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Wvchen-Blatt

des



G

Hrrausgegebcn im Äustrage des Vereins-Ausschusses.

1865.

Frankfurt a. M., den 18. Mai.

Inhalt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbriefe. — Preußisch oder deutsch.
— Briefe aus Nassau. I. — Die Inquisition. IV. — Aus Hannover. —
Politische Literatur. — Mittheilungen aus dem Nationalverein. —Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 16. Mai 1865.
* Der wirre Knäuel, zu welchem die von Haus aus sehr
einfache schleswig'holsteinifche Frage durch Bismarck'schcn Ueber-
muth, in Verbindung mit diplomatischen Ränken und Schlichen,
zusammengcballt war, beginnt sich allgemach zu lockern und
zu lösen. Beseitigt und anfgegeben ist vor allen Dingen der
Annexionsgedauke; beseitigt dnrch die thatsächliche Unmöglich-
keit seiner Verwirklichung unter den, dnrch die Berliner Cabinets-
politik geschaffenen, Umständen, aufgegeben nnter dem schäbigen
Vorwande des Kostenpunkts. Nicht minder hat man darauf
verzichtet, über die Herzogthümer lediglich uach den Gcsichts-
puncten und durch die Mittel der Diplomatie eigenmächtig
zu verfügen, und ihnen höchstens das Recht des Jasageus
einzuräumen; die Einberufung der schleswig-holsteinischen Stände
ist nicht bloß als ein Unvermeidliches zugestanven, sondern sie
wird anch von beiden Großmächten mit einem gewissen Wett-
eifer betrieben, mit dessen Hülfe man, in Wien sowohl, wie in
Berlin, sogar den „conservativeu" Widerwillen gegen das
„revolutionäre" und „demokratische" Wahlgesetz von 1848
bereits überwunden zu haben scheint. Fallen lassen hat man
ferner, nächst den fabelhaften Erbansprüchcn des Hauses Bran-
denburg, auch die aussichtslose Kandidatur des Großherzogs
von Oldenburg und den so zu sagen principiellen Widerspruch
gegen die Einsetzung des, von alten Rechtes wegen, durch die
Ereignisse und durch die Volksstimme, zur Negierung in
Schleswig-Holstein berufenen Herzogs Friedrich. Manche dieser
Zugeständnisse an die Nothwendigkeit, find freilich nur still-
schweigend gemacht worden; aber Haltung und Ton des
preußischen Ministeriums und seiner Presse machen es gleich-
wohl unzweifelhaft, daß die schleswig holsteinische Politik des
Herrn v. Bismarck sich der Hauptsache nach in das unab-
wendbare Geschick ergeben hat, daß sie drauf und dran ist,
das Gewehr zu strecken, und nur noch um die Capitulatious-
bedingungen marktet.
Die preußische Stellung in den Herzogtümern hat sich
feit Jahr und Tag augenscheinlich verschlechtert, und wenn
Preußen auch noch nicht in Gefahr ist, alle Früchte des dänischen
Krieges zu verlieren, so wird doch feine Erndte unter den
jetzigen Umständen vermutlich viel magerer ausfallcn, als sie
unlängst zu werden versprach. Der Besitz des Kieler Hafens,
das Besatzungsrccht in der „Bundesfestung" Rendsburg, der
Bau des Nord-Ostseekanals und der Eintritt der Herzogthümer
in den Zollverein, ist Preußen von Seilen Oesttrreichs anch
jetzt noch in Aussicht gestellt; alles Weitere aber, namentlich

auch die Erwerbung von Lauenburg, welche früher so gut
wie zugestanden war, wird, ohne unverhältnißmäßige Gegen-
leistungen an Oesterreich kaum mehr zu erlangen sein, da
Preußen den freien guten Willen der Herzogthümer selbst voll-
ständig verwirkt, und zugleich den Widerstand gegen die über-
greifenden Forderungen des Herrn von Bismarck zu einem
Ehrenpuncte für die habsburg'sche Politik gemacht hat. Mit
dem sichern Rückhalt an Oesterreich werden die schleswig-hol-
steinischen Stände, von der Stunde ihrer Eröffnung an, Master
der Situation. Daß der Landtag mit der Anerkennung des
Herzogs Friedrich beginnen und daß fein Votum schwerer ins
Gewicht fallen wird, als ein auf lehenrechtliche Unterscheidungen
gestütztes Gutachten der Berliner Kronjnristen, kann man als
ausgemacht annehmen. Die verächtliche Drohung der Bismarck-
schen Presse, daß die Proklamirung des Herzogs Friedrich die
Wiederauslieferung der Herzogthümer an Dänemarck zur Folge
haben würde, kennzeichnet zwar ihre Urheber, wird aber an
dem durch die ganze Lage vorgezeichnelen Gange der Dinge
nichts ändern. Soll der preußischen Politik die Demüthigung
erspart werden, daß ihr der schleswig holsteinische Landtag die
unausbleiblich gewordeue Entscheidung vorwegnimmt, und
ihre Zustimmung zu feiueu Beschlüssen im Angesichte der
Welt erzwingt, so ist es die höchste Zeit, in Berlin wenigstens
der Form nach die Initiative zu der eiuzig möglichen Lösung
der schleswig-holsteinischen Frage zu ergreifen.
In die Hand des preußischen Abgeordnetenhauses scheint
es gegeben zu feiu, der Regierung zum rascheru Entschlüsse in
diesem Sinne zu verhelfen. Die ministriellen Vorlagen wegen
der Flotte sowohl, wie wegen der Kosten des dänischen Krieges,
bieten dem Abgeordnetenhause willkommene Handhaben zum
Eingreifen in die schleswig-holsteinische Politik des Herrn von
Bismarck. Im Namen dieser Politik enthalten jene beiden Vor-
lagen unverkennbar eine verschämte Werbung um den Beistand
der Volksvertretung, deren Gunst oder Ungunst mau soust mit
souveränem Uebermulhe, als die gleichgültigste Sache von der
Welt, zu behandeln Pflegt. Vom Abgeordnetenhaus!: im Stiche
gelassen oder gar verleugnet zu werden, ist in der Thal das
Aeußerste und Letzte, was den ehrgeizigen Plänen widerfahren
kann, die man im Berliner Cabinette, auch nach dem Aufgebcu
des Anuexionsgedankcns, in Betreff der Herzogthümer noch
hegen mag. Das Abgeordnetenhaus kann und wird nun freilich
nicht die dauernden Interessen des preußischen Staats der
Feindschaft gegen das Bismarck'sche Regiment aufopfern, auf
der andern Seite jedoch noch viel weniger seinen Grundsätzen
und seiner Vergangenheit untreu werden, um der Negierung
aus der Verlegenheit zu helfen, oder doch mit dem Minister-
präsidenten gegen Oesterreich Front zu machen und ins Horn
zu stoßen, damit für die schleswig holsteinische Politik desselben
wo möglich weitere Zeit und neue Gelegenheit gewonnen werde.
Eine Jnconscquenz dieser Art ist um so weniger zu befürchten,
als daduich für den preußischen Staat nichts mehr zu ge-
winnen sein würde. Ob das Abgeordnetenhaus sich auf die
 
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