkrustete Bilder sind
unscheinbar, und oft genug wird Wertvolles unter der Umhüllung mit allerlei
Schmauch nicht richtig gesehen und mit Vorurteil beiseite geschoben. Solche
Bilder müssen dann immer erst wieder entdeckt werden.
Wien, 20. April 1917.
Dr. Th. v: Frimmel.

MALERISCHE NATURBEOBACHTUNGEN.
Von Dr. Theodor v. Frimmel.
All die Herrlichkeit, die man oft innerhalb weniger Sekunden, Minuten
oder Stunden auf dem Himmel zu sehen bekommt, ist nicht festzuhalten.
Ein großes Meteor leuchtet auf und zieht mit kosmischer Geschwindigkeit
weit, weit draußen vorüber. Es leuchtet auf blendend weiß, so daß sich
die Bahn im Auge abbildet. Gehäufter Sternschnuppenfall erinnert uns, wie
das Meteor, an unseren Zusammenhang mit dem Kosmos. Und bleiben wir
näher bei der Erde, so bringt uns jeder Tag, falls wir uns nicht in eine
düstere Stube verkriechen müssen, auf dem Firmament genug des Be-
wundernswerten. Der glückliche Farbensinn des Malers und sein bevor-
zugtes Gedächtnis für Geschautes hat davon manches wiedergegeben, nur
der ewige unbeschreiblich großartige Wechsel der Erscheinungen in der
Natur ist durch keine Schilderung nachzumachen. Worte und Farben ver-
sagen dem Unendlichen gegenüber. Die so kleine menschliche Wissenschaft
versucht es, sich dem Erschauten zu nähern, und hat denn auch manches
geleistet, das uns die Erscheinungen am Himmel verständlicher macht. Dem
ungebildeten Laien kommt eine wissenschaftliche Behandlung der erhabenen
Vorgänge in der Natur oft vor wie ein Zerrupfen des Schönen, das er
fühlt, dem Menschen von allgemeiner Bildung oder gar den Fachleuten
wird aber das wissenschaftliche Studium eine unerschöpfliche Quelle edler
Genüsse. Und der Künstler möge sich nur nicht ablehnend gegen die
Wissenschaft verhalten; sie wird ihn zu vertieftem Schauen anregen und zu
verständnisvoller Wiedergabe des Geschauten, ob er sich nun während der
 
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