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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

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Nr. 1
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Frimmel, Theodor von: Zwei neuaufgefundene Bildnisse Beethovens
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https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0027

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17

Wie die Zeichnung nach Berlin gelangt sein mag, das kann ich mir
vermutungsweise aufbauen. Weidner stand als Maler in Verbindung mit
einer reichen Berliner Familie Sölke (oder Söhlke). So habe ich mir’s vor
Jahren nach mündlicher Mitteilung des Fräuleins Luise Emmerling, der
Schwägerin des Malers Weidner, aufgeschrieben. In neuerer Zeit wußte ich
in Berlin diese Familie nicht mehr aufzufinden. Nun äußerte ich unlängst
Herrn Henrici gegenüber die Vermutung, daß die Weidnersche Zeichnung
mit der Beethovenfigur vielleicht aus dem Besitz der Familie Sölke her-
stammen könnte. Henrici hatte die Freundlichkeit, zu ermitteln, daß sich die
vorliegende Zeichnung von Weidner vor etwa einem Vierteljahrhundert zu-
sammen mit einem zweiten Beethovenbildnis von Weidners Hand
beim Berliner Kunsthändler Pribet befunden hat, und daß Pribets Kunst-
handlung unmittelbar neben dem Spielwarengeschäft von Sölke (oder
Söhlke) gelegen war. Dem zweiten Beethovenbildnis von Weidner sei ein
Brief beigelegen, wie es scheint ein Beglaubigungsschreiben von Weidners
Hand. — Mögen diese Mitteilungen darzu dienen, daß sich derBe-
sitzer jenes zweiten Weidnerschen Beethovenbildnisses melde
und seinen Besitz der Wissenschaft zugänglich mache.
Das zweite Weidnersche Beethovenbildnis scheint in bester Form be-
glaubigt gewesen zu sein. Das wirkt denn doch ein wenig auch auf das
Blatt zurück, das heute besprochen und abgebildet worden ist.
* *
Die mitgeteilten Porträte stehen in einem gewissen Gegensatz. Man
könnte sie nennen: Beethoven bei Regen und Beethoven bei Sonnen-
schein. Ich hoffe, daß sich noch weitere Stützen für meine Vermutungen
finden werden. Man würde die Blätter von J. N. Höchle und Weidner dann
als wertvolle Urkunden in die Reihe der Beethovenbildnisse einzufügen
haben, und zwar in der Reihe der bekannten Beethovenbildnisse bald nach den
wichtigen Figuren von Tejcek (Beethoven in elegantem Anzug, ganze Figur)
und Jos. Dan. Böhm (ganze Figuren, eine im Profil, die andere a tergo).*)
Besonders die Zeichnung der Rückenansicht Beethovens von der Hand J. D.
Böhms steht dem Weidnerschen Blatt sehr nahe. Nur hatte Beethoven einen
alten, verbogenen Zylinderhut auf, als Böhm den Meister zeichnete. Weidner
sah den Meister mit neuer, glänzender Kopfbedeckung. Das seitliche Hervor-
quellen der Haare unter dem Hut ist auf beiden Zeichnungen ganz ähnlich
dargestellt und wird auch durch Böhms Profilzeichnungen recht deutlich.
Ziehen wir noch Tejceks Lithographie heran, so bemerken wir dieselbe Haar-
fülle, dieselbe Art, den Zylinderhut weit aus der Stirn hinaus zu schieben, wie
an den vorher genannten Bildnissen. Bei schlechtem Wetter zog der Meister den
Hut dann doch weiter ins Gesicht herunter, wie das auf Höchles Blatt zu sehen.
Ich habe unter den neuauftauchenden angeblichen Beethovenbildnissen
nur diejenigen ausgewählt, für die ich eine hohe Wahrscheinlichkeit der Be-
nennung beizubringen vermag. Von anderem, das durch schreiende Unähn-
lichkeit oder durch den Mangel jeder Überlieferung oder sonstiger Be-
glaubigung wenig anziehend für eine Besprechung wäre, wird vorläufig ge-
schwiegen. Dr. Th. v. Frimmel.
*) Diese alle abgebildet im ersten Band meiner „Beethovenstudien“.
 
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