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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Braun, Joseph: Zwei Tragaltärchen im Münster zu Freiburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0035

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1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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dene Stanzen zur Verwendung gekommen. Die
Montierung des zweiten Portatile ist mit Be-
nutzung von Puntzen aus freier Hand ornamen-
tiert worden. Die Unebenheiten und Verschie-
denheiten in den Verzierungen, besonders aber
einzelne Korrekturen der Arbeit lassen das
deutlich erkennen.

Wer die Portatilien zuerst sieht, auf den
machen sie den Eindruck, als sei ihre Beklei-
dung nicht eigens für sie angefertigt, sondern
irgend einem andern Gegenstand entnommen
und nur für sie, soweit nötig, zurecht gemacht
worden. Eine nähere Prüfung der ganzen An-

fertigen dasselbe, indem er es bis auf die noch
vorhandenen Reste ausschnitt.

Als Entstehungszeit wird für das erste der
beiden Portatilien wohl die erste Hälfte des XIII.
Jahrh. anzusetzen sein. Der Stil der Orna-
mente ist noch durchaus romanisch; von goti-
scher Formsprache gewahrt man bei ihnen
keine Spur. Andererseits aber befinden sich
dieselben in einem so vorgeschrittenen Sta-
dium der Ausbildung, dafs man das Portatile
wohl kaum mehr als eine Frucht des XII.
Jahrh. betrachten kann. Schwieriger ist es, das
zweite Tragaltärchen zu datieren. Dem XIII.

Abb 3. (Unterseite

Ordnung der Ornamente und verschiedener
Einzelheiten in der Ausführung lassen indessen
das Gegenteil als das Wahrscheinliche, um nicht
zu sagen, das Richtige erscheinen. Besonders
sei auf einen sehr bezeichnenden Umstand auf-
merksam gemacht. Auf der Oberseite des
Portatile Nr. 1 (Abb. 1) finden sich an der Beklei-
dung einer der Schmalseiten nach dem Stein zu
in den Ecken Reste eines Ornaments, während
solche an den entsprechenden Stellen der
zweiten völlig fehlen. Der Künstler hatte
offenbar ursprünglich beabsichtigt, dem Rahmen-
fries hier eine gröfsere Breite zu geben. Da er
aber gewahrte, dafs in diesem Falle der Stein
zu sehr bedeckt werde, stand er von seinem
Plane ab, liefs an der zweiten Schmalseite das
Ornament weg und entfernte an der bereits

der Tragaltärchen.) Abb. 4.

Jahrh. wagen wir es angesichts des altertümeln-
den Charakters der Ornamente nicht mehr zu-
zuweisen. Andererseits liegt kein genügender
Grund vor, es dem XI. Jahrh. zuzuschreiben,
wiewohl es keine Elemente enthält, welche eine
solche Datierung schlechterdings als undenkbar
erscheinen liefsen. Am zutreffendsten dürfte es
daher sein, dafür das XII. Jahrh. anzusetzen.

Die beiden Freiburger Portatilien können sich
in kunsthistorischer Bedeutung gewifs nicht mit
manchen anderen messen; immerhin sind sie so-
wohl als Tragaltärchen wie hinsichtlich der Eigen-
art ihrer ornamentalen Ausstattung, für die wir bis
jetzt ein Gegenstück nicht gefunden haben, inter-
essant genug, um der Verborgenheit entrissen und
weiteren Kreisen bekannt gegeben zu werden.

Luxemburg. Joseph Braun.
 
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