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Herausgegebrn im Auftrage Les Vereins-Ausschußes

22.

Frankfurt a. M., den 31. August.

Inhalt:
Wochenbericht. — Preußischer Brief. — Die liberale Partei in Preußen.
— Zur deutschen Politik. I. — Die bayerischen Minister und die Fort-
schrittspartei. II. — Aus Franken. — Aus Bayern. — Mittheiluugen
aus dem Nationalverein. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 28. August.
Die meisten öffentlichen Stimmen sehen in dem Ab-
kommen vom 14. August überwiegend eine neue Niederlage
Oesterreichs, einen neuen Fortschritt des Herrn v. Bismarck
auf der Bahn feiner Annexionspolitik. Indessen betrachtet mau
das Aktenstück rein für sich und ohne gewisse Hintergedanken
hinein zu interprctireu, so erscheint es doch nur als ein Ver-
gleich, bei dem jeder von beiden Theilen Einiges nachgegeben
hat, die Entscheidung über die Hauptfrage aber nach wie vor
unberührt bleibt. Es ist wahr, Oesterreich hat einige werth-
volle Zugeständnisse gemacht, Zugeständnisse übrigens, welche
es theils bereits früher augeboten, theils im Ernste zu ver-
weigern keinen haltbaren Grund hatte; aber Das was Herr
v. Bismarck dem Wiener Kabinct zunächst und in erster Linie
abdringen wollte, ist ihm auch diesmal verweigert worden.
Mit der Räumung Holsteins hat er vielmehr gerade denjenigen
seiner Ansprüche fallen lassen, dessen Durchsetzung seit Mo-
naten das einzige und vornehmste Ziel seiner ganzen schles-
wig-holsteinischen Politik gewesen, den er bei Beginn der Gastei-
ner Verhandlungen an die Spitze aller übrigen stellte und um
dessentwillen er allen Ernstes Miene machte, es mit Oester-
reich zum offenen Bruche zu treibeu. Nicht minder, die Un-
würdigkeiten und Gewaltthaten, wodurch man die Schleswig-
Holsteiner mit Abscheu und Erbitterung gegen das preußische
Regiment zu erfüllen verstanden hat, welchen Sinn und Zweck
konnten sie haben, wo nicht den, die Ausweisung des Herzogs
Friedrich vorzubcrciten und zugleich die ihm zugethane Bevöl-
kerung Holsteins in stumme Ergebung hiueinzuängstigen? Das
Alles ist jetzt rein wie vergessen, Preußen geht und der Au-
gustenburger bleibt, und falls nicht Oesterreich insgeheim seinen
Sinn geändert, wird das „Augustenburgcrthum" in Holstein von
nun an goldene Tage und ruhige Nächte haben.
Auch vou seinen Februarforderungcn hat Preußen keine
einzige ganz und cndgiltig zugcstandcn erhalten. Was ihm in
Bezug auf Post uud Telegraph bewilligt worden, ist doch nur
eine sehr bescheidene Abschlagszahlung auf das ursprünglich
Geforderte; die Bestimmungen ferner hinsichtlich Kiels und
Rendsburgs räumen ihm nur einen ganzen oder halben Be-
sitzstand ein, während sie in Bezug auf das Defiuitivum
seinen Absichten immerhin einen, wenn auch nicht sehr starken
Riegel verschieben. Denn allerdings, der durchlauchtigste Deutsche
Bund wird dafür zu sorgen wissen, auch ohne gefällige Mit-
wirkung Preußens selber, daß der „Bundcshasen" und die

1865.

„deutsche Flotte" in alle Zukunft, oder wenigstens so lange
besagter Deutscher Buud besteht, lediglich eine „schöne Idee",
Preußen also ungestörter „Besitzer" bleibt; und das Wuth-
geschrci einiger süddeutscher Blätter über die heillose Zumuthung,
daß wir Andcru helfen sollen, Preußen seine freiheitsmörderische
Kriegsflotte zu bauen, ist daher ebenso überflüssig, als cs un-
säglich einfältig ist. Aber wie dem auch sei, förmlich und anf
dem Papier ist über das Eigeuthumsrccht am Kieler Hafen
nicht für, sondern gegen Preußen entschieden worden, nud nut
dieser Festsetzung, noch mehr aber mit der über Rendsburg,
hat das Wiener Kabinet immerhin einen neuen Haken erhal-
ten, an den cs sich sehr bequem anklammern kann — voraus-
gesetzt, daß cs überhaupt gesonnen ist, bei seinem Widerstand
gegen Preußens Ansprüche auch ferner zu beharren.
Aber freilich, ob Oesterreich fortan wirklich noch den
Willen und noch mehr, ob cs die Kraft dieses Widerstandes
haben wird, das ist es, was alle Welt heute stärker als je-
mals bezweifelt, und zwar, trotz alledem und alledem, gerade
auf Grund dieser neuesten Vereinbaruug. Wie wir finden, ist
cs namentlich der Verkauf Laucnburgs, welcher bei nicht We-
nigen diesen Eindruck hervorgebracht hat und ihnen das Ga-
steincr Abkommen als den Anfang vom Ende, als Vorspiel
und Vorbild des letzten Aktes erscheinen läßt. Oesterreich hat
sein Recht auf Lauenburg für Geld verhandelt, Oesterreich hat
noch weit mehr Geld und Geld vor Allem nöthig, über ein
Kleines, und es wird auch „seine" Hälfte von Schleswig-
Holstein losschlagen. Diese Schlußfolgerung mag in den Augen
des Börsenpublikums etwas Unwiderstehliches haben; wir be-
zweifeln dennoch stark, daß Oesterreich zu einem zweiten Han-
del der Art sich je so leicht herbeilaffen wird. Daß Lauen-
burg, diese nicht nur räumlich von den beiden Hcrzogthümern
geschiedene, sondern auch durch keinerlei innerliches Band mit
ihnen verbundene Provinz, demnächst an Preußen fallen würde,
war von Anfang an kaum zweifelhaft, ein ernstlicher Zank ist
darüber von beiden Mächten niemals geführt worden, und es
konnte sich nur darum handeln, eine Compensation für Oester-
reich ausfindig zu machen. Da man kein überflüssiges Land
zur Verfügung hatte, so blieb nur die baare Entschädigung
übrig. Mit Schleswig-Holstein steht die Sache anders, hier-
wahrt Oesterreich nicht bloß seinen Mitbesitz, sondern bestimmte,
bis jetzt mit äußerster Hartnäckigkeit festgehaltene Traditionen
und Interessen seiner deutschen Politik, die sich schlechterdings
nicht in klingende Münze umformen lassen. Unter Anderem
kämpft ja Oesterreich dort für das Bundesrecht — und um
welchem Preis köunte es dieses hingeben, welchen würde Preußen
wohl dafür bieten? Es ist ja gänzlich unbezahlbar.
Anders als vom Standpunkt der beiden Kabinete, den
wir bis jetzt ausschließlich im Auge hatten, stellt sich das
Geschäft mit Laucnburg natürlich vom Gesichtspunkt der Volks-
politik. Auch wer Preußen diese Erwerbung von Herzen gönnt,
sollte sich doch dagegen nicht verschließen, daß der ganze Handel
für das Schicklichkeits- und Nechtsgcfühl der heutigen Völker
 
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