Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

DOI Artikel:
Buchner, Otto: Die metallenen Grabplatten des Erfurter Domes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0111

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
173

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr.

174

des Individuums als solche mehr hervortreten
zu lassen und es zu statuarisch abgeklärter Un-
persönlichkeit und Typik zu steigern.

Diese Richtung vertritt weiter das Denkmal
des 1499 gestorbenen Kanonikus Konrad
Stein, aufgestellt innen an der Südwand des
Domes. Es zeigt die Figur des Gestorbenen,
die in einen 2,21 X 1,41 m messenden Stein
mit Inschriftrand und Evangelisten-Eckme-
daillons eingelassen ist. (Abb. 5.)

Der Geistliche steht
nach rechts gewendet,
aufeinerganzeinfachen,
kleinen Fufsplatte, sein
mit dem Barett be-
decktes Haupt ist ge-
senkt, um in das von
der Rechten gehaltene
Buch zu schauen, in
das die Linke blätternd
fafst. Das linke Bein,
als Spielbein, tritt am
Knie unter der schwe-
ren Gewandung her-
vor. Die Füfse sind
verdeckt. Auf der
Fufsplatte steht ein
Wappenschild mit ei-
nem schön stilisierten
Lilienstengel.

Der Verstorbene ist
als kurzer, gedrungener
Mann gebildet, mit
charaktervollem, ener-
gischen Kopf und brei-
ter von Locken an
den Seiten umrahmter
Stirn. Die starke Nase,
der volle weiche Mund
und das schwere, schlaffe Kinn scheinen
so individuell, dafs Porträt Wirkung erreicht
wird. Auch die vollen Backen, der kurze
mächtige Hals lassen auf ein Porträt schliefsen.
Weniger charaktervoll und flau in der Be-
tätigung sind die grofsen Hände. Die das
Spielbein andeutende Falte am linken Knie
wie sie gern auch der Holzplastik der Zeit
eigen ist, bildet die einzige Schräge in den
langen parallelen Senkrechten des Talars. Hierzu
tritt in höchst wirkungsvollen Gegensatz der
schwere, starre Stoff der Mozetta mit seinen
kantigen, scharfen Brüchen und der rundlichen

Abb.

Pelzzaddelung. Eine einfachere und dabei
klarere Gliederung der Gewandung ist eigent-
lich so gut wie unmöglich. Wird durch sie
auf einen ruhigen, feierlichen Eindruck hinge-
arbeitet, so noch mehr durch den erstaunlich
vereinfachten Kontur der Figur selbst. Wie
meisterhaft er durchgeführt ist, wie er trotz aller
Geradlinigkeit doch belebt und schwungvoll
erscheint, tritt bei einem Vergleich mit dem
Kontur des Hunold von Plettenberg ins vor-
teilhafteste Licht. Dort
noch ein allerdings
zum Teil durch die

Technik gefordertes
Suchen nach ruhigen
Linien, hier deren be-
wufste Anwendung.
Diese Abgeklärtheit
und statuarische Ruhe
bedingen den Ein-
druck des durch seine
Gröfse an sich gar nicht
überwältigenden Denk-
mals, in dem jede Er-
innerung an die Gotik
verlöscht zu sein
scheint. Im Gufs sehr
geschickt durchgeführt,
von tiefdunkler gleich-
mäfsiger Patina über-
zogen, ist es nachzise-
liert, aber so zart, dafs
die eingeritzten Linien,
vor allem die der
Sammetmozetta und
des ledergeprefsten
Buchdeckels, die Ge-
samtwirkung nicht be-
einträchtigen.
Der Einfachheit des Figürlichen entspricht
die der Umrahmung, der Buchstabenform und
der Vierpässe mit den Evangelistensymbolen.
Auf deren Spruchbänder waren beim Denkmal
des Plettenberg noch die Anfangsworte der
betr. Evangelien eingegraben, auch war dort
die Form der Medaillons, ähnlich denen des
Gerbstädt, unruhiger und reicher gebildet; hier
ist die ganz einfache und schlichte Form des
Vierpasses wieder aufgenommen. Also auch
hierin eine für die Zeit auffallende Beschrän-
kung und ein Streben nach Vereinfachung. Sehr
ungeschickt ist die Figur in den Stein einge-

Konrad von Steit
 
Annotationen