Uo
grimmig getäufcht! Elus ben Derfchlafenften, trägeften
3ungen, bie ftch nur mühfam oon einer Klaffe 3ur
anbern fchleppen, fönnen bereinft bie aufgemedfteften,
brauchbaren EHänner merben, unb umgefehrt ent*
täufdjen bie fogertannten EHufterfchüler im fpäteren
Ceben oft in einer ?aum für möglich gehaltenen EDeife.
3« ber fritifchen <§|eit ber Entmicflungsjahre finb
bie Stiftungen bes Schülers oon fo Dielen unb fo
fomplijierten Vorgängen feines Körpers unb feiner
feelifchen Dispofttion abhängig, baß man fich mohl
hüten muß, aus Dielleicht nur Dorübergehenben gu?
fianbserfcheinungen beftimmte Schlüffe 3U 3iehen.
EDürben bie Begebungen, bie man unter bem Schlag*
roort „Kuf flieg ber Begabten" 3ufammenfaßt, fchon
in ber Schule betätigt merben, fo märe 3U befürch*
ten, baß fte gerabe jenen pfeubotalenten 3ugute
fäme, an benen bas Entmicflungsalter fo reich ift:
ben jungen EHenfchen, bie in biefen 3<*hren burch
leichte Eluffaffung unb allerlei fünftlerifche Calente
überrafchen unb beren anfdjeinenb hohe Begabung
ftch ein paar 3ahr^ fpäter als Blenbmerf ermeift.
EDohl jeher Don uns entfinnt fich gemiffer EHitfchülcr,
bie als Zeichner, Klauierfpieler ober gar Dichter all*
gemein Bemunberung erregten, oon beren Calenten
aber man fpäter, obmohl fte liebeooll geförbert tour«
ben, nie mieber efmas 3U hören befatn.
Eluch bei ben meiter oorgefd]rittenen jungen £eutcn
ift es burchaus nicht fo einfach, bie „befonbere" Be*
gabung 3U erfennen. IDelcher alte Elfabemielehrer
hätte ba nicht, menn er Don feinen (Erfahrungen er«
jählt, fehmere 3rrtümer 3U geftehen! ©berflächlidje
tEalentchen, in ben flehten Künften ber Sfreberhaf*
tigfeit nicht unbemanbert unb perfönüch Diellei<ht mit
beftechenben Do^ügen ausgeftattet, miffen ftch oft ben
Bimbus ungemöhnlichen Könnens 3U oerfchaffen, mäh*
renb mirfliche, aber noch fchlummernbe Begabungen
unerfannt unb ungepflegt bleiben. Die Entmicflungs*
gefehlte ber großen Künftler bietet bafür 3ahlrei<he
Bemeife. Blanch mahrer Könner fam auf ber Eifa*
bemie nicht Dormärts, meil er falfch angefaßt mürbe
unb meil es niemanben gab, ber feine 5ähigfeiten
bürchfehaufe; aus eigner Kraft hot er bann erreicht,
mas an meitgefteeften fielen in ihm fchlummerte,
unb ohne Beihilfe Don außen hot er fich burdtfu*
feßen gemußt.
Der gan3e Komplex ber Begabungs* unb 5ör*
berungsfrage, ber Eluslefe, ift ungemein 3arter unb
fchmieriger Batur. EHan barf be3meifeln, ob es über*
haupt in EtTenfchenfräften liegt, jugenbliche 5ähtgs
feiten in ber Bichtung bes Elngemöhnlichen genau
absufchäßen unb barnach su behanbeln. Diclleicht
laufen alle Bemühungen hoch mieber barauf hinaus,
es ber Batur 3U überlaffen, fich ihren EDeg felber
3U bahnen unb bie Efinberniffe 3U überminben. So
fdjäßbar auch olle ernfthaften Derfuche finb, bie bar*
auf hinsielen, größeren (Einfluß auf flarfe Talente
3U geminnen unb ihnen bie EDege 3U ebnen, fo muß
man hoch bauor marnen, gemiffe Schemata aus3u«
arbeiten unb etma als Seitenfiücf 3U bem befannten
XVII, Efeft 20.
päbagogifchen IDerfe „EDie e^ichen mir unfern Sohn
Benjamin?" einen Seüfaben unter bem Citel: „EDie
e^ichen mir unfern Keinen Ellichelangelo?" heraus*
3ugcbcn. Die EHichelaugclos pflegen ftch tneift felbft
3U er3iehen.
3m Elnfd}luß hieran fei ein Brudtftücf aus einem
Etuffaß oon ED. Porftmantt miebergegeben, ber unter
bemtEitel „Der Kufftieg ber Begabten" im „prontc*
theus" (I9f8, Br. \7 unb \8) crfchtenen ift unb
fich in einigen (ßebanfengängen mit ben obigen Elus*
führungen beeft. porftmann fchrcibt:
„(Ein EDort fei noch ber genialen Begabung
gemibmet. (Es mirb naturgemäß mit ben Derfcßie*
benften Stufen ber Begabung 3U rechnen fein. Eine
jebe Begabung erforbert freien Spielraum 3ur Ent*
micflung, am meiften bie geniale. Die «Züchtung
ber leßteren fleht noch in mciter 5erne, cs ift auch
eine 5rage, ob beren Züchtung überhaupt münfehens*
mert unb möglich ift. ©ffenbar ift aber bem (5ente
erft recht ber EDeg geebnet, mo ber mittleren ober
normalen Begabung freie Bahn gefchaffcn ift. E}ier
finbet ber große EHeifter feinen EDeg um fo leichter
felbft. 5ür bas (Senie gilt baher immer noch ber
Saß, baß es ftch felbft bie Bahn burchbricht, cs läßt
fich nicht in Ueffeln fchlagen — mohl aber mirb es
ber Elufftieg ber Begabten Don Dielen Ueffeln löfen.
Die geniale Begabung fefi3uftellen ober gar 3U prüfen,
ift ein ferneres Elmt, meil ja bas Calcnt ftets im
5luß ift, befonbers in ber 3ngenb. Es liegt nicht
immer 3utage, felbft mo ber EDille ftch fchon burch
Betätigung funbgibt. Es mag fpät, erft in bem Er«
machfenett, gan3 3ur Beife fomnten, Dielteich erft unter
fonniger ©bljut ober im f<harfen Sturm bes Cebens.
Es fann um fo tiefer unb echter fein, je fcheuer es
ftch uerbirgt. Es gibt feine Dorfchrift, nach ber man
es beurteilen, feinen gemeingültigen BTaßftab, an
bem man es meffen fönnte. EHan fann nur h°ffert,
baß ber Beurteiler uielfeitige Erfahrungen mitbringe,
nebft Elmficht, ETlenfchenfenntnis unb EtTenfchenliebe.
Die geniale Begabung ift eine meift unfeheinbare,
cmpfinbliche pflan3e.
Eine fpesietlc Betrachtung bebarf ber Künftler,
bas (5enie in ber ETtalerei ober ber lEonfunft. Die
EDirtfchaft unferer Kunft unb Künftler ift burch unb
burch ungefunb. Dom Ertrag ihrer XDerfe leben
unter ben EHalern unb Bilbhauern nur einige Be*
Dorsugte. Die meiften helfen ftch burch Elnterri<ht
ober fonfiige Brotarbeit. Die 5reube am eigenen
EDerf hilft bem Bachbenflichen über bie baraus er*
machfenben mirtfchaftlichcn Schmierigfeiten nicht meg.
Ells mürbiges (Slicb feines Dolfes fühlt ftch ober
nur, mer mirtfehoftlid) auf fich felber fleht. Das Er*
gebnis ber Derfuche, ber Begabung hier freiere Bahn
5U fchaffen, ift etma fo 3ufammen3ufaffen: Der mittel*
lofe Künftler, ehe er feinen Cujusbcruf ergreift, follte
ein bürgerliches ffanbmerf erlernt hoben, auf bas
er fich 3urücf3iehen fann, fobalb feine freie Kunft*
tätigfeit Derfagt. Da3U fönnte ber Staat helfen, in*
bem er niemanben in bie f}o<hfchulc aufnimmt, ber
Die EPerfftatt ber Kunft.
grimmig getäufcht! Elus ben Derfchlafenften, trägeften
3ungen, bie ftch nur mühfam oon einer Klaffe 3ur
anbern fchleppen, fönnen bereinft bie aufgemedfteften,
brauchbaren EHänner merben, unb umgefehrt ent*
täufdjen bie fogertannten EHufterfchüler im fpäteren
Ceben oft in einer ?aum für möglich gehaltenen EDeife.
3« ber fritifchen <§|eit ber Entmicflungsjahre finb
bie Stiftungen bes Schülers oon fo Dielen unb fo
fomplijierten Vorgängen feines Körpers unb feiner
feelifchen Dispofttion abhängig, baß man fich mohl
hüten muß, aus Dielleicht nur Dorübergehenben gu?
fianbserfcheinungen beftimmte Schlüffe 3U 3iehen.
EDürben bie Begebungen, bie man unter bem Schlag*
roort „Kuf flieg ber Begabten" 3ufammenfaßt, fchon
in ber Schule betätigt merben, fo märe 3U befürch*
ten, baß fte gerabe jenen pfeubotalenten 3ugute
fäme, an benen bas Entmicflungsalter fo reich ift:
ben jungen EHenfchen, bie in biefen 3<*hren burch
leichte Eluffaffung unb allerlei fünftlerifche Calente
überrafchen unb beren anfdjeinenb hohe Begabung
ftch ein paar 3ahr^ fpäter als Blenbmerf ermeift.
EDohl jeher Don uns entfinnt fich gemiffer EHitfchülcr,
bie als Zeichner, Klauierfpieler ober gar Dichter all*
gemein Bemunberung erregten, oon beren Calenten
aber man fpäter, obmohl fte liebeooll geförbert tour«
ben, nie mieber efmas 3U hören befatn.
Eluch bei ben meiter oorgefd]rittenen jungen £eutcn
ift es burchaus nicht fo einfach, bie „befonbere" Be*
gabung 3U erfennen. IDelcher alte Elfabemielehrer
hätte ba nicht, menn er Don feinen (Erfahrungen er«
jählt, fehmere 3rrtümer 3U geftehen! ©berflächlidje
tEalentchen, in ben flehten Künften ber Sfreberhaf*
tigfeit nicht unbemanbert unb perfönüch Diellei<ht mit
beftechenben Do^ügen ausgeftattet, miffen ftch oft ben
Bimbus ungemöhnlichen Könnens 3U oerfchaffen, mäh*
renb mirfliche, aber noch fchlummernbe Begabungen
unerfannt unb ungepflegt bleiben. Die Entmicflungs*
gefehlte ber großen Künftler bietet bafür 3ahlrei<he
Bemeife. Blanch mahrer Könner fam auf ber Eifa*
bemie nicht Dormärts, meil er falfch angefaßt mürbe
unb meil es niemanben gab, ber feine 5ähigfeiten
bürchfehaufe; aus eigner Kraft hot er bann erreicht,
mas an meitgefteeften fielen in ihm fchlummerte,
unb ohne Beihilfe Don außen hot er fich burdtfu*
feßen gemußt.
Der gan3e Komplex ber Begabungs* unb 5ör*
berungsfrage, ber Eluslefe, ift ungemein 3arter unb
fchmieriger Batur. EHan barf be3meifeln, ob es über*
haupt in EtTenfchenfräften liegt, jugenbliche 5ähtgs
feiten in ber Bichtung bes Elngemöhnlichen genau
absufchäßen unb barnach su behanbeln. Diclleicht
laufen alle Bemühungen hoch mieber barauf hinaus,
es ber Batur 3U überlaffen, fich ihren EDeg felber
3U bahnen unb bie Efinberniffe 3U überminben. So
fdjäßbar auch olle ernfthaften Derfuche finb, bie bar*
auf hinsielen, größeren (Einfluß auf flarfe Talente
3U geminnen unb ihnen bie EDege 3U ebnen, fo muß
man hoch bauor marnen, gemiffe Schemata aus3u«
arbeiten unb etma als Seitenfiücf 3U bem befannten
XVII, Efeft 20.
päbagogifchen IDerfe „EDie e^ichen mir unfern Sohn
Benjamin?" einen Seüfaben unter bem Citel: „EDie
e^ichen mir unfern Keinen Ellichelangelo?" heraus*
3ugcbcn. Die EHichelaugclos pflegen ftch tneift felbft
3U er3iehen.
3m Elnfd}luß hieran fei ein Brudtftücf aus einem
Etuffaß oon ED. Porftmantt miebergegeben, ber unter
bemtEitel „Der Kufftieg ber Begabten" im „prontc*
theus" (I9f8, Br. \7 unb \8) crfchtenen ift unb
fich in einigen (ßebanfengängen mit ben obigen Elus*
führungen beeft. porftmann fchrcibt:
„(Ein EDort fei noch ber genialen Begabung
gemibmet. (Es mirb naturgemäß mit ben Derfcßie*
benften Stufen ber Begabung 3U rechnen fein. Eine
jebe Begabung erforbert freien Spielraum 3ur Ent*
micflung, am meiften bie geniale. Die «Züchtung
ber leßteren fleht noch in mciter 5erne, cs ift auch
eine 5rage, ob beren Züchtung überhaupt münfehens*
mert unb möglich ift. ©ffenbar ift aber bem (5ente
erft recht ber EDeg geebnet, mo ber mittleren ober
normalen Begabung freie Bahn gefchaffcn ift. E}ier
finbet ber große EHeifter feinen EDeg um fo leichter
felbft. 5ür bas (Senie gilt baher immer noch ber
Saß, baß es ftch felbft bie Bahn burchbricht, cs läßt
fich nicht in Ueffeln fchlagen — mohl aber mirb es
ber Elufftieg ber Begabten Don Dielen Ueffeln löfen.
Die geniale Begabung fefi3uftellen ober gar 3U prüfen,
ift ein ferneres Elmt, meil ja bas Calcnt ftets im
5luß ift, befonbers in ber 3ngenb. Es liegt nicht
immer 3utage, felbft mo ber EDille ftch fchon burch
Betätigung funbgibt. Es mag fpät, erft in bem Er«
machfenett, gan3 3ur Beife fomnten, Dielteich erft unter
fonniger ©bljut ober im f<harfen Sturm bes Cebens.
Es fann um fo tiefer unb echter fein, je fcheuer es
ftch uerbirgt. Es gibt feine Dorfchrift, nach ber man
es beurteilen, feinen gemeingültigen BTaßftab, an
bem man es meffen fönnte. EHan fann nur h°ffert,
baß ber Beurteiler uielfeitige Erfahrungen mitbringe,
nebft Elmficht, ETlenfchenfenntnis unb EtTenfchenliebe.
Die geniale Begabung ift eine meift unfeheinbare,
cmpfinbliche pflan3e.
Eine fpesietlc Betrachtung bebarf ber Künftler,
bas (5enie in ber ETtalerei ober ber lEonfunft. Die
EDirtfchaft unferer Kunft unb Künftler ift burch unb
burch ungefunb. Dom Ertrag ihrer XDerfe leben
unter ben EHalern unb Bilbhauern nur einige Be*
Dorsugte. Die meiften helfen ftch burch Elnterri<ht
ober fonfiige Brotarbeit. Die 5reube am eigenen
EDerf hilft bem Bachbenflichen über bie baraus er*
machfenben mirtfchaftlichcn Schmierigfeiten nicht meg.
Ells mürbiges (Slicb feines Dolfes fühlt ftch ober
nur, mer mirtfehoftlid) auf fich felber fleht. Das Er*
gebnis ber Derfuche, ber Begabung hier freiere Bahn
5U fchaffen, ift etma fo 3ufammen3ufaffen: Der mittel*
lofe Künftler, ehe er feinen Cujusbcruf ergreift, follte
ein bürgerliches ffanbmerf erlernt hoben, auf bas
er fich 3urücf3iehen fann, fobalb feine freie Kunft*
tätigfeit Derfagt. Da3U fönnte ber Staat helfen, in*
bem er niemanben in bie f}o<hfchulc aufnimmt, ber
Die EPerfftatt ber Kunft.