Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 17.1917/​1918

DOI issue:
Heft 30
DOI article:
Schnebel, Carl: Warum werden Porträts unähnlich?
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.41229#0252

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die iPcrfftatt b&c KurtfL

XVII, Qeft 80.

2*8

leitet ber 3tt^inft fehr richtig, ber oom (gang ins Htelier
3ur Sifcung 3urücfhält, folange man fich mit bem Künjiler
noch nicht genügenb befamtt gemacht tjat. (Es genügt burdj*
ans nid?!, wenn ber Künjiler weiß: Dies ijl ein reicher
Kaufmann, ein IDiffenfchaftler oon Huf, menfd?Iid? in bie*
fern ober jenem (grabe angenehm. Hein, ber Künjiler
muß fc£?on ben UTenfchen genauer fennen, beoor er ihn malt!
(fafi jeber jagt fid? bas felbjl. Har bas einige, leibige,
höfliche Hnpaffen an bie beiberfeitig freie §eit unb bie
übertriebene Hüdficfjt auf bie beiberfeitige Bequemlichfeit
oerurfacht bie oielen (fälle, wo bie gute Bebingung 3am
guten Bilbnis oerfäumt unb oerborben wirb. 5d}ön, ich
weiß, baß feljr oft and? ausgeseidjnete Bilbniffe gemalt
worben finb, wenn ber Dar3ufiellenbe unb ber Künjiler jtdj
faum früher gejeljen tjatten, als bis jie neben ber Staffelei
3ufammenfaßen. Über bann waren feltene Dorausjefeungen
erfüllt. Der Bejleller tjatte fid? eben befonbers fchmiegfam
in bie oielen ungewohnten fagen gefcfjicft, bie mit bem
(gemaltwerben untrennbar oerbunben finb. Huch Ijatte ber
UTaler als großer UTeifier eine wirflich feine Hrt, bem
IDefen bes itjm Sifcenben fchnell auf ben (Sranb 3U fommen.
(gewöhnlich ijl es anbers. TDer fldj 3um erjlenmal malen
läßt, begibt fich ba3u mit einem (Sefüljl oon Heugier, oon
Stol3, oon Hngjl oor ber künftigen Kritif feines Bilbniffes.
<Er tjat oft eben erjl ben Herger über bie bjonorarforberung
bes Künjilers mit bem (ßrunbe übertounben, ben IDljijtler,
angegriffen, anführte: „3<h forbere für bie ,herunterge*
tjauene1 Hrbeit oon 3toei Sagen feineswegs jene 200 (gui*
neen, fonbern ich forbere fie für €rfaßrung eines UTenfchen*
Iebens". Der Bejleller geht trofc allebem 30m UTaler mit
einem gemifdjten (gefütjl, ähnlich bem, mit bem man 30m
gahna^t geht. Die (Erroartung ungewöhnlicher Situationen
unb (Empfinbungen wirb bann auch feiten enttäufdjt. Das
Htelier ijl manchmal bis 3um Unbehaglichen fatjl unb
nüchtern, manchmal oon einer beflemmenben Pracht, jiets
eine frembe, ungewohnte Umgebung. UTan geht unb fielet
in einem fehr ungewohnten £idjt unb foll nun möglichjl
ffiH unb unbeweglich Pofe galten, UTobell fffcen. Das ijl
eine Ijödjjl befd?roerIid?e Hufgabe. Sie erforbert oor allem
(Sebulb, benn bie Pßlegmatifdjen fchläfert jie ein, unb
jie quält bie beweglichen £eute. Ulan hat eine Unbequem*
Iidffeit, bie man oom Photographen her fennt, ins h»nbert*
fache oerlängert, ffanbljaft aussuhalten. Sehr oft er3wingt
ber UTaler eine Haltung, bie für bie Bilbfompoßtion oon
Dorteil, jeboch für bie Humpf* unb f?alsmusfulatur einiger,
maßen anjirengenb ijl. Ulan fifot auf einem (oielleicht)
fdjöngefchwungenen Seffel, ber fleh aber als recht unge.
toohnt unb unbequem ertoeijl. Kur3: man fifct anbers ba,
als man es fonff tut. UTan möchte fld? nicht in aÖ3U um*
faffenber TDeife am (Sejpräch beteiligen, fchon aus fjöflich*
feit gegen ben UTaler nicht, ben ja ein ffarfes Bewegen
bes Ulunbes beim Ulobell ftören muß, wie man fich, ge*
wöhnlich fäljchlich, jagt. (Es iff bemnach ber UTaler, ber
fich sebrungen fühlt, ben ihm Sifcenben 3a unterhalten.
Da machen nun bie meiffen UTaler einen großen fehler*

Sie entwicfeln fleh ein Schema, nach bem jie ben (Eon ber
Unterhaltung aller ihrer Ulobelle ohne Unterfchieb ein*
richten. UTanche UTaler haben ben £eitfafc, alle ihre Bilb*
nismobeüe lujlig 3U unterhalten. Unb jie bringen bann
oielleicht wirflich einen jonft feljr ernjlen (gelehrten in eine
für ihn gan3 undjarafterijiifche jooiale Stimmung, in ber
jie ihn tjöchfi ähnlich abfonterfeien. Hnbere UTaler wollen
um jeben preis geiftreich fe*n elegifch, wieber anbere
3iehen einen mofanten ober fatirifch’füfftfanten (Eon ber
Unterhaltung oor. Hun weiß man, wie fchnell gut er*
3ogene UTenfchen gewohnheitsgemäß burch ihr UTienenjpiel
auf ben (Eon bes Partners antworten. So befommen wir
benn, an fleh oielleicht gar nicht fehlest unb gar nicht un-
ähnlich gemalt, fülle, 3urücfhaltenbe UTenfchen in einem
bei ihnen h^jl feltenen gufallsaugenblicf heiterfter Seft*
laune im Bilbe fejtgetjalten; ober oon ber £einmanb herab
fehen uns, gan3 uncharafterijüfch, mit einem fpöttifdjen
UTunbfräufeln UTenfchen an, benen es fonjl im gan3en 3«hr
nur breimal einfällt, biefen Husbrucf an3unehmen.
Das muß hoch alles nicht fein! — Ueberlaffen wir es
hoch bem Photographen, uns in einer gnfallslaune barsu*
jlellen. Die Kunfl, ungeniert 3U fprechen unb babei ben«
noch füll 3U fi^en, ohne ben Kopf 3U brehen unb 3U wen*
ben, lernt fleh oiel fchneller, als man benft. UTan fpreche
ruhig, währenb ber Künfiler nach einem malt. Hiemals
werben wir 3um Sprechen ähnlich gemalt fein fönnen,
wenn wir nicht fprechen. Der gemalt wirb, muß bie Un*
tertjaltung leiten, wenigjtens ihren Con bejtimmen. Dann
wirb auch ber wirfliche Husbrucf feines IDefens auf feinen
<Seßcbts3Ügen liegen. Unb ber fluge UTaler wirb froh \eint
wenn fich hiefer Husbrucf fo rein, unoerhohlen unb ehr*
lieh wiberfpiegelt, benn er ha* ohnehin fooiel Kugenmaß*
arbeit 3U tun, ohnehin fo mit bem (formen unb UTobellicren
3U tun, baß er froh fe*n »irb, fich fon3entrieren 3U
fönneu, ohne oiel fchwäfcen ju müffen. Das Bilbnis muß
ihm unter ben fjänben wie in einem Crancesuflanb ent*
flehen, inbem er bas Stücf Hatur, bas er oor fich ha^
hinübersieht auf bie feinewanb. Der 3U Ulalenbe befümme
auch felher feine Haltung, laffe fich UTühe nicht oer*
brießen, für ben gewohnten Seffel 3U forgen, unb ber
UTaler nehme biefen lebenbigen, fid? natürlich
gebenben UTenfchen als etwas flreng (gegebenes.
Don biefem (gegebenen aus baue et bann erjl
bie Kompojition bes Bilbes auf, füge er bie UTufif ber
(farbjlächen. Dann wirb es wieber oiel mehr ähnliche Bilb*
niffe geben. £affen wir gemütsruhig 0nfel Cheo&or nac*?'
her bie Kugen 3U groß unb bie Hafe 3U flein, Cante Su*
fanne umgefehrt bie Hugen 3U fletn unb bie Hafe 3U groß
finben. KU biefe frittfehen (Einreben, bie in feiner (familie
ausbleiben, wo jeber, flol3 auf bie (Entbecfung eines oer«
meintlichen Fehlers, biefe feine (Entbecfung in oergröberte
IDorte bringt, alle biefe Kritifen werben fich gegeneinanber,
wie es immer geht, abfchleifen unb 3U ber Schlußfejlffellung
ber (familie führen, bas Bilb fei oon gerabesu frappieren*
ber Kehnlichfeit.
 
Annotationen