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Wochen-Blatt

des


Mstistt a l -D e rsiN s.

Herausgegeben im Äustragr des Uereins-Äusschusses.

17.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Der Bankerott der Annexionspolitik.
— Historisches Recht und Legitimität. — Ein unmaßgeblicher Vorschlag.
— Staatspolitik und Gemeindeämter. — Die jetzige deutsche Burschen-
-schäft. — Politische Literatur (die Aussaugung der Herzogtümer Schleswig-
Holstein). — Mitteilungen aus dem Nationalverein. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 25. Juli.
* Die Politik des Herrn von Bismarck gebärdet sich wie
vin böser Kettenhund. Wüthendes Gebell in den Zeitungen,
Zähnenfletschen in diplomatischen Noten, wilde Sprünge gegen
Wien und Frankfurt, funkelnde Blicke gegen Herrn v. Halb-
huber und den Augustenburger — wenn die Kette reißt, so
gibt cs ein Unglück. Oesterreich sieht diesem Toben mit einer
Kaltblütigkeit zu, die etwas Jmpouirendes hat. Spricht aus
dieser Ruhe das Bewußtsein der Uebcrlegcnhcit, oder der Glaube,
daß der Hund, welcher bellt, uicht beißt? Das Sprüchwort
hält dies Mal, sürckten wir, nicht Stich. Kann Herr von
Bismarck, wie er will, so ist er, unserer Meinung nach, in
seiner jetzigen verzweifelten Lage (Vgl. unten den Artikel:
Bankerott der Annexionspolitik) des Aeußersten fähig. Der
preußische Ministerrath, welcher vor wenigen Tagen in Re-
gensburg stattgesunden, läßt, dem Orte und den Umständen
nach, wo und unter denen er abgehalten worden, auf außer-
ordentliche Vorgänge schließen, welche diese Zusammenkunft
veranlaßt haben, oder in derselben vorbereitet sind. Das letzte
Wort indessen ist in Regensburg jeden Falls nicht gesprochen,
und wird wahrscheinlich auch bei der bevorstehenden Unter-
redung mit dem Kaiser von Oesterreich von dem Könige von
Preußen noch nicht gesprochen werden; von einem Entschlüsse,
wie derjenige, zu welchem Herr vou Bismarck drängt, besinnt
mau sich wenigstens drei Mal.
Herr von Beust und Herr v. d. Pfordten habcu wieder
einmal, iu Sachcu Schleswig-Holstcius uud Deutschlands, eine
Confercnz mit einander gehalten, und allem Anschein nach ist
wieder einmal nichts dabei herausgekommcn. Wie würde es
erst gegangen sein, wenn auch Herr von Varnbüler und Graf
Platcn dabei gewesen wären! Es kann nicht oft genug wieder-
holt werden, daß in allen Machtfragcn das Gewicht der Mit-
telstädten, ob einzeln oder znsammengcnommen, gleich Null ist,
so lange sie nicht ihren Schwerpunkt im engsten Anschlüsse
an einen Großstaat finden. Bei einem Bruch zwischen Oester-
reich und Preußen würden deshalb auch die Mittelstädten
unzweifelhaft mit Feuereifer Partei crgrcifeu, wäre es auch
nur, um-sich selbst den Beweis zu liefern, daß sie wenigstens
als Anhängsel noch etwas bedeuten.
Das Kölner Abgeordnetcnfest hat dem Berliner Regie-
rungssystem Gelegenheit gegeben, sich in seiner ganzen Wahr-
heit und seinem vollen Glanze zu offenbaren. Dreistes Verbot
der Ausübung eines in der Verfassung ausdrücklich gewähr-

1865.

leisteten bürgerlichen Rechtes, des Rechts der Versammlung
in geschloffenen Räumen, Haussuchungen ohne allen vernünf-
tigen Anlaß, ja ohne jeden anständigen Vorwand, Aufgebot
von schwerer Kavallerie und Infanterie um eine Tafelgesell--
schaft zu sprengen — kurz, offne Rechtsverachtung, Polizei-
chicane und brutale Gewalt, im innigsten Bunde, haben die
beabsichtigte Verfassungsfeier in eine Orgie des Absolutismus
umgewandelt. Graf Eulenburg freilich, der Minister des Innern
unter dessen Verantwortlichkeit das Alles geschehen, ist, wie
er unlängst im Abgeordnctenhause erklärte, ein abgesagter Feind
der „Polizciwirthschaft", und Graf Eulenburg wäscht seine
Hände in Unschuld, denn die Lokalbehörden haben gehandelt
ohne ihn zn fragen und er hat lediglich geschehen lassen, ver-
mutlich mit blutendem Ministerherzen, was nun einmal von
der Provinzialregierung angeorduet und nicht mehr rückgängig
zu machen war. Nm aber das Maß der Roheit nnd der Er-
bärmlichkeit voll zu machen, begleitet die ministerielle Presse
die Kölner Vorgänge mit gassenjungenhaftem Hohngeschrei,
überschüttet sie die der Gewalt weichenden Wirthe und Gäste
mit schlechten Späßen und groben Schimpfworten, weil sie
das gestörte Fest nicht in einen Aufstand verwandelt, sich nicht
auf einen Kampf mit Stuhlbeinen und Weinflaschen, gegen
Säbel, Bajonette und Spitzkugeln eingelassen haben. Wenn
man von den Schreibkucchten auf die diktirenden Herren schließen
muß, so ist der preußische Staat in den Händen des verwor-
fensten Gesindels, das jemals am Pranger der Geschichte ge-
standen hat. Nun, der Tag der Abrechnung wird nicht aus-
bleiben, wenn er auch nicht auf das im Kalender der Kreuz-
zeitung und ihrer Bande roth angestrichenen Datum fällt.
Eine vorläufige, fast scherzhaft klingende und doch bedeut-
same Mahnung der vergeltenden Gerechtigkeit liegt darin, daß
die aus Köln vertriebenen Festgenossen ihre Zuflucht auf
nassauisches Gebiet genommen haben. Die Werren und Schepp
und Genossen, als Schutzherrn des Versammlungsrechtes und
der Redefreiheit der Preußen, haben alle Ursache dem Schicksale
zu danken, das ihnen diese Rolle, so fremdartig sie sich ans-
nimmt, gerade in dem jetzigen Augenblicke zugewiescn hat, und
an schadenfroher Ausbeutung derselben wird man cs in Bibe-
rich und Wiesbaden nicht fehlen lassen.
Um dem gesunden Menschenverstände sein nothdürftiges
Recht angedeihen zu lassen, wäre vor allen Dingen eine Ant-
wort auf die Frage nöthig: was, um des Himmelswillen, hat
man durch den kostspieligen Kölner Gewaltstrcich gewonnen,
oder was hat man sich dadurch erspart? Eine solche Antwort
aber wird die ganze Rabulisterei des Bismarckschcn Regimentes
niemals zu Stande bringen.
Nachschrift. Wir bitten die Herren Schepp und Werren
um Verzeihung dafür, daß wir ihre Slaatsknnst zu hoch taxirt.
Die Festvcrsammlung der preußischen Abgeordneten ist in Lahn-
stein wie in Köln durch die „bewaffnete Macht" gesprengt.
Daß den nassauischen Ministern diese collegalische That von
ihren Amtsgenossen in Berlin zu ihrem vollen Werthe ange-

Frankfurt a. M., den 27. Juli.
 
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