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Wochen-Blatt
des



sLis Ust -DereiNs.

Herausgegcbrn im Auftrage des Vereins-Ausschusses.

Frankfurt a. M., den 20. Juli.

1865.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Aus Mecklenburg. III. — Volk
und Heer. — Das zweite deutsche Bundesschießen in Bremen. I. —
Den Todtenvögeln des NationalveceinS. — Aus Nassau. — Mitthei-
lungen aus dem Nationalverein. — Die Zusammensetzung des öster-
reichischen Heeres. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 18. Juli.
* Eiu europäischer Cougrcß zum Behufe der allgemeinen
Entwaffnung — das lautete gar zu verführerisch, nm nicht
im ersten Augenblicke manche gläubige Ohren zu finden. Aber
der Zusatz: und zum Zwecke der Revision der Verträge von
1815, mußte alsbald den Glauben, der da hoffte, was er
wünschte, an sich selber irre machen. Nach den schlimmen Er-
fahrungen, welche der französische Kaiser vor zwei Jahren mit
seinem Congrcßvorfcklage gemacht, ist die Erneuerung des da-
mals glänzend mißlungenen Versuchs von seiner Seite um so
weniger anzunchmen, als die Verhältnisse sich inzwischen noch
viel ungünstiger gestellt haben. Damals gab es wenigstens
eine schwebende Frage, welche im Namen des allgemeinen
europäischen Jntcresse's eine gemeinschaftliche diplomatische Ver-
handlung zuznlassen schien — die polnische; heute ist dieselbe
auf den polnischen Kirchhöfen, in den sibirischen Einöden und
im Elende der Verbannung so vollständig zur Ruhe gebracht,
daß auf lange Jahre hinaus kein Congreß der Welt sie wie-
der lebendig machen könnte. Allerdings fehlt cs nicht an an-
derweitigen europäischen Schwierigkeiten, aber keine derselben
ist ein Gegenstand der wirksamen diplomatischen Einmischung.
Was könnte damit zum Beispiel in Italien gewonnen werden,
wo der Streitpunkt zwischen einem mächtigen Staate, einer
leidenschaftlich erregten Nation und einem durch unverbrüch-
liche Regeln gebundenen Hohenpriester mitten inne liegt?
Zwischen Oesterreich, Italien und dem Papste gicbt es keine
Ausgleichung, sondern nur eine Entscheidung durch siegreiche
Gewalt. Ueberdies wird Napoleon III. sicherlich am wenigsten
geneigt sein, die übrigen Großmächte gerade in den italienischen
Handel hincinznzichen, den er bis jetzt so gut wie allein be-
herrscht.
Nächst der italienischen ist die schleswig-holsteinische Sache
ans der Tagesordnung. Nachdem sich indessen die europäische
Diplomatie erst im vorigen Sommer ans der Londoner Con-
fercnz die Finger an dieser Sache verbrannt, wird sie wohl
kaum Lust haben, sich schon wieder daran zu vergreifen, zumal
dieselbe für die außerdeutscheu Großmächte kein Gegenstand
von Wichtigkeit ist. Was andererseits Oesterreich und Preußen
betrifft, fo müßten sie doch wahrlich von Gott verlassen sein,
wenn sie sich die Entscheidung des schleswig holstein'schen Streit-
handels aus den Händen winden, oder auch nur in diese Ent-
scheidung dreinreden ließen; abgesehen natürlich von dem Falle,

daß es darüber zwischen ihnen zu einem gewaltsamen Bruche
kommen sollte, der denn freilich, trotz aller großen Worte des
Herrn v. Bismarck und alles Säbelgerassels seiner Trabanten,
bei dem gegenwärtigen Stande der preußischen und der deutschen
Angelegenheiten nicht geschehen wird, so lange die Berliner
Politik nicht den letzten Funken gefunden Menschenverstandes
von sich abgethan hat.
Daß das Bismarck'sche Regiment auf bestem Wege da-
hin ist, läßt sich allerdings nicht verkennen. Der innere und
der äußere Couflikt wird gleichmäßig und gleichzeitig der Spitze
zugetrieben. Man scheint keine Ahnung davon zu haben, was
es für die Staatsgewalt bedeutet, sich mit dem eigenen Volke
und zugleich mit einem mächtigen auswärtigen Gegner zu ver-
feinden, geschweige denn, daß man begriffe, daß Preußen viel
weniger als irgend ein anderer Staat einer solchen doppelten
Gefahr gewachsen ist. Jeder neue Gewaltstreich, den die preu-
ßische Negierung nach innen führt, stärkt die Nebenbuhlerschaft
Oesterreichs; jede Steigerung der Spannung zwischen Oester-
reich und Preußen kommt der preußischen Opposition zu gut
und bringt den Augenblick ihres Sieges näher. Der Erfolg
nach beiden Seiten hin, ist offenbar ein Ding der Unmöglich-
keit, eine doppelte Niederlage hingegen, beim Beharren in dein
zweifachen Kampfe fo gut wie gewiß. Aber freilich, das Mi-
nisterium Bismarck und das jetzige Negicrungssystem ist weder
durch Nachgiebigkeit gegen das preußische Volk uoch durch
Mäßigung gegen Oesterreich mehr zu retten, und so mag cs
ihm denn darum zu thuu sein, wenigstens mit einem Knall-
effekt von der Bühne zu verschwinden.
Die schleswig-holstcinsche Politik des Herrn v. Bismarck
dreht sich zur Zeit lediglich um die Forderung, daß der Herzog
Friedrich aus dem Lande vertrieben werde. Die Beseitigung
der sogenannten „Nebcnregierung" des Herzogs scheint für
Herrn v. Bismarck zn einer Art fixen Idee geworden zu sein,
welcher gegenüber Vcrnunftgründe gar nicht in Betracht kom-
men. Was, um des Himmels willen, würde für die preußische
Regierung damit gewonnen sein, wenn der Herzog seinen
Wohnsitz von Kiel nach Hamburg verlegte? Oder auch, wenn
man ihn auf den Schub nach Dölzig zurückbrächte? Die Hin-
dernisse der preußischen Absichten auf die Herzogthümer liegen
weder in den persönlichen Eigenschaften und Leistungen des
Herzogs, noch in seiner körperlichen Anwesenheit im Lande,
und eine gewaltsame Vertreibung desselben, weit entfernt, irgend
eine Schwierigkeit ans dem Wege zn räumen, würde den Wi-
derwillen und Widerstand des schleswigcholsteinschcn Volkes
gegen die Bismarckischen Znmuthnngen nur noch hartnäckiger
machen, als bisher. Der große Feind Preußens in den Her-
zogthümcrn ist Niemand anders, als Herr v. Bismarck selbst
und seine Negierung. Daß der preußische Minister die Schuld
von sich auf den ersten besten Dritten abladen möchte, läßt
sich allenfalls begreifen; wenn er aber mit leidenschaftlichen
Eifer eine Probe betreibt, durch welche seine Anklage unfehlbar
Lügen gestraft werden würde, so ist das denn doch sehr schwach-
 
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