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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Effmann, Wilhelm: Die Kirche von Valeria zu Sitten und ihr Lettner
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0087

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131

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

132

Kathedralkirche war,8) dafs endlich das be-
festigte Schlofs, in dessen Mitte sie stand,
die alte Residenz des Domkapitels von Sitten
war und dies geblieben ist, bis die im Jahre
1798 erfolgte Zerstörung des Schlosses durch
die Franzosen ein Verlassen desselben nötig
machte,4) alles dies weist darauf hin, dafs bei
der Verlegung des Bischofsitzes von Octodu-
rum nach Sedunum, wie anderwärts, so auch
hier die Kirche mit ihren Einrichtungen sich
auf einer Stätte niedergelassen hat, welche alte
Römermacht und alte Römerherrlichkeit mit
ihrem Nimbus umgab.

Ein Bild von der Lage der Kirche geben
die in Abb. 1 und 2 mitgeteilten Ansichten von
Sitten.5) Abb. 1 zeigt uns die Stadt amphithea-

3) . . : quae dicuntur esse cathedrales, so heifst
es von der Kirche auf Valeria und der unten in der
Stadt belegenen Domkirche in einer Urkunde vom
Jahre 12G2. Gremaud, Documents relatifs ä l'histoire
de Valais. To-
me I, Lau.

sänne 1875,
S. 66, Nr. 684.

4) In der
»Botschaft be-
treffend den

Unterhalt von
Valeria, vor-
gelegt durch
den Staatsrat
dem grofsen
Rate des Kan.
ton Wallis,
Maitagung
1891« findet
sich Seite 6—8 eine anschauliche Schilderung der auf
Valeria ehedem bestehenden Verhältnisse: „Im Besitze
zahlreicher Lehnsherrschaften übte das Kapitel auf
Valeria unumschränkte Gerichtsbarkeit und Asylrecht
aus. Ein Domherr war Kastellan des Schlosses. Als
eigentliche Ritterburg besafs das Schlofs sein Boll-
werk, seine Wachttürme, seine Kriegsmaschinen, wie
Steinschleuder und Wurfgeschütze, seinen Vorrat an
Schilden, KUrassen, Helmen, Bögen und Pfeilen.

Das Schlofs war nur durch den nordöstlichen Turm
zugänglich, welcher hinwieder durch einen in den
Felsen gehauenen Graben geschützt war, über den
eine Fallbrücke führte, während ein eisernes Falltor
den Eingang verwehrte. Nur mit Erlaubnis des
Kastellans und während der Nacht nur mit Zustim-
mung der Domherrn wurde dem Fremden Zutritt zu
dieser fürstlichen Wohnung gestattet, und es hatte
dieser seine Waffen dem Hüter des ersten Tores ab-
zuliefern. Um zu der obern Terrasse zu gelangen,
mufste man zwei weitere, mit starken Toren befestigte
und von Hütern bewachte Umzäunungen übersteigen.
Der von dieser Eingangstür ausgehende steile Abhang
des Weges führte zur zweiten Umzäunung, genannt
„beschlagene Türe". Zur Rechten des Abhanges be-

Abb. 2.

tralisch aufgebaut am Fufse der im Osten
majestätisch sich erhebenden Bergkuppen von
Tourbillon und Valeria. Auf der linken Seite
Tourbillon mit den Ruinen eines zu Ende des
XIII. Jahrh. erbauten, 1788 durch eine Feuers-
brunst zerstörten, bis dahin dem Bischöfe von
Sitten als Residenz dienenden Schlosses; zur
Rechten die Felskuppe von Valeria mit der Kirche
und den zum Teil in Trümmern liegenden,

finden sich die zum Teil in den Felsen eingehauenen
alten Gebäude, mit interessanten Freskomalereien.. . .
Unter der gegenwärtigen Sakristei befanden sich
die zur Gerichtsbarkeit gehörenden Gefängnisse. West-
lich von der Kirche sieht man noch eine Hand- und
Windmühle. Alles machte Valeria zu einem eigent-
lichen Ka-
stell; dem-
nach sah
auch seine
Bewachung
aus. Der
Bischofwar
berechtigt
in Kriegs-
zeiten sich
dahin zu-
rückzu-
ziehen, al-
lein er durf-
te ohne Er-
mächtigung
des Kapi-
tels nicht
mehr als 2
Vertraute
zu seiner
Bedienung
halten."

Gemäfs einer zwischen 1212—1216 liegenden Ur-
kunde (Gremaud a. a. O. S. 171, Nr. 230) wurde
bestimmt, dafs alle Kanoniker von Sitten in Valeria
residieren mufsten (sacramento astricti sunt apud Va-
leriana residenciam facere) mit Ausnahme von vier,
die den Gottesdienst in der „unteren Kirche" wahr-
zunehmen hätten. Späterhin gestaltete sich das Ver-
hältnis so, dafs von den 24 residierenden Domherrn,
aus denen das Kapitel bestand, die Hälfte auf Valeria
und die andern in der Stadt wohnten; im Anfange
des XIX. Jahrh. wurde die Zahl auf die Hälfte ver-
mindert und der Chordienst auf die untere Kathedrale
eingeschränkt. Von 1818 — 1870 dienten die Gebäu-
lichkeiten auf Valeria zum Priesterseniinar. Mit Aus-
nahme der dem Wächter eingeräumten Wohnung und
des früheren Kaiendsaales, in dem das kleine, aber
wertvolle Seltenheiten bergende kantonale Altertums-
museum untergebracht worden ist, stehen dieselben
seitdem leer.

6) Die Clich^s zu den Abbildungen 1—4, die aus
dem in Note 1 genannten Werke von Büchi herüber-
genommen worden sind, sind von der Allgemeinen
Verlagsgesellschaft in München in dankenswerter Weise
zur Verfügung gestellt worden.

Ansicht des Domes von Sitten mit den Bergkuppen von Tourbillon und Valeria
im Hintergründe.
 
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