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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1865 (Nr. 1-39)

DOI Kapitel:
No. 31 - No. 35 (2. November 1865 - 30. November 1865)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44609#0247
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des




Herausgegebrn im Auftrage Les Vcreins-Äusschusses.

31.

Frankfurt a. M., den 2. November.

1865.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Sechste Generalversammlung des
deutschen Nationalvereins in Frankfurt a. M. den 29. October 1865-
— Aus Bayern. — Mittheilungen auö dem Natioualvcrein. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 31. Octobcr.
* Niemals hat die Generalversammlung des National-
vereins unter schwierigeren Umständen stattgefunden, als die-
ses Mal und selten ist sic glücklicher verlaufen und befriedi-
gender ausgegangen. Es ist jetzt festgcstellt und dargethan, daß
der drohende Riß, welcher angeblich durch die geographische
Mitte, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, des National-
vereins hindurchgehen soll, in der That nicht vorhanden ist
und daß der Natioualvcrein, inmitten zwischen aufreizenden
und entmuthigenden Umständen, sich ein kaltblütiges Urthcil
und ein srisches Herz zu bewahren gewußt hat. Daß Mei-
nungsverschiedenheiten innerhalb des Nationalvcreins vorhan-
den sind, mußte dies Mal allerdings schärfer als ge-
wöhnlich hervortreten; zugleich aber stellte sich jener Durch-
schnitt der Ansichten um so deutlicher und fester heraus, wel-
cher den eigentlichen Partcicharakter bestimmt, und in welchem
die nach verschiedenen Seiten hin abweichenden Geister ihren
gemeinschaftlichen Berührungspunkt finden. Wenn jene Ab-
weichungen in mehr oder weniger starken Anträgen zu Tage
traten, so geschah damit nur, was jede ehrliche Ueberzeugnng
sich selber schuldig ist; wir möchten aber gleichwohl zweifeln,
ob mit den fraglichen Anträgen immer auch der erustlichc Wunsch,
dieselben durchzusctzen, verbunden gewesen sei — mit andern
Worten, wir möchten zweifeln, daß die Urheber mancher der
eingebrachten Anträge die Annahme derselben um den Preis
des alsdann unausbleiblichen Zerfalls des Nationalvereins
hätten erkaufen mögen.
Genug, der Nationalverein ist den inneren und äußeren
Schwierigkeiten feiner gegenwärtigen Lage mit der Taktik einer
gut geschulten Partei entgegcngetreten und aus den Gefahren
des Augenblickes nicht allein unversehrt, sondern auch sicht-
lich gekräftigt hervorgegangen. In seinen Freunden hat er den
Glauben an sich selbst und in seinen Widersachern ohne Zwei-
fel die Ucberzeugung gestärkt, daß sic es mit einem Gegner
zu thun haben, der sich weder einschüchtern läßt, noch Blößen
giebt. Den weiteren Kämpfen gegen die Machthaber des Ta-
ges, die uns allem Anscheine nach bevorstehen, dürfen wir
nach der vorgestrigen Versammlung mit gesteigertem Selbst-
vertrauen und mit dem Wahlspruch entgegengeheu: steit ge-
wonnen, Alles gewonnen.

Aus Preußen, 28. Octobcr. Wenn nicht alle Zeichen
trügen, so hat bei dem Könige, der ja nach Bismarcks
Versicherung die auswärtige Politik „bestehlt", die in dem
General Manteuffel personisizirte Richtung, welchem die
Allianz mit Oesterreich, den rcactiouären preußischen Tradi-
tionen gemäß, Prinzip und Hcrzensbedürfniß ist, den Sieg
über die „geniale" Politik Bismarcks davon getragen, wel-
cher die Allianzen lediglich als Nützlichkeitsfragen, als Schach-
züge der Diplomatie behandelt und sie gegebenen Falls über
Nacht wechselt, — ganz wie es die „Staatskunst" des vo-
rigen Jahrhunderts lehrt. Die Gegnerschaft der Generale v.
Manreuffcl und v. Roon mag hauptsächlich auf den
Competenz- und Subordiuations-Conflicten zwischen dem Chef
des Militär-Cabinets und dem Kriegsminister beruhen. Als
der General Roon sich als neu ernannter Kriegsminister
beim Könige „melden" wollte, mußte er eine Stunde lang
antichambriren; dann trat der General Manteuffel aus
dem Arbeitszimmer des Königs, um ihm dienstlich zu eröff-
nen, daß die Majestät jetzt keine Zeit habe ihn zu empfangen,
ihm aber das und das befehlen lasse. Das soll ihm der hoch-
fahrende General Noon nicht vergessen haben; aber tiefer
und prinzipieller ist offenbar der Gegensatz zwischen Man-
teuffel und Bismarck. Die Organe des ersteren, die Kreuz-
zeitung und die Berliner Revue, verhalten sich entschieden ab-
wehrend gegen die angebliche Intimität Bismarcks mit
Napoleon und gegen die Anerkennung des revolutionären
„Räuberstaates" Italien. Nach der neuen französischen Note
vom 9. October, in welcher Napoleon ganz und gar den
Standpunkt der ersten, den Gasteiner Vertrag und das ganze
Verhalten der deutschen Großmächte gegen die Herzogthümer
so vernichtend kritisirensten Note seines Ministers der aus-
wärtigen Angelegenheiten billigen soll, ist wohl nicht daran
zu zweifeln, daß Bismarck keine Verständigung über diese
Frage mit ihm zu Stande gebracht hat. Und das Anklopfen
bei der italienischen Regierung in Florenz zur Zeit der höch-
sten Spannung mit Oesterreich, vor dem Abschluß der Ga-
steiner Convention, welches italienische Zeitungen als eine
notorische Thatsache berichteten, wird nun gar von dem Leib-
organ des Grafen Bismarck als ein „Verrath an Oester-
reich" gänzlich abgeläugnet l Nach Allem, was man sieht und
hört, kann man freilich unmöglich glauben, daß der König,
aller „Genialität" abhold, wie nur je sein Vater, sich so weit
von den seit 50 Jahren befahrnen Geleisen der hergebrachten
preußischen Politik hätte entfernen lassen. —
Deutschland geht vielleicht einer schweren Rcaktionsperiode
entgegen, und in Gastein sind wohl gar schon die Grundzüge
derselben verabredet. Die drohenden Noten an den Frankfur-
ter Senat, — neue Carlsbader Beschlüsse, — Restauration
der ganzen „Aera Metternich", — das sind in der That
Glieder einer Jdeenassoziation, zu welcher man im Augenblicke
durch viele Erwägungen und Thatsachen hingedrängt wird.
Und ob die von Oesterreich gewiß gewünschte Wiedereinkehr Preu-
 
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