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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Braun, Joseph: Das Rationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0072

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107

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 4.

108

Vielleicht übrigens, dafs das Rationale auch
mit dem Encolpion der griechischen Bischöfe,
einem mit Reliquien gefüllten, an einer Kette
um den Hals hangenden Brustschmuck, in irgend
einem Zusammenhange steht. Ein Encolpion
dieser Art schickte Patriarch Nicephorus von
Konstantinopel mitsamt verschiedenen liturgi-
schen Gewändern Papst Leo III. (795—816)
zum Geschenk.27) Der Umstand, dafs selbiges
in Begleitung sakraler Gewänder (Kasel, Stola
etc.) erscheint, legt die Vermutung nahe, dafs
es ebenfalls ein liturgisches Ornatstück gewesen
sei. Ein solches Encolpion mag das Ratio-
nale gewesen sein, welches Gebhard von Salz-
burg von seinem Aufenthalt
in Byzanz mit nach Hause
brachte.

Das Rationale im Sinne
eines Brustschmuckes ver-
schwindet in der zweiten
Hälfte des XIII. Jahrh. von
den Bildwerken. In der
Praxis dürfte es sich aber,
wie aus dem Prager Inventar
hervorgeht, vereinzelt, noch
eine Weile länger erhalten
haben.

III.

Nicht ein Brustschmuck,
sondern eine Art Schulter-
kleid oder wohl besser ein
Gegenstück zum erzbischöf-
lichen Pallium ist gemeint,
wenn Innocenz II. den Bi-
schöfen Bernhard von Pader-
born und Adalbero von Lüttich das Recht
verleiht, sich an gewissen Tagen bei der Messe
des Rationales zu bedienen. Die betreffenden
Bullen deuten das selbst genugsam an, sofern
sie das Rationale, dessen Gebrauch sie ge-
statten, durchaus nach Analogie des Palliums
behandeln. Ganz klar aber erhellt es aus dem
Umstand, dafs tatsächlich im Mittelalter sowohl
bei den Paderborner wie den Lütticher Bi-
schöfen ein besonderes liturgisches Schulter-
gewand zum Pontifikalornat gehörte und in
Paderborn gegenwärtig noch gehört.

Ein solches Schulterkleid ist offenbar im
St. Galler Codex gemeint. Auch das Rationale,

Abb. 4. Grabfigur des Bischofs Heinrich von Abs-
berg (t 1491) im Dom zu Regensburg,

virtutum coruscare, duodeeim apostolos sanetitate imi-
tari, totius populi in sacrificio recordari.
*i) Migne, P. 1. CII, 1067.

welches Calixt IL dem Bischof Dietrich von
Naumburg gewährt, wird von dieser Art gewesen
sein. Sicher ist das bezüglich des Rationales, von
dem Bischof Philipp von Eichstätt in der Vita S.
Willibaldi berichtet und das er als vom hl. Boni-
fazius dem hl. Willibald und seinen Nachfolgern
verliehen hinstellt. Das bezeugen nicht nur
zahlreiche Monumente, namentlich aber die
Miniaturen des Pontificales Gundekars IL, es
bildet wie zu Paderborn so auch zu Eichstätt
noch jetzt ein Rationale genanntes Schulterkleid
einen Bestandteil der Pontifikalgewandung.

Von sonstigen deutschen Bischöfen scheinen
fast nur noch die Bischöfe von Regensburg, Würz-
burg und Bamberg sich eines
Rationales dieser Art bedient
zu haben. Für Würzburg und
Regensburg lassen die Monu-
mente, insbesondere die
Siegel und Grabmäler, daran
keinen Zweifel. Auf den
Würzburger Bischofssiegeln
erscheint das Rationale zu-
erst bei Emehard von Ro-
thenburg (1088—1104) und
erhält sich auf denselben bis
auf Gottfried von Hohenlohe
(1314—1322). Von da ab
wird es in fast ununter-
brochener Folge durch die
Grabmäler der Würzburgi-
schen Bischöfe bezeugt. Die
Reihe derselben beginnt mit

Mangold von Neuenburg
(fl303); mit Johann Gottfried
von Aschhausen (1617—1622) tritt das Pallium
an Stelle des Rationales. Bei der Grabfigur
Mangolds von Neuenburg ist das Ornatstück
in Malerei, bei den folgenden Bischöfen in
Skulptur dargestellt (Abb. 3).

Auf den Regensburger Siegeln begegnet uns
das Rationale zuerst, wie es scheint, bei Hart-
wig I. (1106—1126),28) es erhält sich auf den-

*8) Eine Miniatur in dem aus Niedermllnster zu
Kegensburg stammenden, Utacodex (MUnch. Staatsbibl.
Cim. M) könnte auf die Vermutung führen, es sei be-
reits zur Entstehungszeit desselben (Beginn des XI.
Jahrh.) das Rationale bei den Regensburger Bischöfen
in Gebrauch gewesen. Allein eine solche ist durchaus
irrig. Die Miniatur stellt den hl. Erhard in merkwür-
diger Verquickung bischöflicher und hohenpriester-
licher Tracht dar. Wie aus dem Kopfbund und der
dreieckigen goldenen Stirnscheibe des Heiligen nicht
 
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