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studirter Geringschätzung behandelte und seine Ordonnanz gegen die Land,
wchragttation erließ. Dieselbe Mischung von kalt und warm scheint in
den socialen Gesetzentwürfen wiedcrzukehren, zu deren Vorberathung die
Kammern kürzlich ihre Ausschüsse niedergesetzt haben.
Es ist nicht unsere Absicht, heute die Politik des Herrn v. Neumayr
einer eingehenden Besprechung zu unterziehen. Nur über den Vorwurf
einer idealistischen, den „Boden der gegebenen Zustände" verlassenden
Anschauung, welcher der Fortschrittspartei zuweilen gemacht wird, möch-
ten wir noch ein Wort hinzufügen.
Wer das Programm dieser Partei gelesen und ihre bisherige Hal-
tung beobachtet hat, wird einräumen, daß sie in politischen und Wirth -
schaftlichcn Fragen entschieden liberal, aber keineswegs radikal
anftritt. Gleichwohl hat sie sich niemals darüber getäuscht, daß in Bayern
die Voraussetzungen einer vollen Verwirklichung ihres Programms noch
nicht gegeben sind und daß sie noch geraume Zeit auf die Stellung einer
Oppositionspartei angewiesen sein wird. Ja, wenn morgen oder
übermorgen durch eine seltsame Fügung den Führern der Partei die
Möglichkeit eröffnet würde, ein Ministerium nach ihrem Sinne zu bilden,
so müßten sie Bedingungen stellen, die einer Ablehnung gleichkämen. Sie
müßten sich vor Allem Vollmachten erbitten, in den höheren Verwal-
tungsämtern, die zum großen Theile mit Burcankraten der alten Schule
besetzt sind, rücksichtslos aufzuräumen und durch neue Ernennungen den
Geist der Verwaltung mit dem der Regierung in Einklang zu bringen.
Nicht allein die Hohe und Schmitt, Zu-Rhein und Lerchen-
feld*) und Andere müßten ungesäumt in ruhende Activität gesetzt wer-
den. Solche Maßregeln aber würden, wie die Dinge in Bayern noch
stehen, geradezu für revolutionär gelten und dennoch ist es lächerlich, ohne
sie an die Durchführung und Befestigung eines liberalen Regimentes zu
denken. Denn die liberalen Minister würden sich fruchtlos aufreiben und
nach kurzer Zeit, unfähig die gehegten Erwartungen zu befriedigen, von
ihren eigenen politischen Freunden aufgegeben und verlassen sein.
Wenn aber die Fortschrittspartei sich vor der Illusion sicher weiß,
als ob der Augenblick ihrer Herrschaft schon gekommen oder nahe wäre,
so übt sie doch anderseits in ihrer jetzigen oppositionellen Stellung eine
bedeutende Wirksamkeit aus. Sie ist nicht allein die vorwärtstreibende
Kraft im Staatsleben, so daß von dem Guten, das geschieht, ohne den
von ihr ausgehenden Antrieb vieles nicht geschehen würde: sie ist zugleich
— und dies wird in der Regel weniger beachtet — für jede Regierung,
die nicht ausschließlich das Bestehende zu erhalten oder in reaktionärem
Sinn umzubilden trachtet, eine unentbehrliche Stütze So lange Herr
v. Neumayr noch irgend eine liberale Maßregel im Köcher Hai, kann er
der Fortschrittspartei nicht emrathen, denn mit ihrer Auflösung würden
alsbald die reaktionären Elemente am Hof und in den Kammern ein so
mächtiges Uebergcwicht erlangen, daß ihm nur noch die Wahl gestellt
wäre, entweder auf jeden, auch den bescheidensten Reformplan zu ver-
zichten oder einem Minister nach dem Herzen des Frcih. v. Slauffen-
berg das Feld zu räumen.
Man kann über die Richtigkeit dieser Ansicht streiten; am wenigsten
glauben wir aber, daß Herr v Neumayr selbst, dem ein genauer Ein-
blick in die Verhältnisse gegönnt ist, uns zu widersprechen versucht wäre.
Wir muthen ihn: gleichwohl ntcht zu, daß er die Fortschrittspartei mit
besonderer Zärtlichkeit umfingen solle, wie wir auch unserseits nicht in
der Lage sind, ihm solche Gefühle zur Verfügung zu stellen. Diese Be-
merkungen wollten ja überhaupt nur deutlich machen, inwiefern die Par-
tei, ohne ihre Erwartungen von der nächsten Zukunft zu überspanneu,
sich doch schon in der Gegenwart einer bestimmten politischen Wirksamkeit
gelröstcn kann. W. d. F. i. B.

Aus Frauken.**) Allmählich erwacht bei uns die Bewegung
für Schleswig-Holstein wieder. Naturgemäß wird sie einen andern Cha-
rakter und eine andere Richtung annehmen, sie wird langsamer um sich
greifen, aber ruhiger und entschlossener austreteu und ihre Richtung, nuu
die geht ja nicht mehr gegen einen auswärtigen Erbfeind, sondern es
stehen wieder einmal Deutsche gegen Deutsche. Das ist die entsetzliche
Seite an diesem unselig verfahrenen Handel, die man gar nicht stark genug
hervorheben kann, das ist die Seite, die dem Ausland Grund gibt, sich
vergnügt die Hände zu reiben. Noch nach dem Wiener Friedensschlüsse
war die vorherrschende Stimmung hierzulande die, es Preußen wohl zu
gönnen, wenn es in anständiger Weise die Herzogtümer mit sich ver-
binden würde Man billigte die Art seines Vorgehens schon damals nicht,
indessen man sah davon ab, man gab sich der Hoffnung hin, cs werde
doch noch eine anständige und rechtliche Politik in Berlin obsiegen und
man werde sich mit den Schleswig-Holsteinern abzusindcn wissen. Jetzt
ist das Alles anders, es gibt bei nnS Keinen mehr, der offen in irgend
einer Weise für Preußen Partei nehmen, aber um so größer ist die Zahl
Derer, die diesem Staate eine tüchtige Niederlage von Herzen vergönnen
würden. Dabei wendet sich der Unwille nicht vorzugsweise gegen die
Preußische Regierung, von der man sich nie Gutes versehen hat, sondern
gegen das preußische Volk, das in unseliger Verblendung diesem Spiele
zusah und noch zusieht. Dian läßt es sich nicht ausrcden, daß die Preußen
bei ernstem Willen die Mittel in Händen hätten, ihrer Regierung einen
andern Weg vorzuschreiben oder noch besser, das gegenwärtige Regiment

*) Die Regierungspräsidenten in München und Augsburg.
geben diese Korrespondenz lediglich als einen Ausdruck der Stimmungen
nn bayerischen Franken. 2m übrigen Deutschland ist von einem Wie-
dcrouileben der schleswig-holst-nnschen Bewegung Nichis zu bewerten. r. tli?

ganz zu beseitigen. Mit besonderer Bitterkeit spricht man von den preußi-
schen Liberalen, die genau dasselbe, wogegen sie sich mit Händen und
Füßen wehren, einem Bruderstamme gegenüber stillschweigend gutheißen
würden, wenn nur ein kleiner Gewinn dabei sherausspränge. Das ist
nicht die Art, wie man ein großes Ziel erreicht, das kann nur die schlimmsten
Früchte tragen — Wenn ich übrigens die Stimmung irgend recht be-
urtheile. so ist nicht daran zu denken, daß man deßwegen, weil man
über das gewaltsame Auftreten Preußens empört ist, von Oestreich irgend
erbaut wäre. Es spielt ja in seiner Art dasselbe Spiel. Nicht die Achtung
vor dem Rechte eines schwergekränkten Bolksstammes, nicht die Sorge
für die Ehre der deutschen Nation sind hier die leitenden Triebfedern,
sondern einzig und allein das Streben, einen gefürchteten und gehaßten
Nebenbuhler keine Vortheile erringen zu lassen. Das Beste ist, wenn die
Schleswig-Holsteiner fest aus ihrem Rechte beharren und wenn wir An-
dern sie darin einfach unterstützen, nicht links noch rechts abweichen.
Vielleicht daß sogar in Preußen dadurch endlich die öffentliche Meinung
auf die rechte Bahn gebracht werden kann. Geschieht das nicht, so wissen
wir zwar, wo und wie der ganze Hader begonnen hat, keine menschliche
Seele aber kann sagen, wie er enden soll.

Aus Bayern, 24. August. Zum Unterhalt der offiziellen
Presse haben unsere Steuerpflichtigen nach den dem Landtage vorge-
legten Rechnungsnachweisungen im Jahr 1861/62 20,000 ff., 1862/63
19,738 st. gezahlt und gleiche Summen werden auch die folgenden Jahre
treffen. Dazu kommt noch der Betrag des Abonnements auf die „Bay-
rische Zeitung", welches von den verschiedenen Behörden, die dieses Blatt
zu halten haben, unter ihren Regiekosten verrechnet wird. Den größten
Theil der ganzen Summe verzehren offenbar die Alimentationskosten der
genannten Zeitung, da von einer sonstigen offiziellen Benützung der
Presse weit und breit nichts zu verspüren ist. Aber auch die Bayrische
Zeitung wird thatsächlich nicht benützt! Die Aufgabe eines solchen
Blattes kann doch nur darin bestehen, bei jedem wichtigen Anlaß die
Ansichten und Maßregeln der Regierung mit möglichstem Nachdruck zu
vertreten, und so geschieht es auch in der offiziellen Presse anderer Län-
der und nur, wenn dies geschieht, hat die Unterhaltung eines politischen
Blattes aus Staatsmitteln überhaupt einigen Sinn. Wer nun aber z. B.
die „Bayrische Zeitung" aus dem letztverflossenen Halbjahr nachschlagen
will, wird das Resultat gewinnen, daß kaum eine einzige der Fragen,
welche im Laufe des Frühjahrs und Sommers die öffentliche Meinung,
den Landtag und die Regierung beschäftigt haben, in den unermeßlich
langweiligen Spalten jenes Blattes zur Sprache gebracht und vom Stand-
punkte der Regierungöpolitik erörtert worden ist. Demungeachtet läßt
man das Land 20 — 25,000 fl. „für die Presse" zahlen. Es gibt außer
der bezeichneten Hauptaufgabe offizieller Zeitungen noch das Nebenge-
schäft der Berichtigung falscher (oder unliebsamer) Nachrichten. So-
gar diese Funktion wird von der „Bayrischen Zeitung" auf's nachläs-
sigste besorgt. Gewöhnlich hüllt sie sich in absolutes Schweigen und
nimmt sie ausnahmsweise das Wort, so märe es manchmal besser, sie
hätte wieder geschwiegen. Wenn durch alle deutschen Blätter, mit In-
begriff der größten und bestunterrichteten, eine Mittheilung über die
zwischen dem Münchner und Dresdner Kabinet angeblich ausgebrochene
Spaltung oder ein Bericht über merkwürdige diplomatische Unterhaltungen
zwischen den Herren v d. Pfordlen und Bismarck gelaufen ist, so hinkt
nach 8 oder 14 Tagen die „Bayrische Zeitung" mit ihrer auf Schrauben
gestellten Berichtigung nach, indem sie versichert, jeder Gulunterrichtete
habe ja ohnehin nicht bezweifeln können u. s. w. Die Redaktion aber,
um den Beweis nicht schuldig zu bleiben, daß sie von offiziellem Selbst-
gefühl nach Gebühr durchdrungen sei, fügt aus eigenen Mitteln eine
Impertinenz hinzu, welche sie der gesammteu unabhängigen Presse in'S
Gesicht wirft. (Vgl. Bahr. Ztg. v. 21. Aug). Es wäre gewiß an der
Zeit, entweder aus diesem Blatte, das gegenwärtig nichts ist, etwas
zu machen, oder der Staatskasse die unverantwortlichen Kosten zu er-
sparen, die es verursacht, jedenfalls aber den Leitern des Blattes die
äußerst bescheidene Haltung zu empfehlen, die seinem gegenwärtigen
Werth entspricht. (Erl. ant. Corresv)

Mittheilungen ans dem Nationalverein.
Frankfurt, 18. August. Der Tod hat die Reihen des Nattonal-
Vercins wieder um einen eifrigen und hoffnungsvollen Genossen ärmer
gemacht. Es ist dies der am 22 d. M. verstorbene Prokurator Dr. Georg
Freudenberg in St. Goarshausen, der seit einem Jahre die Agentichaft
des Vereins für den dortigen Bezirk übernommen hatte. Derselbe hat
sich nicht bloß als uneigennütziger und begeisterter Patriot und Fort-
schrttlsmann, sondern auch als lyrischer Dichter (namentlich durch seine
Loreley) ein ehrenvolles Gedächtniß hinterlassen.
In Seehausen hat vor einigen Tagen der Bürgermeister von
dem Kaufmann Löwenthal, der früher Agent des Nationalvereins für
Seehausen war, das Verzeichniß der dvrtigen Nationalvereinsmitglieder
verlangt. Herr Löwenthal, der sich selbst als ein solches Mitglied be-
kannte, war, wie die „M Pr." meldet, nicht gewillt, aber auch nicht
im Stande, ein Verzeichniß einzureichen, da er die Agentur des Vereins
nicht mehr hat. Aus welchem Anlaß, ob aus eigenem oder fremdem An-
trieb der Bürgermeister die Aufforderung an Herrn Löwenthal hat ge-
langen lassen, ist nicht bekannt. (V. Z.)
 
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