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Nstisttat -D sreiUs.

Herausgegeben im Äustrage des Verciiis-Äusschusses.

21.

Frankfurt a. M., den 24. August.

1865.

Inhalt:
Wochenbericht. — Gegen die Weserzeituug. — Zur Motivirung des
oldenburger Beschlusses. — Oesterreich und die Herzogthümer. — Die
social'demokratische Partei. — Ein Wort über Dressur uud Stellung
der Aerzte, besonders im Großherzogthum Hessen. - Das deutsche
Schützenwesen. — Wiesbaden. — Aus Süddentschland. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 21. August.
In dem Augenblicke, wo wir schreiben, steht folgendes
Ergcbuiß der preußisch österreichischen Verhandlungen mit zweifele
loser Gewißheit fest: Es ist in Gastein eine Abrede zwischen
beiden Kabinetten fertig und zu Papier gebracht, und in Salz-
burg von Kaiser und König unterzeichnet worden. Ueber das
Weitere, den Inhalt dieser Abrede, tappen wir anch heute
noch im Dnnkel. Und dieses Dunkel wird nur um so siuu-
verwirrender durch die zahllosen von Wien ans anfsteigen-
dcn Zrrlichtcrschwärme, die unsere Wißbegierde im ganzen
Reich dcs Möglichen und Unmöglichen athcmlos umherjagcn;
bald die bescheidene Meldung, daß nichts als ein nothdürf-
tigcs Abkommen über Verlängerung dcs bisherigen Proviso-
riums vereinbart worden, bald wieder die schmetternde, oder
wenn man will niederschmetternde Ankündigung, daß nicht bloß
die Frage der Herzogthümer, sondern nebenbei anch die deutsche
Neformfrage wundervoll gelöst sei — und dazwischen eine lange
Reihe von Mittelgliedern, von widerstreitenden und einander
folglich anfhebendcn, aber stets „wohlvcrbürgteu" Nachrichten.
Zn der That, seit dem Tage, wo der Vater der Lügen unser
erstes Elternpaar bethörte, bis auf die heutige Stunde, ist
noch niemals von Einem Punkt aus und in so kurzem Zeit-
raum so massenhaft und so ungeheuer gelogen worden, als
von Wien aus in den beiden letzten Wochen.
Eine dieser vielen Versionen hat indessen, wenn auch noch
keine volle Gewißheit, doch bereits ziemliche Wahrscheinlich-
keit für sich, diejenige nämlich, wonach Oesterreich wieder
einmal einen großen Schritt hinter sich gethan hat, und zwar
zurück bis — Schleswig, und Holstein, das Bundesland und
den Hauptsitz des „Augustenburgerlhums", an Preußen über-
antwortet. Ist dem so, dann ist nichts glaublicher, als
daß es auch bereits dcu Herzog Friedrich "über Bord ge-
worfen uud den prcußisch-russischeu Candidatcu, Eüoßhcrzog
Peter, von Oldenburg, auch seinestheils adoptirt hat. Tie
preußische Gegenleistung wird dann etwa wohl in dem —
Versprechen bestehen, den Oldenburger auch wirklich und wahr-
hafttg cinzusetzcn, also der Annexion zu entsagen, und vielleicht auch
noch, dem desiguirten Herzog keine — vorbehaltlich etwa einer
Revision der Bundeskricgsvcrfassuug — mit dem Bundesrecht
unverträglichen Zugeständnisse abzndringen. Das Alles würde
vortrefflich mit dem neulichen „internationalen" Orakel der offizi-
ösen Gencralcorrcspondcnz stimmen; abgesehen davon, daß diese
Art der „Lösung" für das nächstbetheiligte Volk, die Schleswig-

Holsteiner, von allen denkbaren so ziemlich die drückendste und ver-
letzendste, also auch in dieser Hinsicht die wahrscheinlichste ist. *)
Die nach dem Reich korrespondirenden Wiener Federn
beeilen sich natürlich, den schmählichen Rückzug der Ihrigen
für einen bloß strategischen zu erklären. Herr v. Bismarck
habe Oesterreich die Pistole auf die Brust gesetzt, cs habe nur
die Wahl gehabt zwischen augenblicklichem Krieg oder augen-
blicklicher Nachgiebigkeit, uud in diesem Dilemma habe cs sich,
wenn schon mit schwerem Herzen, für Nachgeben entschieden,
da cs für den Krieg nicht hinlänglich vorbereitet gewesen.
Aber nur Geduld, über ciu Kleines, und Oesterreich werde
Alles reichlich einbringen, einstweilen inspizire Erzherzog Al-
brecht die böhmischen und mährischen Festungen u. s. w. Daß
Vorsätze dieser Art in Wien bestehen, ist wohl zn glauben;
aber wie wir schon neulich erinnerten, nachdem die Schleswig-
Holsteiner und der Herzog ihrer Herzen einmal preis gegeben,
wird Oesterreich für seinen weiteren Widerstand gegen das
Bismarcr'sche Vordringen auf keinerlei deutschen Rückhalt
mehr zu rechnen haben, also nach dieser Seite hin in einer
ungleich mißlicheren und ausgcsetztercn Lage sein als heute.
Ob Peter von Oldenburg etwas mehr oder weniger Hoheits-
rechte dahingebcn, oder aber, ob auch er „glücklich beseitigt"
werden und an seine Stelle die Annexion treten soll, d.is ist
dem deutschen Volke theils gleichgültig, theils wird cs sich bei einem
Streite darüber auf Seite Preußens stellen. Und diese Haltung
der Bevölkerungen wird sicher auch die Negierungen der übrigen
deutschen Staaten zu weiser Neutralität bestimmen ....
Also hätte die Politik Bismarck die heiterste Aussicht
auf völligen Triumph, und wir und Alle, die sie nicht bloß
vom liberalen, sondern auch vom nationalen Standpunkt für
unheilvoll und verwerflich erklärten, wären im Jrrthum ge-
wesen, im Jrrthum wenigstens insoweit als wir ihre Kraft
unterschätzt hätten? Mit Nichten, so weit sind wir noch lange
nicht. Daran ist nicht zu zweifeln, daß Bismarck bei dem Ol-
denburger nicht stehen bleibt, außerdem würde sein jetziger
Sieg in Wahrheit eine Niederlage sein; um auch ihn wegzu-
briugeu, wird er einen neuen Hebel ansetzen müssen. Diesen
Hebel kann er aber, da für den Oldeubnrger auch Rußland
iuteressirt ist, nur in gewissen Combiuationcn der europäischen
Polittk aufsuchen. Uud wir sind heute fester als je davon
überzeugt, bei sorgsamer Betrachtung der Lage uud Stellungen der
Mächte Europa's, daß diehiedurch geschaffeneVerwicklnng schließ-
lich zu Unguusten dcr Bismarck'scheu Politik ansschlagenwird.—
Neber die neulich zur Kenntniß der argen Welt gebrachten
*) So eben wo unser Blatt in die Presse geht, kommen uns über-
einstimmende Meldungen aus Wien, Berlin uud Kiel zu Gesicht, nach
welchen nicht Oesterreich, sondern Preußen nach Schleswig verwiesen
wird. Schon deshalb, weil in diesem Arrangement ein Verzicht auf die
gewaltsame Entfernung des Augustenburgers läge, würde dasselbe viel-
mehr eine preußyche, als eine österreichische Niederlage bedeuten, und H rr
v. Bismarck wäre schon jetzt an der Grenze seiner Erfolge angekommen
— es müßle denn sein, daß die Salzburger Uebcrcintnnfr noch unbekannte
anderwene, für Preußen vorteilhafte Bcstimmungeu enthielte. D. R.
 
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