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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Schnütgen, Alexander: Frühgotisches rheinisches Reliquienaltärchen mit bemalten Flügeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0125

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Abhandlungen.

Frühgotisches rheinisches Reliquien-
altärchen mit bemalten Flügeln.

(Mit Abbildung, Tafel.)

eliquienaltärchen in der Form
von Triptychen wurden schon
in der spätromanischen Pe-
riode, da die Altartische durch-
weg noch keinen Aufsatz hat-
ten, vereinzelt zum vorüber-
gehenden Schmuck derselben
verwendet, und nach Mafsgabe der herrschen-
den Technik erfüllten zuerst gravierte und
namentlich emaillierte Platten diese Aufgabe.
An ihre Stelle traten in der zweiten Hälfte
des XIII. Jahrh. allmählich Tafelgemälde, zu-
meist als Flügel für holzgeschnitzte reichver-
goldete Mitteltafeln, welche die Reliquien
bargen. — Ein solches Triptychon, aufgeklappt
68 cm breit und hoch, 11 cm tief, ist mit der
Boissereeschen Sammlung in den Besitz des
Königs Ludwig L, und aus dessen Nachlafs
1875 in das bayerische Nationalmuseum zu
München gelangt, in den »Kunst-Schätzen«
desselben durch von Hefner-Alteneck als
Blatt XI mit wenigen Worten beschrieben.
— Da das ungemein anmutige, dem We-
sen nach unberührte Altärchen offenbar vom
Niederrhein stammt, so möge es hier an
der Hand einer neuen Aufnahme eine
kurze Beschreibung finden. — Auf einem
40 cm breiten Sockel, einer Art von Predella,
mit ausgehobener blattbemalter Vierpafsblende
steht der aus Nufsbaum, als der im XIV. Jahrh.
zu Köln für plastische Zwecke vornehmlich ver-
wendeten Holzart, verfertigte Mittelschrein, der
ganz architektonisch behandelt ist, indem drei
schlanke fensterartige Mafswerkbögen, von
Wimpergen bekrönt, den ganzen, durch eine
Rosettenborte ringsum eingefafsten Raum fül-
len. Die durch über Eck gestellte schmale
Fialen geschiedenen Frontispize verlaufen sich
nach unten in flach sich anschmiegende
Wasserspeier, und so leicht wie durchsichtig
sind die Mafswerkstränge, die oben und an
den Seiten kleine Nischen, in den drei ganz
gleichen Bekrönungen Fensterarchitektur bil-
den. Die mittlere Nische hat ursprünglich

eine andere Ausstattung gehabt (vielleicht einen
Armschenkel), denn der gewundene Säulen-
sockel mit dem spätgotisierenden Kapital ist
modern, und das reizende, 15 cm hohe, ziem-
lich flache Elfenbeinmadönnchen, für welches
er gemacht ist, fällt erst in die zweite Hälfte
des XIV. Jahrh. — Die kleinen Doppel-
nischen, die sich in sechsfacher Wiederholung
und doch nicht monotoner Wirkung überein-
ander ordnen, hatten die Bestimmung, Reli-
quien aufzunehmen, und allem Anscheine nach
haben grofse Wandschränke, welche Reliquien-
häupter als die beliebtesten Heiligtümer der
kölnischen Kirchen bewahrten, hierzu das Vor-
bild abgegeben. An diesen Mittelschrein sind
die beiden, nur 1 cm dicken Flügel befestigt,
die geteilt, unter ausgesparten, mithin reliefier-
ten Bögen die Verkündigung und Geburt, die
Taufe Christi und Krönung Mariens zeigen.
Auf rankengepunztem vergoldetem Hinter-
grund, wie ihn vornehmlich im XIV. Jahrh.
gerade die kölnische Schule liebte, erglän-
zen in kräftigen Lasurtönen die streng stili-
sierten Darstellungen mit ihren schlanken
typischen Figuren; ihre Ikonographie, wie sie
namentlich in den beiden stehenden Figuren
der Verkündigung, in der liegenden Mutter
bei der Geburt und dem gewandhaltenden
Engel bei der Taufe zum Ausdruck kommt,
entspricht durchaus dem Geiste der Zeit. —
Die Rückseiten sind mit zwei Standfiguren be-
malt, einem Bischof und einem Ritter. Da
dem Bischof das ihn charakterisierende Attribut
fehlt, so ist seine Bestimmung wenigstens bis
zu dem Augenblick unmöglich, in welchem der
Ritter nicht nur seinen Namen verrät, sondern
auch die Kirche, für welche das Ganze aus-
geführt ist. Da er im silbernen Panzerhemd
mit der roten Tunika und dem Setzschild den
hl. Gereon darzustellen scheint, so liegt die
Vermutung nahe, dafs das (dem zweiten oder
dritten Jahrzehnt des XIV. Jahrh. angehörige)
Altärchen aus der St. Gereonskirche zu Köln
stammt, in der sich an mittelalterlichen Aus-
stattungsgegenständen fast nichts erhalten hat,
aufser den breiten und niedrigen, nur mit Reli-
quienhäuptern gefüllten, defswegen auch nischen-
artig eingeteilten Wandkästen. Schnütgen.
 
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