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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 17.1917/​1918

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Heft 23
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Ottmann, Victor: Kunstkritik und Kunstschwätzerei
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Umschau / Nachrichtenteil / Inhalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41229#0196

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XVtl, 4cft 25.

Die IDerfftatt 6er Kauft.

hotte bet talentuoüe Anfänger noch mit bem IDort
„Synthefe", in jebem Zrtifeldjen 3wölfmal angewanbt,
fein leibliches ZusFommen; heute muß er fließenb
Säfee fchreiben Fönnen wie (ich öitiere aus einem
Kunftblatt neuefter Prägung): „Bei X. ifi alles Ent»
labung, ^ufammenprcffung 3um nacften Schrei, ab*
gefchneüt uon fanatifchen Sprungfebern aus 3erfpreng»
ter Bruft", wenn er bie ZufmerFfamFeit ber <5unft»
genoffen im Kaffeehaus erregen wiH.
3n ber EinFehrftimmung ber erften Kriegswochen
waren Schwärmer bes (Slaubens, baß ber Snobis«
mus, bas geiftige unb äflhetifhe (Sedentum, in Deutfeh5
lanb abgemirtfehaft hätte* IDelche ©äufchung! Es
will im (Segenteil feheinen, als ob gerabe ber Krieg
bem Snobismus ungemein förberlich ift unb ber „fette
Phrafenmift" in Citeratur unb Kunft ben Keitum*
flänben eine unerhörte ©rcibFraft uerbanFt. tDie in
Zustellungen unb Kunftfalons bie unglaublichen
ZTlalefperimente unter ber BlasFe bes Baiuen unb
3ntuitioen bem Bei3hunger ber Ueberfatten entgegen»
fommen, fo bläht ftch in Büchern unb ^eitfehriften
geiflesuerwanbter Zrt ein äfthetifcher Schwulfi, ber
»ieüeicht bas Ent3Ücfen unentwegter Snobs erregen
mag, aber bei bem unoerbilbeten Cefer nur, je nach
Caune unb ©emperament, Kopffchütteln, (Stimm ober
her3liches Cachen horuorruft.
Um einmal an einigen Beifpielen, bie ftch mühe»
los ueruielfachen ließen, bie fpra<hli<he ©echniF un«
ferer aüerneueften KunftfchriftfteUerei 3U 3cigen, feien
hier ein paar Säfee aus einem im uorigen 3ohr er’
fchienenen Kunftbuch eines befannten ZeßhetiFers unb
Dichters 3itiert. Das Buch unb fein Derfaffer wer«
ben abftchtlich nicht genannt, weil es nicht ber ^weef
biefer feilen ift, eine beflimmte perfon 3U treffen;
es Fommt hter uur auf bie Sache an unb barauf,
bas ©ypifdje einer gewiffen Zrt uon äftheüfchem
Schwulft bar3utun. Es heißt ba 3um Beifpiel: „Sofficis
5arbe hot ben impreffioniftifchen 5Iecf auf»
gefogen; besiehungslos 3um Diuiftonismus behauptet
er bas dorbenperipherifhe, niemals uerfteigt er
ftch ins Zbfolute." ©ber: „3u ben SFulpturen ftülpt
unb trichtert CehmbrucF, ohne bas (Erlebnis unter
ben Dingen 3U uerlefeen, Dorfiellungen bes IDeibes
uom gwerchfetl 0&cr DOn &cn Knien an, nach oben."
Das muß aber fchwer fein, benFt ber Cefer unb lieft
weiter: „Der allerfliegenbfte Bilbhauer ift Zrdji«
penFo. Sein Fauernbes IDeib ift fchwanger an
ewigen (Seometrien." Ein peinlicher ^ufianb,
befonbers ba man gewöhnlich nur fdjwanger uon
jemanb ober mit etwas ift. Schwanger an etwas,

bas gibt es uiclleicht um Pantys! herum, allwo ber
Kafe h«t uier Beinen, an jebes Ecfe einen, höchftens
auch noch im Berliner ©af£ bes JDeftens, aber Feines»
wegs im beutfehen Dlufenhoin. „IDir ftnb burch
Boccioni ein piafiiFum uon DynamiF, (SeifiigFcit
unb 3U Bewußtfein emporgewirbelter Kreifel»
gefefelichFeitcn bes eigenen Körpers", fagt ber
Derfaffer, unb ber fchon gan3 uerwirrte Cefer benFt,
es fei hi« uon ben Ceiftungen eines erftFlaffigen
ZFrobatcn bie Bebe. „Ein Diehuuiel ift ber BTenfd?,
fein IDeltwittern ift aber bereits bas annäherungs*
weife Einfammeln ber Ein3elFreif ungen
ber abfonberlich ucrwicFelten CeibhaftigFeit." Das
muß uerbrueft fein, murmelt ber Cefer; es foll
wohl heißen: „Zbfonberlich uerwicFelt ift berBTenfch,
feine CeibhaftigFeit fammclt aber bereits bas an«
näherungsweifc XDeltwiffen ber ein3elfreifenben Diel*
3ur»ielen." Unerbittlich macht ihm ber Derfaffer
ben StanbpunFt weiter Flar: „BTit unferen Bewc»
gungen brechen wir unaufhaltfam in neue <Seo«
metrien ein." Zlja, weiß fchon, benft ber Cefer
aufatmenb; an benen wirb man bann fchwanger.
„Zuf Schulter unb SchenFel tragen wir noch nicht
aus gef pr 0 ch e neBaumFr i ftall i f ier ungen in un»
fere SchreitungsrhythmiF hinein," fagt ber Der«
faffer. Das ift unangenehm, benFt ber Cefer; fo
eine uerbächtige Sache an Schulter unb SchenFel...
„IDir hoben Scham über uns gesogen, bamit unfre
BacFtheit geometrifch erhalten, ftd) in Btarmor
hineinFriftaUifteren Fann," fährt ber Derfaffer unbe*
irrt fort. Da paeft ben Cefer geometrifches (Stauen.
„Bein!" fchreit er wütenb unb Flappt bas Buch 3u.
„Cieber taufenb eyprefftoniflifche, Fubiftifche, futurifti«
fche Bilber auf einmal befehen, als nur noch eine
einige ^cilc weiter lefen!"
Dielleicht befdfwert ftch jener Kunftfchriftfteller
barüber, baß hier aus bem ^ufamtnenhang geriffene
Säfee wiebergegeben werben. Das ift wahr; ich
behaupte jeboch, baß bie anberen Säfee — man
Fann unmöglich alle 3itieren — 3unt großen ©eil
ebenfo rätfelhaft unb gefchwoüen ftnb, wenngleich
es auch nicht an einigen Säfeen uon fhlihtcr BTonu»
mentaütät fehlt, wie: „Der Bing in IDien ift eine
©riumpfftraße aFabemifd?er Plumpheit." Da werben
ßh ober bie tDiener fdjön ärgern. Bilben fleh
feit uier3ig 3«hrcn (Sott weiß was auf ihre Bing«
ftraße ein. 3a/ warum hoben fte auch nicht ge*
wartet, bis ihnen ein paar uon ben neueften ©rigi«
nalgenies bie Sache beforgten!
Dictor ©ttmann.

OmTcbaa.

Stiftung bes Königs non Bayern für ein
neues KunftausfieQungsgcbaube in 2ttän<h*n.
Zus Znlaß feiner golbenen h°h3citsfeter hat König
fiubmig oon Bayern reich« Stiftungen für bas Zllgemein«
wohl gemalt, barnnter eine, bie bei ben Kfinftlern nnb

Kunßfremtben tltiinchens befonbere ^reube erregt.
feinet Znfprache fugte ber König:
„Unfer golbenes 3a&elfeft fällt tn eine faber
auch große §eit. Unfer fehnlichfier tUunfdj war es, biefes
^eß, bas bisher nur einem unferer Dorfahren auf bem
Chrone befchieben war, im Sonnenf(hein bes ^rtebens be*
 
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