Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1865 (Nr. 1-39)

DOI Kapitel:
No. 31 - No. 35 (2. November 1865 - 30. November 1865)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44609#0261
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
255

um das vor einigen Zähren gegebene königliche Versprechen
einer Wiederholung des Besuchs zu erfüllen. — Da nun
außerdem der Bürgermeister Boysen auch die Kühnheit gehabt,
den Wunsch einer baldigen Ordnung der deutschen Wirren
auszusprechen, so hat sich derselbe offenbar die Gunst des
Königs nicht erworben, sondern vielmehr derselben von Neuem
unwürdig gezeigt, denn er wurde, so weit sich dies irgend
thun ließ, höchst ungnädig behandelt. Was von der Wermnth'-
schen Partei daneben geschehen, lassen wir dahin gestellt seien
Die Anrede des Kaufmanns Forcke an den Bürgermeister
Boysen bei Gelegenheit der Uebcrreichung des Ehrengeschenks
gibt darüber ziemlich verständliche Andeutungen. Diese Um-
stände waren es, welche einen Theil der angesehensten Bür-
ger von Hildesheim veranlaßten, dem Bürgermeister Boysen
ihre Anerkennung durch Überreichung eines Ehrcnbechers aus-
zudrücken, der ihm durch eine Deputation mit einer entspre-
chenden Anrede überbracht wurde. Diese Anrede enthielt die
Antwort eines großen und jedenfalls des unabhängigsten Thcils
der Bürgerschaft der Stadt Hildesheim auf die Verleihung
von Orden und Ehrenzeichen, mit welchen die Hauptgegner
der städtischen Kollegien und einige schwache Mitglieder der-
selben begnadigt worden.
Erst wenn ein gleicher Unabhängigkeitssinn und eine
gleiche Thatkrast alle Bürger des Staats beseelt, wenn Alle
oder wenigstens die große Mehrzahl es wagen, den Fürsten
gegenüber der Wahrheit die Ehre zu geben und jeder Täu-
schung durch devote Redensarten zu entsagen, erst dann wer-
den dieselben sich entschließen, auf die Stimme des Volks zu
hören. Würde dem Könige Wilhelm I. von Preußen bei jeder
Gelegenheit von muthigen Männern gesagt, wohin sein will-
kürliches und autokratisches Regiment führe, hörte er wirk-
lich, wie die große Mehrzahl des Volks denkt und würde ihm
dies dadurch deutlich gemacht, daß man sich jeder öffentlichen
Huldigung enthielte, so würde er schwerlich so hartnäckig sein
Licblingsproject verfolgen und darüber die Verfassung, viel-
leicht auch deu Staat, zu Grunde gehen lassen. Nur wenig-
Fürstcn dürften, wie der Kurfürst von Hessen, eine entschie,
dene Unpopularität lauge ertragen; der König von Hannover,
welcher, im Gegensätze gegen den ersteren, dem er sonst nahe
verwandt, die Huldigungen und die Anerkennung seiner Macht,
wahrscheinlich im Gefühle seiner körperlichen Hülfsbedürftig-
keit, ein wahres Lebensbedürfnis; zu sein scheinen, am aller-
wenigsten.
Ohne die berauschende Täuschung in Hildesheim hätte
sich derselbe schwerlich entschlossen, den Herrn Grafen von
Borries, den Gönner und Freund des Landdrosten Wermuth,
zum Präsidenten des Staatsraths zu machen und damit den
neuesten Ministerwechsel herbeizuführcn, welcher fast Niemandem
im Lande erwünscht, jedenfalls aber der Krone höchst nachtheilig
ist. Man glaube überhaupt nicht, daß ähnliche Aufführungen
wie in Hildesheim, und die bei solchen Gelegenheiten gehal-
tenen Reden von der angestammten Unterthancntreue und der
Dauer des Welfcnrcichs bis an das Ende aller Dinge, den
loyalen Sinn im Lande fördern. Trotzdem ist es nothwendig,
daß Jeder erkennt, welche Verantwortlichkeit er dadurch auf
sich ladet, wenn er sich durch sein Interesse oder durch Schwäche
bestimmen läßt, an solchen S eenen der Art sich zu bcthciligcn,
daß der König in seiner Auffassung von der Größe und der
Fülle seiner Macht dadurch bestärkt wird. Die Bürger Hildes-
heims haben in dieser Beziehung ein gutes Beispiel gegeben
und da wir leider in Deutschland solcher Beispiele noch sehr
bedürfen, so haben wir geglaubt, dem nationalen Interesse
durch gegenwärtige Mittheilung zu dienen, welche zugleich in
einem concreten Falle deu trostlosen Zustand unserer öffent-
lichen Verhältnisse zeigt.

Mitiheiümgeu aus dem Natioualvorkm.
Bei Aufzählung der durch Cooptation gewonnenen Ausschnßmit- -
gliedern in der vorigen Drummer des Wochenblatts, ist Herr r. Hove r Heck i
aus Ostpreußen vergessen worden.

Wir haben noch einige Notizen aus dem in der Frankfurter Gene-
ralversammlung erstatteten Geschäftsbericht nachzutragen. Aus dem-
selben ergibt sich, daß für das Jahr 1864 vom 17. Sept. 1863
bis 19. October 1865 im Ganzen abgerechnet haben 303 Agenten mit
17,862 Mitgliedern. Im Rückstand befinden sich noch 64 Agenten mit
3,160 Mitgliedern. Hiernach würde sich eine Gesammtzahl von 21,022
Mitgliedern ergeben.*)
Die 17,862 Mitglieder, für welche abgerechnet ist, vertheilen sich
nach Staaten wie folgt:

Altenburg . 58
Anhalt.143
Baden.752
Baiern.264
Braunschweig.224
Bremen.708
Coburg-Gotha.306
Frankfurt a. M.342
Hamburg.802
Hannover.1157
Großherzogthum Hessen.1383
Kurhessen ...".278
Lübeck.183
Luxemburg. 1
Mecklenburg. 87
Meiningen.109
Nassau.493
Oesterreich. 1
Oldenburg.265
Preußen. 8355
Reuß-Greiz-Schleiz.261
Sachsen (Königreich).454
Schleswig-Holstein .326
Schwarzburg.113
Waldeck.100
Weimar.235
Würtemberg. 82
Ausland.. . 380
Summa . . 17,862
Der Vermögensbestand deö Vereins stellte sich am 27. Oct. 1865
Guthaben bei der Coburger Bank mit
Zinsen bis 15. October d. I. . . fl. 9,014. 50.
Guthaben bei der Frankfurter Vereinsbank „ 6,200. —
Geleistete Vorschüsse. 1,750. —
Caution des Wochenblattes.„ 800. —
Bibliothek.„ 264. 16.
Inventar.„ 606. 43.
Ausstände des Vereinsverlags im Buch-
handel .„ 2,354. 3.
Ausstände des Wochenblattes im Buch-
handel .„ 1,215. —
Cassa-Saldo am 15. October . . . . „ 413. 45.
Einnahmen vom 16. bis 27. October (ab-
züglich der Ausgaben).„ 1,868. 39.
st. 24,487. 16.

Der von Seiten des Vorstandes an die Generalversammlung er-
stattete politische Bericht, wird in den nächsten Tagen, als Flugschrift X.
des Natwnalvereius, an dessen Mitglieder vertheilt werden.
— Der stenographische Bericht der Generalversammlung wird
im Laufe dieser Woche erscheinen und der nächsten Nummer des Wochen-
blatts als Beilage beigegcben werden. Die verhältnißmäßige Verzögerung
seines Erscheinens ist dadurch verursacht, daß die Versammlung spät
Abends zu Ende ging und die meisten Redner schon früh Morgens ab-
reisten, so daß es denselben nicht möglich war, die Stenogramme durch-
zusehen. Es mußten daher wenigstens diejenigen darunter, welche
offenbare Unrichtigkeiten oder Lücken enthielten, den Rednern nachge-
schickt werden.
Lübeck, deu 27. October 1865. Am 24. October hielten die Mit-
glieder des Nationalvereins zu Lübeck eine Versammlung. Es wurde
zuerst mitgetheilt, daß die Zahl derselben jetzt 125 betrage, und dann zur
Neuwahl der geschäftssührenden Mitglieder geschritten. Generalagent
Wichmann als Vorsitzender, und Oberlehrer Sartori als Schrift-
führer wurden wieder erwählt. Das Amt eines Kassenführers, welches
Hr. Helmden niederzulegen wünschte, übernahm Hr. G. G. Dittm ar.
Die in Lübeck und vielen andern Orten von den Mitgliedern des
Nationalvereins beschlossenen Anträge an die Generalversammlung sind
uns fast alle zu spät zngegangen, um noch vor Abhaltung der Ver-
sammlung veröffentlich: werden; hintendrein aber haben sie entweder
durch Beseitigung oder durch Erledigung anfgehört, ein Gegenstand des
Tagesinteressc's zu sein.

*') In Folge eines Additionsfehlers war die Gesammtzahl der Mitglieder ui den
ersten Exemplaren des Geschäftsberichts um io zu wenig angegeben.
 
Annotationen