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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Braun, Joseph: Das Rationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0070

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103

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 4.

104

endlich ist meines Erachtens auch in dem In-
ventar von Speier gemeint.

Rationalien im Sinne eines auf der Brust
über der Kasel befestigten bischöflichen Brust-
schildes haben sich aus dem Mittelalter nicht
erhalten. Dagegen gibt es eine Anzahl von
Bischofsdarstellungen aus
dem XII. u. XIII. Jahrh.,
welche das Rationale auf-
weisen und treffliche Illu-
strationen zu den Ausfüh-
rungen eines Ivo und Ho-
norius. sowie zu den An-
gaben der Inventare von I
Speier, Reims und Prag
bilden. So findet sich der
Brustschmuck beispiels-
weise auf den Siegeln der
Münsterischen Bischöfe
Werner (f 1151), Ludolf
(fl248), Wilhelm (f 1260),
der Paderborner Bischöfe
Bernhard III. (f 1223),
Bernhard IV. (f 1247), Si-
mon I. (f 1277), der Min-
dener Bischöfe Johann (f
1253), Wilhelm I.(f 1242)
u. Widekindl.(tl261),20)
der Mainzer Erzbischöfe
Christian (f 1251), Ger-
hard I. (-;-1259), Werner
(fl284)21) und des Main-
zer Domstiftes (Abb. 2).
Auch auf sonstigen Monu-
menten begegnet es uns
nicht selten. Wir erwäh-
nen hier nur die drei aus
Maestricht stammenden
Reliquiare des Musde Cin-
quentenaire zu Brüssel mit
den Darstellungen der
Heiligen Monulphus, Gon-
dulphus und Valentin,2'2)

Abb. 2. Siegel des Mainzer Domstiftes. (XIII. Jahrh.)

die Statuette des hl. Servatius am Kopfende des
Schreines des Heiligen in der St. Servatiuskirche
zu Maestricht, die Statue des hl. Gregor d. Gr.

am Südportal der Kathedrale von Chartres und
ganz besonders die Darstellung des hl. Cle-
mens am Portal des Querschiffes der Reimser
Kathedrale,24) die Papstfigur am Hauptportal
und die nach deren Vorbild gearbeitete Grab-
statue Clemens IL im Dom zu Bamberg.

Der Brustschmuck, den
wir auf den genannten
Bildwerken antreffen, ist
meist von rechteckiger
Form, doch auch wohl
rund. Er ist bald gröfser,
bald kleiner, immer aber
reich verziert, zumal mit
Steinen. Angebracht ist
er oben über der Kasel
hart unter dem Kopf-
durchlafs. Es erscheint
fast immer im Einklang
mit den Angaben Hono-
rius von Autun an der
Kasel befestigt zu sein.
Bei der Clemensstatue am
Portal des Querbaues der
Kathedrale von Reims
hängt das Rationale an
Kettchen, die unter der
Parura des Amicts ver-
schwinden. Dafs man das
Rationale wirklich wohl
am Amict befestigte, er-
sehen wir aus dem Sakra-
mentar Ratolds. Denn
wenn es darin heifst, es
solle der Diakon den
Bischof nach Anlegung
der Kasel mit dem Ra-
tionale versehen, cohae-
rens vinetim superhume-
rali, so ist, wie sich aus
den voraufgehenden An-
gaben des Sakramentars
ergibt, unter diesem su-

**) Abbildungen in »Die westfälischen Siegel des
Mittelalters« (Münster 1882 und 1885). Tafel 1 \
43 2; 44 3; 49 S2,3; 54 3, 6, 6.

*') Abbildungen bei Würdtwein, Nova subsid.
dipl. III, tab. 18; IV. tab. 20.

**) Abb. bei J. Destr£e. Les musles royaux du
Parc du Cinquentenaire a Bruxelles, Livraisou 5.

23) Abb. bei Dr. F. Bock und M. Wille msen,
»Die mittelalterlichen Kunst- und Reliquienschätze zu
Maestricht« S. 47.

*4) Die Statuen zeigen, wie wir uns die Verbindung
von Pallium und Rationale bei dem Patriarchen Poppo
von Aquileja zu denken haben. Neueste Abbildungen
A. Weese, Die Bamberger Domskulpturen, Abb.
32, 33; Die Bamberger Clemensstatue, auch bei
H a s a k, » Geschichte der deutschen Bildhauerkunst des
XIII. Jahrh.«, S. 64.
 
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