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Wochen-Blatt
des




E

Hcrausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.

26.

Frankfurt a. M., den 28. September. 1865.

Inhalt:
Wochenbericht. -- AuS Preußen. — An den Herausgeber — Nord-
schleswig und die Kölnische Zeitung. — Adolf Seeger. — Die Frei-
gebung der ärztlichen Praxis. — Militärische Refocmbestrebuiigen in der
Schweiz. — Mittheilungen aus dem Nationalverein. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 26. September.
* Das Wort, welches Frankreich und England über die
Gasteiner Uebereinkunft gesprochen haben, thut seine Wirkung.
Nach mehreren Tagen des patzigen Ableugnens der Acchtheit
des französischen Rundschreibens, steht die Bismarck'sche Presse
heute da wie ein gcohrfeigtcr Schuljunge. Selbst die Kreuz-
zeitung ringt vergeblich nach einer leichtfertigen Miene und
einer frivolen Redensart. Es war ja nicht so schlimm gemeint
und es ist ja nichts geschehen, was sich nicht wieder gut
machen, nichts versäumt, was sich nicht nachholen ließe —
das ist der eigentliche Sinn alles Dessen, was die ministerielle
Presse durch Wort und Gebärde vorzubringcn weiß. Vor der
aufgehobenen Ruthe wird Besserung gelobt mit Herz und
Hand und Mund.
Die Nationalpartei hat keine Ursache, über dieses kläg-
liche Schauspiel zu frohlocken, aber eben so wenig Anlaß, die
Augen davon abznwenden. Die öffentliche Anklageakte des fran-
zösischen und des englischen Ministers gegen die schleswig-
holsteinische Politik des Herrn v. Bismarck enthält, der Haupt-
sache nach, nichts, was nicht der tausend Mal wiederholte
Ausdruck der öffentlichen Meinung Deutschlands wäre, und
die Nation kann und wird sich an ihren eigenen Ucbcr-
zcugungcn nicht dadurch irre machen lassen, daß das Ausland
damit übereinstimmt. Wenn cs eine Schmach ist, daß die Ber-
liner Machthaber den Drohungen des Auslandes mit dienst-
beflissener Bereitwilligkeit zngcstehcn, was sie den Forderungen
der deutschen Nation übcrmüthig verweigert haben, so kann
sich die Nationalpartci doch nicht veranlaßt sehen, sich von
diesen ihren Forderungen loszusagcn, oder auch nur dieselben
mit weniger Nachdruck zu betreiben. Es ist unsere Sacke, den
Schleswig Holsteinern zur Anerkennung ihres Sclbstbestim-
mungsrechtes, innerhalb der durch die großen Interessen Deutsch-
lands gezogenen Gränzcn, zu verhelfen. Erfolgt diese Aner-
kennung jetzt, unter dem Drncke französisch englischen Einflusses,
so empfindet die Nationalpartei diese Dcmülhignng und dieses
Unglück ohne Zweifel tiefer, als das Berliner Junkerregiment,
dessen Politisches Ehrgefühl, nach allen bisherigen Erfahrungen,
wenigstens mit sieben Ochsenhäuteu gepanzert fein muß. Die
Verantwortlichkeit für die Schande der Einmischung des Aus-
landes aber trifft einzig und allein jenes beispiellose Regiment,
welches seinen Stolz darein sctzl, dem Willen und dem Rechte
des Volkes Hohn zu sprechen, und das sich dem Auslände

gegenüber, durch aberwitzige Verfeindung mit dem National-
geist, in einen Zustand verächtlicher Ohnmacht versetzt.
Der Corporalston der Ansprache, mit welcher der Ge-
neral Manteuffel sich als preußischer Statthalter in Schles-
wig angekündigt, scheint sogar das Ohr seiner eignen Gönner
und Freunde unangenehm berührt zu haben. Neben der Pro-
klamation des Generals Gablcnz tritt in der That die Roh-
heit der Mantenffel'scken Redeweise so grell hervor, daß sich
wohl selbst dem preußischen Jüukcrthum eine gewisse Ahnung
davon aufgcdräugt haben wird, daß Herr v. Manteuffel sich
so schlecht wie möglich iu sein neues Amt eiugeführt hat. Da
es nun inzwischen vollends zur handgreiflichen Gewißheit ge-
worden, daß der gute Wille der Bevölkerung doch schließlich
sehr schwer und wahrscheinlich entscheidend in's Gewicht fallen
wird, so mag dem preußischen Landvogt in Schleswig wohl
die Weisung zugcgangcn sein, den aufgepflanztcn Hut den
Leuten wieder aus dem Gesichte zu thuu. Seine Anrede an
die Beamten ist bereits in einem ziemlich gedämpften Tone
gehalten, und die einer beträchtlichen Anzahl derselben drohende
Absetzung ist nur iu wenigen Fällen verwirklicht worden. Um
freilich das Wohlwollen der Schleswiger für die preußische
Verwaltung zu gewinnen, müßten Zeichen und Wunder geschehen,
die am wenigsten ein Manteuffel jemals zu Stande bringen wird.
Das der Zahlung des Kaufpreises für den österreichischen
Authcil an Laucnburg vorangegaugeue Markten und Feilschen
um eine Anzahl von Pfennigen, ist einer jener Züge „groß-
mächtlichcr" Staatskunst, wie sie nur in Oesterreich und Preußen
vorkommen können. Im vorliegenden Fall würde ein solcher
Skandal andrer Orten schon dcßhalb unmöglich gewesen sein,
weil kein anderer Staat jemals auf den Gedanken gekommen
wäre, seine Rechnung nach einem Münzfüße aufzuftellen, der
ihm selbst eben so fremd ist, wie seinem Milcontraheuten.
Mag es immerhin, wenn mau will, eine Sache ohne großen
Belang sein, dieses Hereinziehen der dänischen Neichsmünze in
den österreichisch-preußischen Vertrag wegen Lancnbnrgs; gleich-
wohl bleibt cs ein Merkmal jener Charakterlosigkeit, jener Nicht-
achtung der Anstandsrücksichtcu die man sich selbst schuldig
ist, jenes Mangels au lebendigem Staatsgefnhl, die im Ver-
halten der deutschen Staaten dem Auslande gegenüber nur zu
oft und zu peinlich hervortreten.
Das preußische Junkerregiment hat in Merseburg wieder
einmal ciue der militärischen Orgien gefeiert, durch welche es
den Widerwillen der Welt von Zeit zu Zeit anfzufrischen be-
flissen ist. In der öffentlichen Anrede, welche nach Abhaltung
eines großen Manövers der kommandirende General v. Schack an
den König hielt, wird dem neunzehnten Jahrhundert ein
Musterstück royalistischer Götzendienern, landsknecktischcr Ge-
sinnung und junkerlicher Bornirtheit znr Schau gestellt. Herr
v. Schack keuut nichts Anderes als den König und das Heer.
Staat, Volk, Vaterland sind für ihn nicht vorhanden. Der
König ist ihm der diesseitige Gott, das Heer „nichts als das
willenlose Werkzeug in der Hand seines Herrn und Meisters."
 
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