Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

DOI issue:
Nr. 2
DOI article:
Frimmel, Theodor von: Malerische Naturbeobachtungen, 1
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0050

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
40

der Täuschung als alleiniger Veranlassung der Sehschwankung ist leicht zu
widerlegen, sogar wenn bei der großen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen
einiges für die Annahme einer Täuschung zu sprechen scheint.
Nehmen wir einige typische Fälle durch, die ich oft genug beobachtet
und mehreremal unmittelbar nach der Beobachtung beschreibend festge-
halten habe. Zunächstfolgendes: Heller, blendender Sonnenschein den Tag
über. Die Sonne ist bei klarer Luft unmöglich mit ungeschütztem Auge
zu betrachten, solange sie hoch steht. Man blickt durchs Rauchglas und
sieht die bekannte kleine Sonnenscheibe. Je tiefer sie sinkt, um so mäßiger
wird der Glanz; ein flüchtiges Hinblicken wird möglich. Noch ist eine Ver-
größerung des Bildes nicht merkbar. Nahe beim Horizont, die Sonne ist
etwas gelblich geworden, kann man kaum eine halbe Sekunde hinblicken.
Dann während des eigentlichen Sonnenunterganges der ziemlich blendenden
gelblichen Sonne versucht wohl jeder, die Gegenstände zu fixieren, hinter
denen die Sonne unterzutauchen scheint. Man wird aber beirrt durch den
starken Glanz, so daß der Blick um die Gegend des Unterganges gewisser-
maßen herumtastet. Nun erscheint dem freien Auge die sinkende Sonne
stark verbreitert oder sonstwie vergrößert. Das hängt ohne Zweifel mit den
Nachbildern zusammen, die sich augenblicklich auch während des nur ganz
raschen Abtastens des Horizonts vor der verschwindenden Sonne bilden
und minutenlang andauern. Das eigentliche Sonnenbild aber ist bei
klarer Luft während des Unterganges kaum viel größer geworden, als
man es von der hochstehenden Sonne gewinnen konnte. Wie man es schon
lange weiß (vergl. u. a. Eisenlohr, Lehrbuch der Physik, Kapitel: Augen-
maß), läßt sich durch das Vorhalten eines Rauchglases der Eindruck einer
Vergrößerung unterdrücken. Begreiflicherweise. Denn das Rauchglas ver-
hindert das Einbrennen des wandernden Bildes auf der Retina, die dem
Glanz reflektorisch in unruhiger Weise auszuweichen sucht. Die oben
erwähnte Vergrößerung ist also kaum eine Täuschung des Augen-
maßes, sondern ein Mißverständnis durch Verwe chslung des eigent-
lichen Bildes mit den Nachbildern, deren beträchtliche Größe
auf das eigentliche Bild bezogen wird. Auch die Irradiation, das
Hinauswirken über die geometrische Grenze des Netzhautbildes, dürfte bei
der gegebenen starken Helligkeit etwas in Betracht kommen, und die be-
kannte Lichtbrechung an scharfen Kanten (fern gelegener) terrestrischer
Gegenstände mag dabei mit im Spiel sein.
Nun einige weitere typische Fälle. Es gibt Sonnenuntergänge von so
geringer Lichtstärke, daß dabei an störende Nachbilder und starke Irradiation
nicht zu denken ist und daß der Schutz durchs Rauchglas ganz überflüssig
wird, ja sogar stört. Bei diesen Sonnenuntergängen, es sind stets die glut-
roten bis rosenroten, sieht die Sonne nahe dem graulich umzogenen Hori-
zont und während des Versinkens geradeswegs riesig aus. Schilderungen
mehr oder weniger dichterischer Art und malerische Darstellungen des
riesigen roten Sonnenballs sind nicht selten. Denn die Beobachtung ist alt
und allgemein bekannt. Das Sonnenbild erreicht dabei wohl den doppelten
oder dreifachen (es wird auch eine noch höhere Ziffer genannt) Durch-
messer von dem, wie man ihn bei jenen klaren Sonnenuntergängen fest-
stellen kann, die ich vorhin geschildert habe. Die Vergrößerung ist hier
weder eine Täuschung des Augenmaßes noch ein Mißverstand der Nach-
 
Annotationen