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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Beissel, Stephan: Holzkirchen in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0039

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1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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sämtlich dasselbe Planschema, einen recht-
eckigen Raum für die Gemeinde in Verbindung
mit einem polygon geschlossenen Altarhause
und einer Vorhalle im Westen, über der sich
bei einigen Kirchen ein niedriger Turmbau
in Bindwerk erhebt, die übrigen tragen über
dem Westgiebel nur einen kleinen Dachreiter.
Einige dieser Kirchen besitzen in dem Winkel
zwischen Gemeinderaum und Altarhaus noch
niedrige Anbauten, von denen einer als Sakristei
dient, bei den übrigen ist dieselbe hinter dem
Hochaltare untergebracht; die Glocken hängen
zumeist in niedrigen, abseits stehenden Holz-
türmen. Im Äufsern sind sämtliche Holz-
kirchen des besseren Schutzes wegen mit rauhen
Brettern bekleidet, im Innern ist das Schurzholz
sichtbar; die Decken sind teils als Balken-
decken, theils als flache Holztonnen ausgebildet;
Schmuckformen finden sich weder im Innern
noch im Äufsern dieser Kirchen, die lediglich
als Bedürfnisbauten zu bezeichnen sind."20)
Reich an nachmittelalterlichen Holzkirchen
ist Schlesien. Beispielsweise fanden sich in den
zwölf Archipresbyteraten des Archidiakonates
Oppeln im Jahre 1687:

Steinerne Gotteshäuser:
8, 12, 9, 3, 14, 1, 6, 3, 16, 15, 8, 7.
Schrotholzkirchen:
22, 10, 19, 18, 28, 18, 44, 13, 4, 9, 12, 2.
„Die Schrotholzkirchen sind für die Physiog-
nomie des Landes wesentlich. Meist in freund-
licher Umgebung, von Linden und Rüstern,
zum Teil prachtvoll entwickelten Exemplaren,
umschattet, bilden sie den schönsten Mittelpunkt
der von Laubkronen eingeschlossenen, deutsch
angelegten, von Polen bewohnten Dörfer, vom
Getriebe des Strafsenlärms geschieden, eine
elegische Welt für sich, ganz angepafst der
schlichten Art der nicht unbegabten aber un-
entwickelten Dorfinsassen der oberschlesischen
Landschaft, ein Seitenstück zu dem hier noch
gern gepflegten Volkslied."

Die Holzkirchen bestehen in der Regel aus
drei Abschnitten, dem geböschten, bretterbe-
kleideten Fachwerksturm, dem Langhause und
dem nach drei Seiten des Achteckes oder
Sechseckes geschlossenen, meist eingezogenem
Chore. Jeder Bauteil liegt meist unter einem
besonderen Dache. Vielfache Anbauten unter

20) Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz West-
preufsen, (Danzig, Kafemann) II, 323 f. Vgl. I, 9,
77, 153, 260, 308; II. 99, 466, 601; III, 8.

Schleppdächern verstärken den malerischen
Eindruck. Wallfahrtskirchen sind von Hallen
umgeben, die zum Schutze der Pilger dienen.
In Grofs-Döhren ist die Westhalle sogar zwei-
geschossig.

Im Innern ist die Decke gerade oder als
Tonne gebildet, ohne Gliederung, nur ist zu-
weilen der an die Umfassungswänden anstofsende
Deckenteil wagerecht gehalten.

Die gegen den Chor geöffnete Ostwand des
Langhauses ist gewöhnlich etwa 2 m unter der
Decke durch einen Ankerbalken versteift, der
als Triumphbalken dient und ein Kruzifix trägt.
Er, die Stützen der Emporen und die Tür-
gewände sind die einzigen Stellen, an denen
spärliches Schnitzwerk sich findet. Über das
XVI. Jahrh. reichen die ältesten uns erhaltenen
Holzkirchen Schlesiens nicht hinauf.21) Auch
Böhmen, Mähren und Galizien sind mit Holz-
kirchen übersät, deren Typus mit den der
norwegischen im wesentlichen übereinstimmt,
Keine der vorhandenen scheint noch aus dem
Mittelalter zu stammen.22)

Nachdem im vorstehenden das Wichtigste
zusammengestellt ist, was die Quellen über
ältere deutsche Holzkirchen melden, müssen
einige in den Kunstgeschichten mehr oder
weniger häufig wiederholten Nachrichten über
solche Kirchen berichtigt werden. Wie vor-
sichtig man beim Gebrauche alter Quellen in
Verwertung von Nachrichten über Bautätigkeit
sein 'mufs, lehrt eine Äufserung des Bischofes
Audoen von Rouen (f 683). Er meldet nämlich
das Kloster Solignac sei durch eine runde
„Mauer" umschlossen gewesen. Liest man
aber weiter, so erfährt man, diese Mauer habe
nicht aus Steinen bestanden, sondern aus einem
Graben und einer Wallhecke.28)

al) Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz
Schlesien II, 294, 518 f.; III, 173, 330; IV, 5, 201.

M) Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission I
(1856) 246 f ; in (1858) 85 f.; VI. S. XXVI f.,
LXXI, LXXXIX, CXLV; X S. CXXXII f.; XII, 1 f.;
XIV, 227 f; XVII, 251, 262; XVIII, 68; XX,
122 f.; XXIII, 168 f., 230. Vergl. Otte »Kunst-
Archäologie« 5. Aufl. I, 31 f., 71; Liebold »Die
mittelalterliche Holzarchitektur in Niedersachsen«,
(Halle 1874); Bötticher »Die Holzarchitektur des
Mittelalters«. Ernst und Korn ^ Berlin 1856); Glad-
bach »Der schweizer Holzbau« (Zürich 1885);
Cuuo und Schäfer »Holzarchitektur vom XIV. bis
XVIII. Jahrh.«, Berlin u. s. w.

23) Vita s. Eligii c. 16, Migne LXXXVII, 491
Ambitur vero(monasterium)sphaerico muro, non quidem
 
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