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Wochen-Blati
des


"UstisWsk-DsrsiUs.

Herausgegebrn im Auftrage des Vereins-Äusschusses

Frankfurt a. M., den 8. Juni.

1865.

Inhalt:
Wochenbericht. — Die Bilanz der Natioualpartei — Briefe aus Nassau.
Der Skandinavismus unter dem deutschen Gesichtspunkt. — Aus Baiern.
— Die Ausgabebudgets der mitteleuropäischen Staaten. — Geschichte
Spaniens. — Zur Geschichte von 1815. — Zur deutschen Postreform.
— Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 3. Juni*).
* Die planmäßige Corruption der preußischen Justiz
durch das Bismarck'sche Regimcut ist zum zweiten Male Ge-
genstand einer Verhandlung im Abgeordnetenhause gewesen, die
im ganzen Lande nnd weit über dessen Gränzen hinaus wider-
hallen wird. Die beigebrachten Beispiele bildeten durch ihre
Zahl und durcb ihr Gewicht eine Beweislast, gegen welche
kein Widerspruch und kein Leugnen aufkommcu konnte. In
weiser Voraussicht hatte sich wohl auch deßhalb der Justiz-
minister für seine Person „wegen anderweitiger Geschäfte" der
Debatte entzogen und die Führung derselben seinen Handlangern
überlassen, unter denen sich, wie gewöhnlich^ der Negicrnngs-
rath und Abgeordnete Hahn ans Ratibor dnrch die Dreistig-
keit feiner Stirn hervorthat. Das Ergebniß von Rede und
Gegenrede aber war der Art, daß selbst ein hartgesottener
Junker wie Herr v. Blanckenburg die sonstige gute Laune und
Zuversichtlichkeit darüber verlor. Indessen ist es natürlich
nicht das Ucbel selbst, welches diese Herren bedenklich macht,
sondern dessen Enthüllung und der Eindruck, welchen der An-
blick desselben ans das Ange der Welt hcrvorbringt. Als
Mittel zum Zweck scheut die herrschende Partei die Verfälschung
der Rechtspflege so wenig wie den Meineid und den Ver-
fassungsbrnch, aber den Vortheil des guten alten Rufes der
preußische» Justiz sicht sie begreiflicher Weise ungeru aus der
Hand gleiten. So wird denn im Namen der sittlichen Staats-
ordnung, der Vaterlandsliebe und des preußischen Stolzes
gegen die parlamentarische Aufdeckung der tiefen Schäden der
Rechtspflege geeifert, von denselben Leuten geeifert, welche den
Glauben an die preußische Justiz zu einem veralteten Vor-
urthcile gemacht, die richterliche Integrität gebrochen, Recht
und Gesetze zum Werkzeuge ihrer frevelnden Eigeumacht hcr-
abgewürdigt haben. Man denkt dabei unwillkürlich an das
biblische Wort: Otterngezücht.
Während der diplomatische Sckacher wegen Schleswig-
Holsteins zwischen Wien und Berlin rastlos hin und her
geht, steht die Sache selbst, nm welche es sich handelt, seit
Wochen und Monaten gänzlich still. Wie der Rabulist, wel-
cher einen von vornherein verlorenen Prozeß rührt, übt Herr
v. Bismarck jede Art von schlechter Chicane, lediglich um feine
*) Die m Frankfurt ortsübliche dreitägige Feier des Pfingstfestes
nöthigt uns, die in dec nächsten Woche fällige Nummer des Wochen-
blatts schon heute druckfertig zu machen.

unvermeidliche Niederlage möglichst lange hinauszuschieben. Da-
bei mag denn freilich auch der Gedanke an irgend eine unbe-
rechenbare Wendung der Dinge, an eine vom Himmel herab-
fallende günstige Gelegenheit, an die Möglichkeit, das Abge,
ordnetenhaus in dieser Sache auf seine Seite herüberzuziehen,
mitspielcn. Diese letzte Hoffnung wäre jeden Falls die boden-
loseste voll allen. Das Abgeordnetenhaus hat sich, je länger
desto mehr, in der Ileberzeugung geeinigt und befestigt, daß
das preußische Staatsiuteresfe jede Anforderung an die Her-
zogthümcr ausschließt, welche nicht aus dem freiem Willen
derselben heraus zugestanden werden kann, und aus Nachgiebig-
keit gegen die Wünsche des Ministeriums Bismarck wird das
Abgeordnetenhaus diese seine Ueberzeugung wohl am wenigsten
verleugnen. Gleichwohl wird man durch die ganze Haltung
der Negierung, gegenüber dem Landtage, fast' gewaltsam zu
der Annahme gedrängt, daß Herr v. Bismarck das Abgeord-
netenhaus für diesen oder jenen Fall noch nöthig zu haben
und benutzen zu können glaubt. Ist eine geheime Berechnung
dieser Art wirklich vorhanden, so muß sie spätestens bei Ge-
legenheit der Kriegskosten-Vorlage offenbar werden.
Der zwischen der preußischen und altenburgischen Regie-
rung, wegen Austausch ciuiger kleinen Gebietstheilc, abgeschlossene
Vertrag ist von dem Abgeordnetenhause, fast wider Erwarten,
genehmigt worden, jedoch mit Beseitigung desjenigen Artikels,
ui welchem die Wiederherstellung des Jagdrechts auf fremder
Flur in Prcußeu als ein möglicher Fall behandelt wurde.
In Bezug auf diesen Punkt wird sich das Herrenhaus die
Wiederherstellung des ursprünglichen Inhalts des Ueberein-
kommens vermuthlich nicht nehmen lassen, und wenn der be-
absichtigte Tausch dadurch schließlich doch vereitelt wird, so
kann man das in voraus verschmerzen.
Durch einen Eisenbahnvertrag, welcher nach jahrelangen
Unterhandlungen zwischen Preußen nnd Mecklenburg zu Stande
gekommen, ist der streitig gewesene Hauptpunkt von preußischer
«Leite, wider die öffentliche Vernunft und das öffentliche In-
teresse, auf lange Jahre hinaus preisgegebeu. Es handelte sich
um den Durchgangszoll, welchen Mecklenburg, nach Wege-
lagererrecht, auf der Straße von Berlin nach Hamburg erhebt,
und der, seit der Eröffnung der Eisenbahn zwischen diesen
beiden Städten, von den auf derselben beförderten Gütern bei
fünfthalb Millionen Thalcr betragen hat. Die preußische Ne-
gierung hat nun die Gefälligkeit gehabt, die Forterhebung
dieses Zolls, welcher in die Tasche des Großherzogs von
Schwerin fließt, wenn auch nach einem abnehmenden Maß-
ftabe, auf weitere 10 bis 12 Jahr zuzugcstehen — einer der
kleinen Dienste, die man sich in Deutschland, von Residenz zu
Residenz, unter Vettern nnd guten Freunden, auf Kosten des
Publikums zu leisten gewohnt ist. Das Abgeordnetenhaus
wird, wenn es diesem Uufuge nicht steuern kann, wenig-
stens das Scinigc Lhun, um denselben in das gebührende
! Lickt zu setzen.
i Die Geburt eines Prinzen, welche den Fall des Ans-
 
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