Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 16.1925

DOI Heft:
11./12. Heft
DOI Artikel:
Schwitters, Kurt: Merfüsermär
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.47215#0232

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ker ausgebildet. Die Schneide war mit Dia-
manten besetzt, um dem wilden Winde jede
Rauhigkeit zu nehmen. Peter Röhl hob mit
einem einzigen Griff den Hobel auf das Dach
der Röhre, worauf Breitensträtter begeistert
sagte: „Der Mann gefällt mir, mit dem möchte
ich wohl gern mal boxen.“ „0 ja,“ sagten die
Kinder, „jetzt will Onkel Hans doch noch
boxen,“ und stellten sich alle im Quadrat auf.
„Kinder,“ sagte Peter Röhl, „laßt mich erst den
Wind abhobeln. Nachher lassen wir Drachen
steigen und dann wird auch geboxt.“ Darauf
zog er sich einen Matrosenanzug an und sah
nun aus wie ein oller ehrlicher Seemann.
Jetzt wurde Onkel Kerr an die eine Seite der
quadratischen Röhre gesetzt und mußte mit
beiden Backen in die Röhre blasen. „Jetzt
kiekt der wenigstens doch auch mal in die
Röhre,“ sagte Onkel Ungeflochten. Onkel
Stefan mußte sich an die andere Seite der
Röhre setzen und sagen, ob es zöge. Darauf
sprach er wie ein Metronom:
taktack, taktack, taktack, taktack, taktacktak,
taktack, taktack, taktack, taktack, hier zieht
es!
Onkel Kerr mußte aber ruhig weiter blasen,
und Onkel Stefan mußte ruhig sitzen bleiben,
wenn es auch zog, und da fing Peter Röhl an,
den Wind oben glatt zu hobeln. Es flogen
Späne nach allen Seiten, so daß im Stillen
Ozean ein fürchterlicher Wirbelwind entstand.
So schrecklich hobelte der olle ehrliche See-
mann. Onkel Kerr blies mit beiden Backen,
und an der anderen Seite, wo Onkel Stefan
saß, zog es kein bißchen mehr. Auf diese
Weise erreichte man es, die scharfen See-
winde im Paradiese zu besänftigen, denn alle
Winde wurden durch die quadratische Röhle
geleitet, wo man ihnen oben die Rauhigkeit
abhobelte.
Zur Seite aber stand Breitensträtter und
ärgerte sich, daß Peter hobelte und nicht er.
Die vierdimensionale Hertha sah immer noch
inaktiv zu. Plötzlich ging Breitensträtter auf
Peter Röhl zu und gab ihm eine Ohrieige. Da-
rauf sagte Peter: „Sie wollen mich wohl be-
leidigen?“ „Im Gegenteil,“ sagte der blonde
Hans, „Sie haben mich schon lange beleidigt
durch Ihr herausforderndes Benehmen an der
quadratischen Röhle.“ „Nein, Sie mich,“ sagte
Peter Röhl. „Nein, Sie mich,“ sagte Hans
Breitensträtter. „Nein, Sie mich!“ „Nein,
Sie mich!“ „Sie mich!“ „Sie mich!“ „Sie
mich!“ „Sie mich!“ „Sie mich!“ „Sie

mich!“ „Hier will natürlich mal wieder kei-
ner beleidigen,“ sagte Onkel Ungeflochten,
und er war der Einzige, der nicht zitterte.
Peter Röhl nahm jetzt eine königliche Miene
an, fast so vornehm wie ein Hofkutscher, und
sagte: „Mein Herr, erwarten Sie meine Hosen-
träger!“ Darauf zog er sich zurück. Hertha
sah immer noch inaktiv zu. Jetzt suchte sich
Peter Röhl seine Hosenträger aus. Pluvinel
war ihm zu alt, Ungeflochten nicht „Rhenan“
genug, Onkel Stefan war ihm zu akademisch,
wohingegen er Werfel zu kindlich fand.
Was blieb ihm also übrig, er ernannte
feierlich Onkel Gustav Pfizer und Onkel
Hugo von Hoffmannstal zu seinen Hosenträ-
gern, indem er ihre Brust mit roten Quadra-
ten schmückte.
Plötzlich erschienen die Hosenträger Onkel
Röhls in der Wohnung des Herrn stud. rer.
box Hans Breitensträtter. Gustav Pfizer
überreichte ihm einen Blumenstrauß, und
Onkel Hugo sagte: „Peter Röhl fühlt sich be-
leidigt, wollen Sie revocieren, oder ich er-
warte Ihre Sekundaner.“ Darauf suchte sich
Onkel Hans Breitensträtter seine beiden
Kartellträger aus. Er nahm Onkel Paul
Samson Körner und Onkel Rudolf Blüm-
ner. Darauf begaben sich die beiden
Kartellträger Breitensträtters zu den beiden
Hosenträger des Herrn Peter Röhl, und Dr.
Rudolf Blümner sagte: „A n g o 1 a i n a.“
Da erhoben sich alle vier und beteten ein kur-
zes Menetekel. Bei dem Worte Upharsi sagte
Onkel Hugo: „Ich schlage schwere Säbel mit
halber Bandage vor. „Nein,“ sagte Onkel
Gustav, „ich meine eine Nacktpartie.“ Und
nun sagte Onkel Paul Samson: „Ich schlage
boxen vor!“ Sein Vorschlag wurde geneh-
migt, und Hans Breitensträtter erhielt 14 Tage
Zeit, um Boxen zu lernen. Hertha aber sah
inaktiv zu, womit wir dieses Märchen be-
schließen wollen.


Berichtigung
Beim Abdruck der Gedichte von Hans Arp
„Weißt du schwärzt du“ sind die Trennungs-
striche zwischen den Gedichten fortgeblieben.
Das zweite Gedicht beginnt mit der Zeile „er
nimmt zwei Vögel ab“; das dritte Gedicht
„unter jedem Erdteil sitzt ein großer Vogel
und singt“; das vierte Gedicht „das mündlich
gerät nimmt nicht notiz von dem verplapp“.

172
 
Annotationen