vierdimensional denkt. Die sogenannten
Kanelüren des Mars aber sind der materielle
Wirbel, bei dem die konstruktive Aufteilung
der ganzen Welt beginnt. Als ich ankam,
wurde ich in eine Badewanne gesteckt, ich
bekam riesiges Heimweh, und da entdeckte
ich das Paradies, welches Ihr in Eurer Erd-
gebundenheit nicht finden könnt. Das Para-
dies liegt nämlich so günstig, daß es von
Schiffen nicht erreicht werden kann, ob-
gleich es weiter nichts ist als eine kleine
Insel im Stillen Ozean. Und zwar hat man
es dadurch erreicht, daß die Insel Paradies
weder auf einem der graden Längengrade,
oder dazu parallelen Linien, noch auf einem
der gebogenen Breitengrade gebaut wurde.
Daher kann es weder von graden noch von
gebogenen Linien erreicht werden, die
Schiffe können es allenfalls am Horizonte
liegen sehen, können aber nicht hinfahren,
da Schiffe nur auf graden resp. gebogenen
Linien fahren können. Uebrigens ist die
Vegetation durchaus irdisch dreidimensio-
nal im Paradiese. Es leben dort Menschen,
Tiere und Pflanzen genau wie auf der Erde,
nur ein wenig verweichlicht, weil es dort
keinen Konkurrenzkampf gibt. Ich möchte
dort für mein Leben nicht sein. Uebrigens
bin ich selbst dreimal so groß wie das ge-
samte Paradies, einschließlich Onkel Unge-
flochten, Onkel Pluvinel, Onkel Gustav Pfi-
zer, Onkel Breitensträtter und Onkel Her-
wie, sowie Tante Rainer Maria. Ich habe
auch schon mein Sonntagskleid zerrissen,
; übrigens reißt alles. Eine Zeit hat es hier
gar nicht geregnet, und da wurde es zu
wässerig. Darum habe ich viele Tränen
um Euch vergossen, zu Hause ist eben zu
Hause. Die Hauptnahrung der Merfüsier ist
und bleibt aber, genau wie die der Schwyzer
der Milchkaffee ...
Hier hörte der Brief auf, weil der Bergrutsch
mittlerweile bis an das Dorf Ambri-Sotto ge-
langt war.
Im Paradies ereignete sich inzwischen folgen-
der Vorfall. Hans Breitensträtter, ehemaliger
Schwergewichtsmeister von Deutschland, ge-
nannt der blonde Hans, war seinerzeit am 29.
Februar 1924 durch Paul Samson Körner aus
Zwickau in Sachsen exgeboxt worden. Zu
jener Zeit war im Paradiese ein neuer Engel
angekommen namens Hans Breitensträtter,
von dem gesagt wurde, daß er boxen könne.
Onkel Ungeflochten nannte ihn sofort „blon-
der Hans“ und bat ihn, er möchte den Kindern
doch einmal etwas vorboxen. „0 ja,“ sagte
Hahnemann, „Onkel Hans soll uns was vor-
boxen.“ Die Kinder hüpften um den blonden
Hans herum und sagten: „Box uns mal, lieber
Onkel Hans, box uns mal“ und sie boxten sich
gegenseitig in die Seite und boxten Onkel
Ungeflochten in die Seite und Onkel Pfizer
bekam sogar einen von den verpönten Nieren-
schlägen. Aber Onkel Hans wollte nicht
boxen und sagte: „Wenn ich erst boxe, müßt
Ihr doch alle zu Boden.“ Hertha beobachtete
dies alles in ihrer vierdimensionalen Ungebun-
denheit und wartete den Moment ab, wo sie
irgendwo durch ihr Eingreifen die Handlung
in Verwirrung setzen könnte. Plötzlich sagte
Onkel Stefan: „Hier zieht es.“ Darauf sagte
Onkel Ungeflochten: „Das kommt von dem
rauhen Winde, mein lieber Herr Stefan
George.“ Darauf sagte Onkel Alfred Kerr:
„Dann muß der Wind abgehobelt werden, da-
mit er glatt wird, so habe ich es im Yankee-
Land gesehen.“ „0 ja, Onkel Kerr,“ sagten
die Kinder, „der Wind muß abgehobelt wer-
den, der Wind muß glatt gehobelt werden,“
„Aber wie?“ fragte Onkel Pfizer. Da sagte
Onkel Hans: „Wenn mir jemand den Hobel
erfindet, will ich den Wind abhobeln, Kraft
genug habe ich durch mein Training.“ Darauf
sagte Onkel Peter: „Ich habe schon ganz an-
dere Dinger geschoben, und wem ich ins Auge
schaue, der fliegt in die nächste Ecke! Wenn
wir den Wind abhobeln wollen, so muß er
durch eine riesige Röhre von quadratischem
Durchmesser gepresst werden.“ „Sie meinen
wohl Röhle,“ meinte darauf Onkel Gropius.
„Nein Röhre,“ sagte darauf Peter Röhl, und
er sagte das so laut, .daß Onkel Moholy sich
sofort auf ein daneben liegendes rotes Quadrat
setzte, indem er sagte: „Denn wo ein Bauhaus
ist, da laß Dich ruhig nieder, böse Menschen
kennen keine Quadrate!“
Und nun wurde auf quadratischer Grundlage
eine riesenhafte Röhre gebaut. Das sah sehr
drollig aus, grade im Paradiese neben den
zwetschenfressenden Löwen. Oben blieb
das flache Dach der Röhre teilweise offen,
damit eine Fläche entstand, an der der Wind
glatt gehobelt werden konnte. Die eine Seite
wurde nach oben hin verlängert und als Füh-
rungsschiene für den Hobel ausgebildet. Und
nun kam der Tischler Schlemmer und brachte
einen riesigen Windhobel. Es war ein üblicher
Tischlerhobel, nur bedeutend größer und stär-
Kanelüren des Mars aber sind der materielle
Wirbel, bei dem die konstruktive Aufteilung
der ganzen Welt beginnt. Als ich ankam,
wurde ich in eine Badewanne gesteckt, ich
bekam riesiges Heimweh, und da entdeckte
ich das Paradies, welches Ihr in Eurer Erd-
gebundenheit nicht finden könnt. Das Para-
dies liegt nämlich so günstig, daß es von
Schiffen nicht erreicht werden kann, ob-
gleich es weiter nichts ist als eine kleine
Insel im Stillen Ozean. Und zwar hat man
es dadurch erreicht, daß die Insel Paradies
weder auf einem der graden Längengrade,
oder dazu parallelen Linien, noch auf einem
der gebogenen Breitengrade gebaut wurde.
Daher kann es weder von graden noch von
gebogenen Linien erreicht werden, die
Schiffe können es allenfalls am Horizonte
liegen sehen, können aber nicht hinfahren,
da Schiffe nur auf graden resp. gebogenen
Linien fahren können. Uebrigens ist die
Vegetation durchaus irdisch dreidimensio-
nal im Paradiese. Es leben dort Menschen,
Tiere und Pflanzen genau wie auf der Erde,
nur ein wenig verweichlicht, weil es dort
keinen Konkurrenzkampf gibt. Ich möchte
dort für mein Leben nicht sein. Uebrigens
bin ich selbst dreimal so groß wie das ge-
samte Paradies, einschließlich Onkel Unge-
flochten, Onkel Pluvinel, Onkel Gustav Pfi-
zer, Onkel Breitensträtter und Onkel Her-
wie, sowie Tante Rainer Maria. Ich habe
auch schon mein Sonntagskleid zerrissen,
; übrigens reißt alles. Eine Zeit hat es hier
gar nicht geregnet, und da wurde es zu
wässerig. Darum habe ich viele Tränen
um Euch vergossen, zu Hause ist eben zu
Hause. Die Hauptnahrung der Merfüsier ist
und bleibt aber, genau wie die der Schwyzer
der Milchkaffee ...
Hier hörte der Brief auf, weil der Bergrutsch
mittlerweile bis an das Dorf Ambri-Sotto ge-
langt war.
Im Paradies ereignete sich inzwischen folgen-
der Vorfall. Hans Breitensträtter, ehemaliger
Schwergewichtsmeister von Deutschland, ge-
nannt der blonde Hans, war seinerzeit am 29.
Februar 1924 durch Paul Samson Körner aus
Zwickau in Sachsen exgeboxt worden. Zu
jener Zeit war im Paradiese ein neuer Engel
angekommen namens Hans Breitensträtter,
von dem gesagt wurde, daß er boxen könne.
Onkel Ungeflochten nannte ihn sofort „blon-
der Hans“ und bat ihn, er möchte den Kindern
doch einmal etwas vorboxen. „0 ja,“ sagte
Hahnemann, „Onkel Hans soll uns was vor-
boxen.“ Die Kinder hüpften um den blonden
Hans herum und sagten: „Box uns mal, lieber
Onkel Hans, box uns mal“ und sie boxten sich
gegenseitig in die Seite und boxten Onkel
Ungeflochten in die Seite und Onkel Pfizer
bekam sogar einen von den verpönten Nieren-
schlägen. Aber Onkel Hans wollte nicht
boxen und sagte: „Wenn ich erst boxe, müßt
Ihr doch alle zu Boden.“ Hertha beobachtete
dies alles in ihrer vierdimensionalen Ungebun-
denheit und wartete den Moment ab, wo sie
irgendwo durch ihr Eingreifen die Handlung
in Verwirrung setzen könnte. Plötzlich sagte
Onkel Stefan: „Hier zieht es.“ Darauf sagte
Onkel Ungeflochten: „Das kommt von dem
rauhen Winde, mein lieber Herr Stefan
George.“ Darauf sagte Onkel Alfred Kerr:
„Dann muß der Wind abgehobelt werden, da-
mit er glatt wird, so habe ich es im Yankee-
Land gesehen.“ „0 ja, Onkel Kerr,“ sagten
die Kinder, „der Wind muß abgehobelt wer-
den, der Wind muß glatt gehobelt werden,“
„Aber wie?“ fragte Onkel Pfizer. Da sagte
Onkel Hans: „Wenn mir jemand den Hobel
erfindet, will ich den Wind abhobeln, Kraft
genug habe ich durch mein Training.“ Darauf
sagte Onkel Peter: „Ich habe schon ganz an-
dere Dinger geschoben, und wem ich ins Auge
schaue, der fliegt in die nächste Ecke! Wenn
wir den Wind abhobeln wollen, so muß er
durch eine riesige Röhre von quadratischem
Durchmesser gepresst werden.“ „Sie meinen
wohl Röhle,“ meinte darauf Onkel Gropius.
„Nein Röhre,“ sagte darauf Peter Röhl, und
er sagte das so laut, .daß Onkel Moholy sich
sofort auf ein daneben liegendes rotes Quadrat
setzte, indem er sagte: „Denn wo ein Bauhaus
ist, da laß Dich ruhig nieder, böse Menschen
kennen keine Quadrate!“
Und nun wurde auf quadratischer Grundlage
eine riesenhafte Röhre gebaut. Das sah sehr
drollig aus, grade im Paradiese neben den
zwetschenfressenden Löwen. Oben blieb
das flache Dach der Röhre teilweise offen,
damit eine Fläche entstand, an der der Wind
glatt gehobelt werden konnte. Die eine Seite
wurde nach oben hin verlängert und als Füh-
rungsschiene für den Hobel ausgebildet. Und
nun kam der Tischler Schlemmer und brachte
einen riesigen Windhobel. Es war ein üblicher
Tischlerhobel, nur bedeutend größer und stär-