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Herausgegeben im Auftrage des Vereius-Äilsschusses.

8. Frankfurt a. M., den 25. Mai.

Inhalt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbriese. — Briefe aus Nassau. II.
— Die schwedisch-norwegische Unionsreform und der Scandinavismus. —
Ein Wort über das Säbeltragen. — AuS Hannover. — Aus Franken.
— Mittheilungen aus dem Nationalverein. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Heidelberg, 22. Mai 1865.
* Wenn wir keine anderweitigen Beweise für die zuneh-
mende Bedrängniß der Berliner Cabinetspolitik hätten, so gäbe
die steigende Gereiztheit der Sprache ihrer Preßorgane immer
noch hinlängliches Zengniß davon. Die Erbitterung gegen
Oesterreich macht sich Luft iu den heftigsten Ausfällen gegen
den unschuldigen Bevollmächtigten des Herrn von Schmerling
in den Herzogtümern, und der Zorn über die Unwillfährigkeit
der Schleswig-Holsteiner ergießt sich in wuthschäumcnden
Drohungen der lächerlichsten Art. Kündigt man doch sogar dem
künftigen Landtage in voraus die Auklage aus Hochverrat!)
au, für deu Fall, daß er die Anerkennung des Herzogs Friedrich
ausfprechen sollte! Von Oesterreich mit seinen Forderungen
abgcwiefen, muß das Ministerium Bismarck au die Herzog-
tümer apelliren, vou denen es doch offenbar keinen günstigen
Spruch zu erwarten hat. Daß iu dieser mißlichen Lage nicht
bloß die Fassung, sondern auch ein Stück Verstand verloren
geht, ist ganz begreiflich. Wie wird es damit vollends werden,
wenn auch die letzte Instanz, deren Anrufung der preußischen
Regierung noch übrig bleibt, wenn auch das preußische Ab-
geordnetenhaus, wie kaum zweifelhaft, die schleswig-holsteinische
Politik des Herrn v. Bismarck verurtheilt! — Der vorge-
zeichnete Lauf der Dinge scheint dieses Regiment gerades Weges
zur Verzweiflung und zum Selbstmorde zu führen.
Inzwischen streitet man sich mir Oesterreich über Form-
fragen, die sich nach Lage der Sachen von selbst beantworten.
Welchen vernünftigen Sinn hat es zum Beispiel, weuu Preußen
das Recht beansprucht, einseitige Vorlagen an den schleswig-
holsteinischen Landtag zu bringen? Ein preußischer Antrag,
welchem Oesterreich seine Genehmigung versagt, wird auch durch
die Zustimmung des Landtags um kein Haarbreit gefördert,
so lauge die beiden Großstaateu zu gleichen Theilen Inhaber
der Sonveränctät iu deu Herzogthümcrn sind. Noch weniger
zu rechtfertigen ist es, wenn man vou preußischer Seite, wcgeu
der Form, iu welcher die Stände der Herzogthümer zusammen-
treten sollen, neue Schwierigkeiten aus der Luft greift. Die
Einberufung der fchleswigifchen Stände von 1854, ohne voll-
ständige Neuwahlen, wäre sogar ein wahrer Frevel an der
Sache der Herzogthümer, denn man würde damit einer ganz
unverhältnißmäßigcn Zahl von Dänen den Zutritt in den
schleswigischcn Landtag öffnen, und damit den Ausdruck der
wahren Volksgcsinnuug und der ganzen jetzigen Lage zum

1865.

handgreiflichen Nachtheil der Herzogthümer und Deutschlands
geradezu verfälschen*).
Die Jubiläumsfeier der Einverleibung der Rheinprovinz
in den preußischen Staat ist ausgefallen, wie sie konnte, das
heißt so, daß sie im allseitigen Interesse der Betheiligten viel
besser unterblieben wäre. Das Schlimmste davon war jeden
Falls das traurige Schauspiel, welches durch dieses angebliche
Fest dem Auslände geboten worden ist, insbesondere demjenigen
Auslande, welches ein gewisses Interesse und den besten Willen
hat, die Ursachen der frostigen Stimmung der Bevölkerung
des Nheinlandcs mißzuverstehen.
Der badische Landtag ist, wie zu erwarten stand, der
kirchlichen Bewegung gegen das Schulgesetz in beiden Kammern
mit der größten Entschiedenheit entgegengetreten. Die Spitze
dieser Bewegung hatte sich ohnehin bereits abgestumpft und
man kann dieselbe, insofern sie darauf berechnet war, von den
Massen getragen zu werden, füglich als abgethan betrachten.
Bei der Geistlichkeit dagegen wird der Widerstand gegen das
Schulgesetz, wenn auch mit vorherrschend Passivem Charakter,
ohne Zweifel fortdauern, so daß namentlich die Ortsschulräthe
sich bis auf Weiteres ohue Pfarrer werden behelfen müssen
— ein Uebelftand der sicherlich nicht groß genug ist, um die
Regierung, wie mau hie und da gefürchtet, zu Zugeständnissen
an den uttramontanen Trotz zu verleiten, die bei der Kirche
keinen Dank, und im Lande, laut Zeugniß seiner Vertreter,
die entschiedenste Mißbilligung finden würden.
In Hannover hat der Landtag einen weniger günstigen
Ausgang genommen. Zwischen den beiden Kammern trat der
Gegensatz des bürgerlichen und des Adelsgeistes so grell her-
vor, daß in den dringendsten Neformfragen keine Verständigung
zu Stande gebracht werden konnte, und der Regierung gegen-
über war das wichtigste Ergebniß der diesjährigen Session
die Zerstörung der letzten Selbsttäuschungen über das Wollen
und Können des Ministeriums Windthorst.
Die Lrauuschweigische Ständeversammlung hat den Wieder-
aufbau des abgebrannten herzoglichen Schlosses beinahe ein-
stimmig gutgeheißen, woraus denn zu schließen ist, daß mail
dort Landes sehr viel überflüssiges Geld haben muß, für
*) Die letzten, unter dem heftigsten dänischen Druck und Zwang
vorgenommenen Wahlen hatten etwa 20 Dänen und 23 oder 24 Deutsche
in den schleswigscheu Landtag gebracht. Ein Gewaltstreich des Laudtags-
kommissärs gab der kleinen deutschen Majorität Anlaß oder Vorwand,
in Masse aus der Ständeversammlung auszutreten und dieselbe dadurch
beschlußunfähig zu machen — ein Schritt der bedenklichsten, oder viel-
mehr verwerflichsten Art, der unter dem Schein eines Bravourstücks
eine höchst beklagenswertste Schwäche verrieth. Die dänische Regierung
hat die ihr damit gebotene Gelegenheit, sich endlich eine willfährige
Mehrheit im Landtage zu verschaffen, glücklicher Weise unbenutzt gelassen.
Wenn nun aber heute der alte schleswigsche Landtag einberufen würde,
unter bloßer Anordnung von Nachwahlen für die ausgetretenen Mit-
glieder der Majorität, so müßte man annehmen, daß es den deutschen
Großstaaten darum zu ihun sei, das Versäumnis) der dänischen Regie-
rung nachträglich zu Gunsten derselben, so weit die veränderten Um-
stände es irgend gestatten, wieder gut zu machen.
 
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