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des



Asti - nsl


Herausgegebcil im Äustrage Les Vercins-Änsschusses

24.

1865

Frankfurt a. M., den 14. September.

Inhalt:
Wochenbericht. — Preußischer Brief. — Der dritte deutsche Vrbeitertag
in Stuttgart. — Die Kreiswahlen in Baden. — Ein vorbchalteues Wort.
— Eine Kundgebung des Geistes der Büreaukratie. — Mittheilungen
aus dem Nationalvercin. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 12. September.
* Die Gasteincr Ucbcreinkunft steht auch heute noch im
Vordergründe des öffentlichen Interesses, Deutschlands nicht
nur, sondern auch Englands, Frankreichs und anderer Nach-
barländer, und hier wie dort hat die Empörung über die
brutale Eigenmächtigkeit, die sich darin breit macht, immer
noch keine kaltblütige Auffassung ihres Inhalts und ihrer
Bedeutung aufkommen lassen. Dieser Inhalt und diese Bedeu-
tung werden vielmehr, unserer Meinung nach, durchweg weit
überschätzt. Wir können in dem Abkommen vom 4. Sept,
nichts Anderes erkennen, als einen kümmerlichen Nothbchelf,
mittelst dessen die Schwierigkeiten und Gefahren des Augen-
blicks vertagt worden sind. Der Bismarck'sche Uebcrmuth und
die österreichische Schwäche hatten eine für beide Theile uner-
trägliche Lage der Dinge geschaffen, deren Ausgangspunkt,
wenn sich nicht irgend eine Hinterthür finden ließ, ein offener
Bruch sein mußte, der unfehlbar zum beiderseitigen Verderben
ausgefchlagen fein würde. Und wie für Händelsüchtige der
Vorwand zum Streit, so ist für Friedensbcdürftige das Mittel
zur Schcinversöhuung immer zur Hand. Das Gasteiner llcber-
einkommcn ist nicht sowohl ein Vergleich zwischen den beiden
Unterzeichnern, als eine Abfindung, die sic, jeder für sich,
zwischen den Forderungen der wohl oder übel verstandenen
politischen Ehre und den Geboten der politischen Vernunft
getroffen — ein Aufschub, den jeder von ihnen sich selbst vor
dem letzten verhangnißvollen Entschlüsse gewährt.
Nichts ist grundloser, als die landläufige Behauptung,
daß Herr von Bismarck mit Abschluß des Gasteiner Vertrags
seine Sache in den Herzogtümern so gut wie gewonnen habe.
Preußen hat in Gastein kein einziges ncnnenswcrthes Zuge-
ständniß erlangt, das sich nicht in Betracht aller Umstände
von selbst verstanden hätte und deßhalb nicht längst still-
schweigend gemacht gewesen wäre. So namentlich die Erwer-
bung Laucnburgs und des Kieler Kriegshafens, welche Preußen
niemals von irgend einer Seite her, weder ernstlich noch auch
nur Scheins halber, streitig gemacht worden ist. Auf der
andern Seite hat Preußen nicht einmal die Vertreibung des
Herzogs Friedrich ans den Herzogtümern durchzusetzen ver-
mocht, auf welche Herr von Bismarck doch feit Jahr und
Tag erpicht war, wie ein Korse auf die Blutrache.
Alle Versuche, die Vorthcile und Zugeständnisse, welche
das Gasteiner Übereinkommen den beiden Bethciligtcn gewährt

oder gekostet hat, gegen einander abzuwägen, um durch das
Ergebuiß eiue Niederlage Oesterreichs oder Preußens zu
beweisen, geben ein sehr zweifelhaftes Resultat. Die auf solche
Untersuchungen Verwenders Mühe scheint uns besonders des-
halb rein verschwendet, weil der Gewinn und Verlust, um dessen
Ermittlung cs sich handelt, viel weniger von dem Buchstaben
der fraglichen Urkunde, als von der Art und Weise abhängt,
wie man denselben zu benutzen weiß. Wenn Preußen z. B.
den dcrmaligen Allcinbcsitz Schleswigs dazu verwendet, den
dänischen Umtrieben im Norden des Landes Vorschub zu leisten,
die bei Seite geworfenen Werkzeuge des weiland Kopenhagener
Regiments wieder in Dienst zu rufen und sich überhaupt mit
dem Volksgeist noch bitterer als bisher zu verfeinden, fo wird
es schließlich wenig Urfache haben, sich Glück dazu zu wün-
schen, daß ihm der Gasteiner Vertrag freie Hand in Schles-
wig gegeben. Kurz, dieser Vertrag legt den überwiegenden
Vorthcil in die Hände Dessen, der ihn am besten ausbeutet.
Hinter dem dadurch geschaffenen Provisorium aber steht die
Schlußentschcidung der schlcswig - holsteinischen Frage, welcher
durch das Übereinkommen vom 4. Sept, in keiner Weise
vorgcgriffen ist, und bei welcher Oesterreich, wenn es feine
anderweitigen Verhältnisse gestatten, ohne Zweifel aus einer
andern Tonart sprechen wird, als in Gastein.
So allgemein die Entrüstung über die frevelhafte An-
maßung, mit welcher Oesterreich und Preußen die Herzogthümcr
zum Gegenstände ihrer eigenmächtigen, wenn auch nur vorläu-
figen, Verfügung gemacht, fo schwach sind die bisherigen Ver-
suche des Widerstandes gegen diesen Gewaltstreich. Die Oppo-
sition erlahmt zusehends unter dem Drucke der Gewißheit, daß
alle ihre Anstrengungen vorerst erfolglos bleiben werden. Mit
dem Beispiele des lantcn Protestes aber ist die Mehrheit der
holsteinischen Landtagsmitglieder und sind die Bevollmächtigten
der schleswig holsteinischen Vereine vorangegaugen und im üb-
rigen Deutschland wartet man ohne Zweifel nur auf das vom
Abgeordnetentage abzngebendc Stichwort, um diesem Beispiel
zu folgen. Das Amt des Abgcordnetentages, darüber wird sich
Niemand täuschen, ist in diesem Fall ein viel schwereres und
weit weniger dankbares als vor zwei Jahren, wo es sich
darum handelte, Deutschland zum Kriege gegen Dänemark in
Bewegung zu setzen; politische Parteien und Körperschaften
aber wählen sich ihre Aufgaben nicht nach dem Maße der
Annehmlichkeit, welche die Behandlung derselben mit sich bringt,
sondern sie übernehmen dieselben nach dem Gebote der Pflicht.
Während das preußische Regiment in Schleswig-Holstein
die Feier des Geburtstags des Herzogs Friedrich mit allen
polizeilichen Gewaltmitteln zu hintertreiben suchte und sogar
als Hochvcrrath zu behandeln drohte, hat man den ohne allen
Zweifel in wirklich landcsverrätherifchem Sinne unternommenen
Zug der dänisch gesinnten Nordschleswigcr nach Kopenhagen
ohne jeden Anstand gewähren lassen. Man kann weit entfernt
sein, diese Duldung zu mißbilligen, und den Contrast derselben
mit dem Drcinfahren in jenem andern Falle gleichwohl skan-
 
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