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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Buchner, Otto: Die metallenen Grabplatten des Erfurter Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0114

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179

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

180

vom Inschriftrand abweichend — schon zu Leb-
zeiten des Bischofs bestellt und gegossen wurde.
Der Bischof steht in gerader Haltung da;
nur sein Haupt ist unmerklich zur Seite ge-
neigt. Obwohl das Gesicht ganz von vorn ge-
bildet ist, scheint die Mitra leicht von der Seite
gesehen, eine an sich zwar unwesentliche, aber
nicht unwirksame Achsenverschiebung. Mit
grofsem Geschick sind die schweren Gewänder
des Bischofs behandelt. Die von der Mitra
herabfallenden Bänder vermitteln sehr geschickt
den Übergang von dem kleinen, zierlichen
Kopf zu dem durch die feierliche Wucht der
Gewänder breit erscheinenden Körper. Ein
prunkvolles, kaum mehr gotisch zu nennendes
Kleinod schliefst den schweren, mit Edelstein-
borte besetzten Chormantel. In grofsen Linien
fliefst die Tunika fast glatt hernieder, in wir-
kungsvollen Gegensatz gebracht zur lebendig
und willkürlich gefältelten Alba. Dort ist die
Stoffbehandlung manieriert, gerade so wie unter-
halb des rechten Armes. Aber dadurch wird
sichtlich auf eine pathetische Wirkung hinge-
arbeitet, auf grofse dekorative Linien. Er-
sichtlich ist dies auch aus der Behandlung des
Humerale und der wie vom Wind bewegten
Säume des Pluviale. Jedoch ist durch den
Wechsel zwischen ruhigen und belebten Flächen
ein Ausgleich geschaffen, so dafs das feierliche
Pathos nicht gestört wird. So steht das
Denkmal als beachtenswerte künstlerische Lei-
stung da.

Durch hervorragende Porträtwirkung zeichnet
sich der Kopf des Bischofs aus. Wir schauen
in ein müdes, leidendes Gesicht mit dem Aus-
druck der Resignation und Krankheit. Zwar
haben die Augen einen beobachtenden Aus-
druck, indem deren Winkel emporgezogen sind
und die Nasenwurzel scharf herausmodelliert
ist, doch widersprechen die kleinen Augen mit
schweren Deckeln der in der Stirn- und Nasen-
partie sich äufsernden Energie. Die Backen-
knochen treten unter den welken Wangen
hervor; der kleine Mund zeigt schlaffe, hängende
Winkel. Weich und breit ist auch das faltige
Kinn angelegt. Von den Mundwinkeln zieht
sich ein manirierter Sehnenstrang zum Hals
hinunter. Dies alles verleiht dem Kopf leben-
digste Porträtwirkung, die mit dem in ihr an-
geschlagenen müden und elegischen Ton in der
Erfurter Plastik allein dasteht und an fränki-
sche Kunstübung anklingt.

Darauf hin weist auch die ganze pathetische
Auffassung und die Gewandbehandlung. Trotz
des Flachreliefs ist durch geschickte Modellie-
rung, ähnlich wie beim Denkmal des Stein
Tiefenwirkung erreicht. Das goldbraune Metall
zeigt merkwürdige Weichheit der Kanten, und
trotzdem ist der Eindruck nicht verschwommen,
die grofsen Linien wirken auch heute noch
siegreich, trotzdem die Platte durch Abschlei-
fung an Schärfe eingebüfst hat.

Wie beim Denkmal des Stein weisen also
die künstlerischen Beziehungen wiederum nach
Süden, nach Franken. Und wiederum bietet
ein im Dom zu Würzburg erhaltenes Werk,
die Grabplatte des Bischofs Lorenz von
Bibra, f 1519, die nächsten Anklänge; ein
Werk; (bereits von Lübke für Peter Vischer
in Anspruch genommen, dem sich Bode in
seiner deutschen Plastik S. 143) anschliefst.
Diese Platte ist repräsentativer und strenger
im Aufbau, da der Bischof Schwert und Stab
in beiden Händen zu halten hat. Bei dem
Titularbischof Johannes zu Erfurt wurde von
dem Künstler das genrehafte Motiv des Buch-
haltens zur Armbetätigung herbeigezogen. In
der Durchführung der Einzelzüge ergeben sich
nahe Beziehungen zwischen den Platten. Hier
wie dort die gleiche Porträtcharakteristik und
pathetische Auffassung. Auch die Baldachine
aus Rankenwerk haben einander entsprochen.
In der Reliefbehandlung beider Denkmale zeigt
sich eine weiche, flüssige Modellierung, wie sie
die des Kanonikus Stein nicht so ausgesprochen
und etwas trockener bietet. Dagegen spricht,
so sehr die Technik es nahe legt, die Art der
Zeichnung nicht für Peter Vischer selbst.

Für die „Visierung" der Würzburger Platte
hat denn auch Bode (S. 143) an Tilmann
Riemenschneider gedacht, mit dessen Gewand-
behandlung und Zeichnung er Verwandtschaft
feststellte. Nun geht jedoch die Erfurter Platte,
so eng auch sonst die Berührungen sind, über
die Würzburger in zeichnerischer Freiheit hin-
aus, auch wenn anderseits die gleichen schwung-
voll graziösen Initialen der Inschriften auf die
gleiche Werkstatt hinweisen. Die Würzburger
Platte ist nun neuerdings als zweifelloses Werk
der Vischerschen Giefserhütte durch Justi in
Anspruch genommen worden. Demnach darf
man die Erfurter Platte auch in die Erzeug-
nisse der berühmten Werkstatt einreihen. Das
gestattet u. a. die Vergleichung mit den Reliefs
 
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