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Dessenungeachtet ist erst vor einigen Tage ein förmlicher Antrag aus
Erlaß des Gesetzes von Herrn v. Bennigsen gestellt und gerechtfertigt,
auch trotz des Widerspruchs der Minister mit großer Majorität ange-
nommen. Der Herr Justizminister wagte dabei zum allgemeinen Erstaunen
zu sagen, daß ein derartiges Ersuchen der Stände den Abschluß der
Erwägungen der Krone hindern und den Erfolg gefährden könne. Hier-
aus zu folgern, daß der König geneigt sei, dasjenige gerade nicht zu
zu thuu, was seine Stände, an deren Mitwirkung doch verfassungsmäßig
die Ausübung des königlichen Rechts der Gesetzgebung gebunden ist,
wünschen, scheint an Hochverrats, zu gränzen. Und doch ist die Richtigkeit
einer solchen Folgerung ein öffentliches Gehcimniß. Wessen Rathschläge
die bisherige Nichtpublicatiou jenes Gesetzes veranlaßt, mag dahin stehen.
Daß aber das Ministerium nicht die Schuld trägt, glaubt Jeder, und
so ist denn meine frühere Andeutung, daß unsere Zustände einige Aehn-
lichkeit mit den kurhessischen haben, vollkommen gerechtfertigt.
Wie sich die erste Kammer, welche in den letzten Wochen durch ihre
Verhandlungen und Abstimmungen dem 1848 allgemein gehörten Rufe
nach ihrer Beseitigung wieder neue Nahrung gegeben, zu dem obigen
Beschlüsse der zweiten Kammer stellen wird, läßt sich gar nicht voraus-
sehen. Sie ist eigentlich unberechenbar und ..nur so weit einig, daß sie
ihren jetzigen Besitzstand zu conserviren sucht, obgleich vielleicht Niemand
von seiner Haltbarkeit überzeugt ist. Man handelt nach dem Grundsätze
„upr68 norm le ckeluZkR Nun, die Sündfluth wird so gewiß kommen,
wie auf die Nacht der Morgen.
-f Aus Franken. Die Preußen haben also die Armee-Reor-
ganisation abermals mannhaft verworfen. Man sollte diesen Schritt in
ganz Deutschland feiern. Die preußischen Abgeordneten haben sich von
dem Bismarck'schen Regiment auf's Neue damit losgesagt und auf
die nationale Seite gestellt. Wie oft mußte man sich einwenden lassen:
„Wenn du einen Preußen mitten auseinander schneidest, so ist er halb
schwarz, halb weiß; sie sind mit Bismarck alle einverstanden und am
Ende folgen sie ihm auch alle." Daß die Preußen ein stärkeres Staats-
gefühl haben wie wir, ist ganz natürlich, denn bei aller Mangelhaftigkeit
ihrer Zustände sind sie doch ein Staat, der sich im Nothfall auf sich
selbst stellen kann, was uns andern allen abgeht. Daß am Ende doch auch
in Preußen der nationale Gedanke durchdringen, daß der Düppeler Sie-
gestaumel, der auch Besonnenere erfaßt hatte, endlich verfliegen werde,
verstand sich übrigens von selbst. Der preußische Staat ist zu etwas
anderem bestimmt, als die deutsche Artischocke Blatt für Blatt zu verspeisen.
In unserer bäurischen Kammer dürfte es mit der Zeit zu einigen
lebhaften Auseinandersetzungen kommen. Unsere Landwehreinrichtung ist
in ihrer jetzigen Gestalt so ziemlich von aller Welt verurtheilt. Es ist
damit zu wenig und zu viel gcthan. Dieses Gefühl macht sich allgemein
geltend und demgemäß verlangt man nach Abhülfe. Die verständigen
Leute wollen aber natürlich nicht die Abschaffung der Landwehr, sondern
deren zeitgemäße Umbildung Ein solches Verlangen ist nun auch an
mehreren Orten von versammelten Laudwehrleuten selbst ausgesprochen
worden, was ihnen denn durch einen ministeriellen Erlaß als Ungesetz-
lichkeit angerechnet, in Zukunft streng verboten ist. Dazu werd die Kammer
schwerlich schweigen; dann kommen vielleicht auch noch andere Dinge
zur Sprache.

Mittheilungen ans dem Nationalverein.
Frankfurt, 22. Mai. Gestern fand hier eine Vorstandssitzung
des Nationalvcreins statt, in welcher u. A. beschlossen wurde, den Aus-
schuß des Vereins auf den 11. kommenden Monats (Sonntag nach
Pfingsten) zu einer Sitzung nach Eisenach einzuberufen.
Leipzig, 18. Mai. Die auf gestern Abend anberaumte Versammlung
von Mitgliedern und Freunden des Nationalvereins fand, sehr zahlreich be-
suchtem Saale des Odeon unter Vorsitz des Dr. Heyner statt. Nachdem er
die Anwesenden begrüßt und in einigen Worten auf das „Jammerbild
der Zerrissenheit deutscher Zustände" hingewiesen, welches sich in der
schleswig-holsteinischen Frage eben wieder neu aufrolle, nahm das be-
kannte Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, Franz Duncker
aus Berlin (der in Geschäften zur Buchhändlermesse hier anwesend ist
und einer Einladung zum Sprechen in dieser Versammlung freundlich
Folge geleistet hatte), das Wort, um über die Stellung zu sprechen, welche
Preußen in diesem Augenblick zu Schleswig-Holstein einnimmt, sowie
über die Aufgabe der nationalen Partei in dieser Beziehung.
Bei Schilderung der eigenthümlichen schwierigen Stellung der Volksver-
treter Preußens sagte er, es sei natürlich, trotz der Kluft zwischen Regierung
und Kammern, das erste Gesetze gewesen, daß jeder Fuß deutschen Bodens
in seiner Unverletzbarkeit gewahrt bleibe. Anzuerkennen sei die seit 50
Jahren von Deutschland nicht gezeigte Energie, mit welcher die Regierung
von Preußen im Verein mit Oesterreich vorgegangen. Freilich habe sie
durch die Art des Vorgehens doch wieder das Volk um die rechte Freu-
digkeit über die Früchte des Siegs gebracht. Die preußische Regierung
fühle selbst ganz wohl, daß statt eines AnlehneuS au Oesterreich füglich
auch ein Anlehuen an das eigene Volk hätte Platzgreifen können, sobald
die Regierung nur sich mit dem Volke Eins gewußt; in solchem Falle
würde der Kampf der Herzogtümer zugleich ein Kampf für die Wieder-
geburt Preußens selbst und Deutschlands gewesen sein.
Zu der Frage: »ob Annexion, ob Anschluß au Preußen", über-
gehend, verkannte Redner das Gewicht jener Gründe nicht, welche zahl-
reiche und nicht schlechte Stimmen (wie v. Treitschke, Mommsen) gegen
die Schaffung eines neuen Kleinstaats hervorgehobeu. Wenn man indeß

fürchte, daß der neue Staat „einen neuen warmen Brütstock für den
Dünkel particularisüscher Selbstgenügsamkeit" abgeben könnte, so sei dem
andererseits entgegenzuhalten, daß man doch gewiß auch keinen „neuen
Brütstock für den Dünkel preußischer Selbstgenügsamkeit, keine neuen Land-
rathsämter für Junker und deren Genossen" wünschen könne. Die Ein-
verleibung könne weder für Deutschland, noch auch nur für Preußen
ein Glück sein; sie sei ohne sehr reelle Concessionen an Oesterreich, viel-
leicht auch an Frankreich nicht denkbar, sie müsse in ihren Consequenzen,
gegenüber den andern Kleinstaaten, schließlich doch zur Mainliuie führen
und ans jeden Fall das Bedürfuiß der Anlehnung der preußischen Re-
gicrung an das deutsche Volk noch mehr verringern. Auf der andern Seite
würde ein engerer Anschluß an Preußen gar kerne Schwierigkeiten finden,
sobald Schleswig-Holstein nur nicht einer Regierung gegenüberstände,
welche durch Verlängerung des provisorischen Zustandes überall Erbitte-
rung Hervorrufe
Was Preußens Volksvertreter bei dieser Angelegenheit ihrer Regie-
rung zu bewilligen haben, das dürfe jedenfalls erst dann geschehen, wenn
die jetzige Gefährdung des Budgetrechts beseitigt sei, und in diesem Kampfe
bedürfe Preußen der Unterstützung aller andern deutschen Stämme. Möge
man festhalten, in ganz Deutschland, an dem Ideal der Einheit und Frei-
heit, wenn man auch nicht hoffen dürfe, das Reich der Ideale urplötzlich
vom Himmel herobkommen zu sehen. „Nicht kann der Politiker das glü-
hende Erz in eine beliebige Form gießen und diese dann mit weiser Hand
zu rechter Zeit zerbrechen, er muß vielmehr dem Manne gleichen, der
mit dem Meisel in der Hand aus wildgewachsenem Stein das ihm vor-
schwebende Ideal zu schaffen sucht, eine Arbeit, zu welcher freilich tausend
und aber tausend einzelne Schläge gehören, bei deren jedem man sich
bewußt sein muß, daß man keinen Zoll, keine Linie von der Vorzeichnung
der Schönheit und Charakteristik abweichen darf, wenn man nicht ein
Zerrbild schaffen will."
Mit einer Ermahnung an alle Einzelstämme Deutschlands, getreu
mit Preußen zusammenzustehen, schloß der Redner unter lebhaftem, lang
anhaltendem Beifall der Versammlung. Nach ihm betrat Professor Bie-
dermann die Tribüne, um einige Worte an die Vertreter der Annexions-
idee in Sachsen zu richten.
Ohne den Ueberzeugungen dieser Männer zu nahe treten zu wollen,
müsse er doch darauf aufmerksam machen, daß dieselben sich den Ver-
sammlungen der hiesigen Mitglieder des Nationalvercins und der Theil-
nähme an dessen eigentlicher Aufgabe, der Durchbrechung und Klärung
der Ansichten, zu entziehen schienen Und allerdings könne, wer die An-
nexion auf sein Panier schreibe, eigentlich nur mit gekreuzten Armen sich
hinsiellen, jenes Ereigniß abwartend, welches ihm das einige Deutschland
fertig bringen solle. Solchem Verhalten müsse entweder Verzweiflung am
eigenen Thun und Schaffen der Nation oder, was er nicht annehmen
wolle, Schlaffheit zu Grunde liegen. Vor dieser Verzweiflung aber
oder dieser Trägheit müsse uns schon das Gefühl der «selbstach -
tung bewahren, die gerade in den kleineren Staaten doppelt nölhig sei.
Um so mehr müsse man bedauern, daß ehrenwerthe Männer, welche
jahrzehntelang in tüchtiger politischer Arbeit mitgewirkt, jetzt scheinbar
ermattet ausruhten; solange noch Athem im Manne sei, müsse er seine
Aufgabe verfolgen, dürfe er nie verzweifeln. (Bravo!) Der Vorredner
habe mit Recht darauf verwiesen, daß die preußische Regierung, wenn
sie auf einzelne Annexionen speculire, nichts für die Einigung des gan-
zen Deutschland thuu werde; aber umgekehrt werde die preußische Re-
gierung eine solche Politik ergreifen und sie für gerechtfertigt halten,
wenn ihr aus dem übrigen Deutschland keine Bewegung in bundesstaat-
lichem Sinn entgcgcnkomme. Die nationale Partei müsse dem preußischen
Abgeordnetenhause seine Aufgabe, jeder Politik der Gewalt nach innen
und außen zu widerstehen, dadurch erleichtern, daß sie nach ihren Kräften
die Wege einer nationalen Politik für Preußen ebnen helfe.
Dec Vorsitzende brachte nun der Festigkeit des preußischen Abgeord-
netenhauses ein Hoch, in welches die Versammelten freudig einstimmlen,
und das Herr Duncker mit einigen Worten des Dankes erwiederte. Nach
dem Schluß der Versammlung blieb man noch lange beisammen, in ge-
müthlicher, durch zahlreiche ernste Toaste und den Gesang patriotischer
Lieder von seitcn der mitanwesendeu akademischen Jugend gewürzter
Unterhaltung. (D- 24 Z )

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Nordseebad Westerland
auf der
Insel Sylt, sn i>. Westküste des Hnyogth. Schleswig.
Dieses, durch seinen schönen Strand und kräftigen Wellen-
schlag rühmlichst bekannte Seebad, wird am 15. Juni eröffnet.
Man reist über Hamburg, Altona per Eisenbahn nach
Husum und weiter per Dampfschiff nach Sylt, oder,-Per-
Eisenbahn nach Flensburg, dann mit der Fahrpoll über
Taubern nacb Hoyer, von wo aus eine tägliche Verbindung
mit der Insel Sylt unterhalten wird.
Nähere Auskunft crthcilt die Badcdircktion.

Verlag der Expedition des Wochenblatts des Nationalvereins. — Redigirt unter Verantwortlichkeit von P. Schmitt in Frankfurt a. M.
Druck von C. Adelmann in Frankfurt a. M.
 
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