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Wochen-Blatt

des



Herausgegeben im Äustrage des Vereins-Äusschuffes.

19.

Frankfurt a. M., den 10. August.

1865.

Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, ihre Beiträge von jetzt an unter Adresse der Redaktion
des Wochenblatts des Nationalvereius, Hochstraße No. 35, nach Franksurt einsenden zu wollen.
Die Redaktion.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Der nassauische Feldzug nach Ober-
lahnstein. — Aus Wien. — Das zweite deutsche Bundesschießen in
Bremen. III. — Deutsches Schützenwesen. — Wiesbaden. — Mitthei-
lungen aus dem Nationalverein. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 6. August.
* In Ischl und Gastein bebt man vor der Entscheidung
zurück. Hier wie dort hat man allen Grund dazu, sich die
Folgen eines Bruches immer von Neuem und immer leben-
diger zu vergegenwärtigen, ehe man zu einem letzten Entschlüsse
kommt. So sucht man denn nach einem neuen Auskunstsmittel,
welches man, einem vielstimmigen Gerüchte zufolge, in der
Regelung des jetzigen provisorischen Zustandes und in der auf
festen Grundlagen fortznsetzenden österreichisch-preußischen Mit-
herrschaft in Schleswig-Holstein zu finden hofft. Gelänge der
Versuch einer Verständigung über die Grundsätze und die Me-
thode einer gemeinschaftlichen Negierung in den Herzogthü-
mern, was freilich zu den unwahrscheinlichsten Dingen gehört,
so wäre damit immerhin eine Frist gewonnen, aber keines-
wegs ein Element der Eintracht und eine Bürgschaft des
Friedens. So lange Preußen in Schleswig-Holstein die Bis-
marckffchcn Pläne betreibt, so lange wird es dort in Oester-
reich den entschiedensten Widersacher haben, und je weiter man
die Vollmachten und den Geschäftskreis der Halbhuber und
Zedlitz ausdehnt, desto häufiger und schärfer werden die öster-
reichisch-preußischen Gegensätze aufeinander stoßen. Ohne die
Befreiung der preußischen Politik von der widerrechtlichen
und gewaltthätigcn Bismarck'schen Diktatur, ist keine Abwen-
dung der Gefahr zu hoffen, welche die schleswig-holsteinische
Verwickelung in ihrem Schooße trägt, und daß zu einer sol-
chen Emancipation die erforderliche Einsicht und Willenskraft
an der zunächst entscheidenden Stelle vorhanden sei, ist nach
allen bisherigen Erfahrungen nicht von ferne anzunehmcn.
Demnach bringt jeder neue Tag einen dringenderen An-
laß für das preußische Volk und seine Vertrauensmänner und
Wortführer, mit sich darüber zu Rathe zu gehen, was da
gethan und gelassen werden kann und soll, wenn das Bis-
marck'sche Regiment die Dinge bis zum Kriege mit Oester-
reich treibst Wird man stillschweigend geschehen lassen? Wird
man im Sinne des Ministeriums Bismarck mitmachcn? Oder
wird man mit Mund und Hand Protest erheben gegen eine
Politik und deren Urheber, welche Volk und Staat bei offenen

Augen in den Abgrund führt? Wir müssen es dahin gestellt
sein lassen, welche dieser Möglichkeiten den Gesinnungen und
Fähigkeiten des preußischen Volkes entspricht; daß man sich
aber der einen oder der anderen entschieden zuwende, daß man
sich vorbereite im rechten Augenblicke den rechten Entschluß
zu fassen, dazu ist es uachgerade die höchste Zeit.
Inzwischen vervollkommnet sich das Bismarck'sche Regiment
fort und fort und liefert alle Tage irgend einen neuen über-
raschenden Beweis feiner Unabhängigkeit von den Geboten
des Rechtes und des Gesetzes, der Vernunft und der Scham.
Es regnet in Preußen willkürliche Polizeimaßregeln gegen die
Gemeinden, die Vereine, die Presse, gegen einzelne Personen
und man gibt sich kaum noch die Mühe einer Verteidigung
und Beschönigung derselben. Paßt ein Gewaltstreich in das
herrschende System, trifft er einen Mann oder ein Interesse
der Opposition, beseitigt er irgend ein Hinderniß des Bis-
marck'schen Schaltens und Waltens, bringt er wenigstens
diese oder jene Stimme des Widerspruchs dagegen zum Schwei-
gen, so bedarf es keiner weiteren Rechtfertigung desselben, und,
was auch der Buchstabe des Gesetzes, die öffentliche Meinung, der
sittliche Sinn des Volkes dazu sagen möge, die Sache vom Stand-
punkte der Machthaber angesehen, ist in der besten Ordnung.
Das oberste preußische Regierungsprincip ist kein anderes,
als die Allmacht der Polizei im Dienste der Unvernunft.
Die rechtlose Gewalt, es läßt sich leider nicht leugnen,
hat in der Welt schon manchmal furchtbare Dinge ausgerich-
tct und entsetzliche Zwecke erreicht. Aber nur dann, wenn sie
entweder eine Idee oder einen Fanatismus hinter sich hatte,
oder mit der blinden Wuth einer entfesselten Naturkraft über
Lcicheu und Trümmern geübt wurde. Zn dem ganzen Ber-
liner Regiments aber steckt weder ein Gedanke, noch ein Glaube,
noch eine Kraft, wäre es auch nur die der Zerstörung. Die
Brutalität soll ihm damit nicht abgcstrittcn werden und cs
ist wahrscheinlich genug, daß die preußische Kabinctskunst nach
der Gelegenheit, heute oder morgeu etwa eiu heilsames Stra-
ßcngemetzel anzustcllen, geradezu lechzt. Ginge aber auch dieser
Herzenswunsch des Zunkerregiments in Erfüllung, die Ent-
waffnung der Verfassungspartci würde durch eine blutige That
dieser Art wahrhaftig nicht bewerkstelligt. Denn die gefähr-
lichsten Waffen der Opposition sind geistiger und sittlicher
Natur, und gegen Urthcile, Meinungen und Empfindungen
werden die Bismarck und Eulenburg mit dem besten Willen
niemals einen Terrorismus zu Stande bringen. Wenn man
aber den Haß und die Verachtung, die im Uebcrmaße ver-
dient zu haben man sich bewußt ist, durch kleine armselige
 
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