Abonnementspreis: Bei
direktem Bezug von der Ex-
pedition 45 kr. oder 13 Sgr.,
bei Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 54 kr oder
15'/r Sgr. für das Quartal.
Inserate zwei Sgr. für die
doppelspaltige Petitzeile.
Wochen-BIatt
des
Herausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.
M 4.
Frankfurt a. M., den 27. April.
Inhalt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbriefc. — Der deutsche Eidgenosse-
— Die preußische Flotte. — Die Inquisition II. — An die Redaktion des
Wochenblatts des Nationalvcreins. — Aus dem Nassauischen.
Wochenbericht.
Frankfurt, 25. April 1865.
* Der Ucbermuth der schleswig-holsteinischen Politik des
Hcrrst v. Bismarck hat eine erste Demüthigung erfahren, welche
empfindlich genug ist, um die preußische Regierung entweder
zur Besinnung zu bringen oder vollends zu überreizen. Sich
von der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung den Gehor-
sam öffentlich aufkündigen zn hören, und obendrein gezwungen
zu sein, die mit hochfahrenden Worten ausgesprochene Absicht
einer politisch-militärischen Besitzergreifung am folgenden Tage
kleinlaut wieder aufzngeben — das ist eine Niederlage, welche
der Annexionspolitik tödtlich werden muß, wenn sie nicht
rasch nnd glänzend wieder gut gemacht wird. Ein politisches
Abentheuer ist immer in demselben Augenblicke mißlungen,
wo es aufhört zu blenden nnd zu imponiren, und dieser Augen-
blick scheint für die schleswig-holsteinischen Pläne des Herrn
v. Bismarck mit dem Rückzüge von Kiel eingetretcn zu sein;
cs wäre denn, daß es dem preußischen Minister durch irgend
einen kühnen und glücklichen Griff gelänge, einen neuen Schleier
über das Gcheimniß seiner Schwäche zn werfen, noch ehe die
plötzliche Enthüllung desselben ihre volle Wirkung auf das
Auge der Welt hcrvorgebracht hat.
Unter allen Umständen ist von senen Vorgängen eine
wohlthätige Abkühlung der öffentlichen Stimmung in Preußen
zu hoffen, die da angcfangen, sich unter dem Einflüsse der
officiellcn Annexionsbewcgung bedenklich zu erhitzen. Selbst
in einem Theile der liberalen Presse hatte in den letzten Wochen
ein Ton die Oberhand gewonnen, der nnr allzn deutlich von
einer unbegreiflichen Ueberspannnng zeugte. Preußen har seinen
Willen erklärt, und damit ist die Sache abgethan, mag Oester-
reich nnd die übrige Welt süß oder sauer dazu sehen — das
war der Text, welchen manche der angesehensten preußischen
Blätter rn einer Art Corporalsdialekt abhandelten, bei dessen
Klang Herrn v. Bismarck und Herrn v. Roon das Herz im
Leibe gelacht haben muß. Wäre nun Preußen wirklich in der
Lage, wie in einem ähnlichen Falle etwa Frankreich sein würde,
seinen Willen unbekümmert nm die Andern und auch trotz
ihres Widerspruchs, dnrchzusetzen, so würde eine solche prah-
lerische Schaustellung seines Machtbcwußtseins immer noch
ein grober Fehler sein, dessen sich der heutige Bonapartismus
niemals schuldig gemacht hat. Angesichts der Wirklichkeit aber,
find jene Aufschneidereien von einer unaussprechlichen Ein-
fältigkeit und ganz dazu angethan, nicht bloß ihre Urheber,
sondern auch den Staat selbst mehr als lächerlich zu machen.
Und nun vollends im Munde der liberalen Presse, die ja
1865.
der Annexionspolitik nicht einmal den Gebrauch außerordent-
licher Mittel gestatten will und gestatten kann! Kurz, der
Bismark'sche Schwindel hatte eine augenscheinliche Ansteckung
ausgeübt, und sogar manche sonst ganz nüchterne Köpfe er-
griffen, denen die unsanfte Berührung mit den neuesten Tat-
sachen ohne Zweifel heilsam sein wird.
Im Zusammenhänge mit dieser Erwartung möge hier auch der
Wunsch ausgesprochen werden, daß die unter großem militärischen
Pomp und eben so großen Worten vollzogene Grundsteinlegung
für die Denkmäler des dänischen Krieges, der Schlußakt des
Schauspiels der Selbstverherrlichung gewesen fein möge, welches
feit den Tagen von Düppel nnd Alfen, ja sogar schon feit
der zweideutigen Nacht bei Missnnde, unermüdlich und endlos
in Preußen anfgeführt worden ist. Der Ruhm und Preis des
preußischen Heeres ist so überlange und so überlaut in die Welt
hinansgeschrien worden, daß den Herolden selbst nachgerade
die Ohren davon gellen müssen, daß kein Mensch mehr davon
hören will, ja daß Viele an der Sache selbst irre geworden
sind, die man ihnen mit so wortreicher Zudringlichkeit tag-
täglich von Neuem herausstreicht. Ucber ein Kleines, und selbst
für die Magennerven der unfreiwilligen Zuhörerschaft, wird
die Probe zu stark.
Die dem preußischen Landtage in Aussicht gestellte Vor-
lage wegen der Kosten des dänischen Krieges ist ohne Zweifel
bestimmt, die fchleswigPolsteinische Frage selbst in das Abge-
ordnetenhaus einzuführen. Die Regierung muß sich also wohl
endlich des parlamentarischen Beistandes in dieser Angelegenheit
bedürftig fühlen. Damit wäre denn wenigstens ein kleiner
Schritt im Wege der Erkenntniß gemacht, dem andere und
größere, unter wirksamer Bcihülfe der Ereignisse, hoffentlich
bald nachfolgen werden. Uebrigens fehlt es auch nicht an
anderweitigen Anzeichen, daß die Berliner Cabinetspolitik in
eine Art Krisis eingetretcn, die demnächst vielleicht zum über-
raschenden Durchbruch kommen wird.
Frankreich. In seiner Antwort ans die Adresse des gesetzgebenden
Körpers, ist der Kaiser Napoleon den politischen Wünschen und Forderungen
der liberalen Opposition mit einer Entschiedenheit entgegengetreten, welche
jede Aussicht auf eine Aenderung des bisherigen Regierungssystems aus-
schließt. Der Bonapartismus hat in der Thal, eben so wie der Jesui-
tismus, nur die Wahl, entweder zu bleiben wie er ist, oder ganz auf-
zuhören. — Herr Thiers hat mit seiner großen Rede, über die aus-
wärtige Politik Frankreichs, in der Presse so wenig Glück gemacht, wie
bei der Mehrheit des gesetzgebenden Körpers. Nur die ultramontanen Blätter
sind mit dem ehemaligen Schildträger der Julimonarchie diesmal zu-
frieden, und preisen höchlich seine rednerischen Verdienste um das welt-
liche Papstthum und den nationalen Charakter des französischen Katho-
licismus. Damit ist denn freilich nicht gesagt, daß diejenigen, welche diesen
Ansichten des Herrn Thiers nicht öffentlich zustimmen, seine italienische
Politik mißbilligen, und noch viel weniger, daß seine Theorie von der
Nothwendigkeit der Zerstückelung und Ohnmacht Deutschlands, nicht in
Frankreich äußerst populär sei. Gleichwohl läßt sich nicht verkennen, daß
die Politik des Herrn ThierS, nach manchen Seiten hin, einen veralteten
Anstrich hat, und daß die heutige Zeit, ungeachtet des Bonapartismus,
über den Staatsmann, der so lange an der Spitze der Jnliregierung
stand, einigermaßen hinausgewachsen ist. Ein tröstliches Zeichen, daß die
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M 4.
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Inhalt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbriefc. — Der deutsche Eidgenosse-
— Die preußische Flotte. — Die Inquisition II. — An die Redaktion des
Wochenblatts des Nationalvcreins. — Aus dem Nassauischen.
Wochenbericht.
Frankfurt, 25. April 1865.
* Der Ucbermuth der schleswig-holsteinischen Politik des
Hcrrst v. Bismarck hat eine erste Demüthigung erfahren, welche
empfindlich genug ist, um die preußische Regierung entweder
zur Besinnung zu bringen oder vollends zu überreizen. Sich
von der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung den Gehor-
sam öffentlich aufkündigen zn hören, und obendrein gezwungen
zu sein, die mit hochfahrenden Worten ausgesprochene Absicht
einer politisch-militärischen Besitzergreifung am folgenden Tage
kleinlaut wieder aufzngeben — das ist eine Niederlage, welche
der Annexionspolitik tödtlich werden muß, wenn sie nicht
rasch nnd glänzend wieder gut gemacht wird. Ein politisches
Abentheuer ist immer in demselben Augenblicke mißlungen,
wo es aufhört zu blenden nnd zu imponiren, und dieser Augen-
blick scheint für die schleswig-holsteinischen Pläne des Herrn
v. Bismarck mit dem Rückzüge von Kiel eingetretcn zu sein;
cs wäre denn, daß es dem preußischen Minister durch irgend
einen kühnen und glücklichen Griff gelänge, einen neuen Schleier
über das Gcheimniß seiner Schwäche zn werfen, noch ehe die
plötzliche Enthüllung desselben ihre volle Wirkung auf das
Auge der Welt hcrvorgebracht hat.
Unter allen Umständen ist von senen Vorgängen eine
wohlthätige Abkühlung der öffentlichen Stimmung in Preußen
zu hoffen, die da angcfangen, sich unter dem Einflüsse der
officiellcn Annexionsbewcgung bedenklich zu erhitzen. Selbst
in einem Theile der liberalen Presse hatte in den letzten Wochen
ein Ton die Oberhand gewonnen, der nnr allzn deutlich von
einer unbegreiflichen Ueberspannnng zeugte. Preußen har seinen
Willen erklärt, und damit ist die Sache abgethan, mag Oester-
reich nnd die übrige Welt süß oder sauer dazu sehen — das
war der Text, welchen manche der angesehensten preußischen
Blätter rn einer Art Corporalsdialekt abhandelten, bei dessen
Klang Herrn v. Bismarck und Herrn v. Roon das Herz im
Leibe gelacht haben muß. Wäre nun Preußen wirklich in der
Lage, wie in einem ähnlichen Falle etwa Frankreich sein würde,
seinen Willen unbekümmert nm die Andern und auch trotz
ihres Widerspruchs, dnrchzusetzen, so würde eine solche prah-
lerische Schaustellung seines Machtbcwußtseins immer noch
ein grober Fehler sein, dessen sich der heutige Bonapartismus
niemals schuldig gemacht hat. Angesichts der Wirklichkeit aber,
find jene Aufschneidereien von einer unaussprechlichen Ein-
fältigkeit und ganz dazu angethan, nicht bloß ihre Urheber,
sondern auch den Staat selbst mehr als lächerlich zu machen.
Und nun vollends im Munde der liberalen Presse, die ja
1865.
der Annexionspolitik nicht einmal den Gebrauch außerordent-
licher Mittel gestatten will und gestatten kann! Kurz, der
Bismark'sche Schwindel hatte eine augenscheinliche Ansteckung
ausgeübt, und sogar manche sonst ganz nüchterne Köpfe er-
griffen, denen die unsanfte Berührung mit den neuesten Tat-
sachen ohne Zweifel heilsam sein wird.
Im Zusammenhänge mit dieser Erwartung möge hier auch der
Wunsch ausgesprochen werden, daß die unter großem militärischen
Pomp und eben so großen Worten vollzogene Grundsteinlegung
für die Denkmäler des dänischen Krieges, der Schlußakt des
Schauspiels der Selbstverherrlichung gewesen fein möge, welches
feit den Tagen von Düppel nnd Alfen, ja sogar schon feit
der zweideutigen Nacht bei Missnnde, unermüdlich und endlos
in Preußen anfgeführt worden ist. Der Ruhm und Preis des
preußischen Heeres ist so überlange und so überlaut in die Welt
hinansgeschrien worden, daß den Herolden selbst nachgerade
die Ohren davon gellen müssen, daß kein Mensch mehr davon
hören will, ja daß Viele an der Sache selbst irre geworden
sind, die man ihnen mit so wortreicher Zudringlichkeit tag-
täglich von Neuem herausstreicht. Ucber ein Kleines, und selbst
für die Magennerven der unfreiwilligen Zuhörerschaft, wird
die Probe zu stark.
Die dem preußischen Landtage in Aussicht gestellte Vor-
lage wegen der Kosten des dänischen Krieges ist ohne Zweifel
bestimmt, die fchleswigPolsteinische Frage selbst in das Abge-
ordnetenhaus einzuführen. Die Regierung muß sich also wohl
endlich des parlamentarischen Beistandes in dieser Angelegenheit
bedürftig fühlen. Damit wäre denn wenigstens ein kleiner
Schritt im Wege der Erkenntniß gemacht, dem andere und
größere, unter wirksamer Bcihülfe der Ereignisse, hoffentlich
bald nachfolgen werden. Uebrigens fehlt es auch nicht an
anderweitigen Anzeichen, daß die Berliner Cabinetspolitik in
eine Art Krisis eingetretcn, die demnächst vielleicht zum über-
raschenden Durchbruch kommen wird.
Frankreich. In seiner Antwort ans die Adresse des gesetzgebenden
Körpers, ist der Kaiser Napoleon den politischen Wünschen und Forderungen
der liberalen Opposition mit einer Entschiedenheit entgegengetreten, welche
jede Aussicht auf eine Aenderung des bisherigen Regierungssystems aus-
schließt. Der Bonapartismus hat in der Thal, eben so wie der Jesui-
tismus, nur die Wahl, entweder zu bleiben wie er ist, oder ganz auf-
zuhören. — Herr Thiers hat mit seiner großen Rede, über die aus-
wärtige Politik Frankreichs, in der Presse so wenig Glück gemacht, wie
bei der Mehrheit des gesetzgebenden Körpers. Nur die ultramontanen Blätter
sind mit dem ehemaligen Schildträger der Julimonarchie diesmal zu-
frieden, und preisen höchlich seine rednerischen Verdienste um das welt-
liche Papstthum und den nationalen Charakter des französischen Katho-
licismus. Damit ist denn freilich nicht gesagt, daß diejenigen, welche diesen
Ansichten des Herrn Thiers nicht öffentlich zustimmen, seine italienische
Politik mißbilligen, und noch viel weniger, daß seine Theorie von der
Nothwendigkeit der Zerstückelung und Ohnmacht Deutschlands, nicht in
Frankreich äußerst populär sei. Gleichwohl läßt sich nicht verkennen, daß
die Politik des Herrn ThierS, nach manchen Seiten hin, einen veralteten
Anstrich hat, und daß die heutige Zeit, ungeachtet des Bonapartismus,
über den Staatsmann, der so lange an der Spitze der Jnliregierung
stand, einigermaßen hinausgewachsen ist. Ein tröstliches Zeichen, daß die