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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Moeller, Ernst von: Strauß und Kranich als Attribute der Gerechtigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0054

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77

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 3.

78

nämlich ist vor einem Palmbaum, von dem
rechts ein Rutenbündel mit Beil herabhängt,
ein Straufs abgebildet; und ein Band darüber
trägt die Inschrift: IVSTITIA. Von Bedeu-
tung sind die Worte des Titelblattes: „Ex
musaeo Octavii de Strada civis Romani", an
deren Stelle auf dem Titelblatte zum zweiten
Bande7) noch vollständiger bemerkt ist: „Ex
museo Octauii de Strade civis Romani simbola
desumpta sunt." Die Kupferstiche sind von
Aegidius Sadeler.

Die sämtlichen Beispiele, die wir hier
nennen konnten, weisen nach Italien, gröfsten-
teils nach Rom. Keins scheint jenseit des
XVI. Jahrh. entstanden zu sein.8)

Erklärungen dieses merkwürdigen Attributs
sind wiederholt versucht worden.

Barbier de Montault hat das Verdienst, zu-
erst in neuerer Zeit wieder auf das Vorkommen
des Straufs' neben der Justitia aufmerksam ge-
macht zu haben. Mehrere der vorher genannten
Beispiele sind durch ihn ans Licht gezogen
worden. Aber das Rätsel selbst hat er nicht
gelöst.

In der Revue de l'art chrdtien9) vom Jahre
1863 verzichtete er auf jede Deutung. Er be-
gnügte sich festzustellen, dafs in den Bestiarien
des Mittelalters der Straufs nicht Sinnbild der
Gerechtigkeit, sondern einer anderen Tugend
sei. Denn dort heifse es: „Li östliche est exam-
ple del home qui vit en carite" est es pacious
et humles, et soffrans et pitious." Aufserdem
bemerkte er nur noch, dafs man auch aus den
Formulae minores S. Eucherii nicht klüger
werde; denn sie machten aus dem Straufs ein
Symbol des Philosophen und Ketzers, — eine
Auffassung übrigens, die er bei zahlreichen
Kirchenvätern hätte finden können. Denselben
negativen Standpunkt vertritt er im Jahre 1890
in seinem Traue" d'iconographie chrötienne10):
die Bestiarien geben keinen Aufschlufs.

Dagegen hat Barbier de Montault ein Jahr
zuvor im zweiten Bande seiner Oeuvres com-
pletes11) eine positive Vermutung gewagt.

In der Liturgie kommen die Worte vor:
„Vere dignum et just um est, aequum et

7) (Prag 1602.)

8) Barbier de Montault »Traite' d'iconographie
chr&iennet I. (1890) p. 221.

°) VII, p. 500, n. 1.

10) I, p. 221.

") II, (1889) p. 53, n. 1.

salutare, Te quidem, Domine, omni tempore,
sed in hoc potissimum gloriosius praedicare."
Nach Jesaias 43, 20 kommt es aber gerade dem
Straufs zu, Gott für seine Wohltaten zu preisen:
„Glorificabit me bestia agri, dracones et stru-
thiones: quia dedi in deserto aquas, flumina
in invio, ut darem potum populo meo, electo
meo." Diese beiden Stellen, sagt Barbier, hat
man in Beziehung gesetzt, als man den Straufs
der Justitia als Attribut gab, oder ich weifs
nicht, warum man es tat.

Die Vorbehalte, die Barbier seiner Erklärung
beifügt, sind nur zu sehr am Platz. Weil es
„recht und würdig" ist, den Herrn zu preisen
und weil die Tiere des Feldes, Drachen und
Straufse den Herrn preisen sollen, darum soll
der Straufs Attribut der Gerechtigkeit geworden
sein ? Als ob auch nur mit dem Worte „justum"
die spezielle Tugend der Gerechtigkeit gemeint
wäre! Einer Widerlegung bedarf diese Er-
klärung nicht, sie ist schlimmer als gar keine.
Ähnlich steht es mit der Meinung, die Gri-
mouard de St. Laurent12) 1873 geäufsert hat.
Ihm scheint es Barbier gegenüber doch nicht
ausgeschlossen, dafs das Attribut auf die Besti-
arien zurückzuführen ist. An einer Stelle der-
selben18) werde gesagt: Wie die blofse Sonnen-
wärme die Eier des Straufs' zum Aufspringen
bringt, so wird die Seele des Christen im Leben
durch die Sonne der Gerechtigkeit gehegt und
gehütet; und wie der Straufs seine Eier ein-
fach der Sorge der Vorsehung überläfst, schickt
es sich

A home que Deu fist resnable

Et connaissant et entendable

D'oublier les choses terrestres

Pur aveir les gloires Celestes.

„L'autruche", meint Grimouard, „impliquerait
donc l'idde de justice, dans le sens de ce qui
est du ä Dieu meme." Er findet es über-
raschend, dafs der christliche Gedanke in der
Zeit der Renaissance zu dieser Höhe sich
emporgeschwungen hat. Er ist geneigt, RafFael
für den Vater unseres neuen Attributs zu er-
klären; denn er rechnet mit der Möglichkeit,
dafs die Justitia des Konstantin-Saals von ihm
gemalt sei.

Auch diese Erklärung bringt uns dem Ver-
ständnis auch nicht einen Schritt näher. Es

") »Guide de l'art chr&ien« III, p. 457 f.
ls) cf. »Melanges d'archlologie« ed. Cahier et Martin
II, (1851) p. 197.
 
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