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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Effmann, Wilhelm: Farbenschmuck am Äußeren des Domes zu Chur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0148

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231

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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diesen Punkt durchaus sicher. Es handelt
sich bei diesen Öffnungen also um Rundfenster,
die in den Zwickeln, oberhalb des Chorbogens,
unterhalb der Decke des Chorquadrats, aber
oberhalb des Daches des Chorhauptes ange-
bracht, dem Chorquadrate von Osten her
direktes Licht zuführten. Es ist dies eine An-
ordnung, für die es, wenn sie auch nicht gerade
allzu häufig angewendet ist, doch an Gegen-
stücken durchaus nicht fehlt. So seien als Bei-
spiele hingewiesen auf die von Einhard erbaute
Basilika zu Steinbach, auf die der romanischen
Zeit angehörige, ebenfalls flachgedeckte Kloster-
kirche zu Merten a. d. Sieg, und als Gewölbe-
bau mit gleicher Anordnung auf die im spät-
romanischen Stil erbaute Abteikirche zu Wer-
den. Von dem Bestehen die-
ser Anordnung im Dome zu
Chur ist im Inneren nichts
mehr zu erkennen, indem
das an Stelle der Flachdecke
eingespannte Gewölbe in
die untere Laibung der Fen-
ster einschneidet. Auch von
aufsen sind die Fenster jetzt
vollständig dem Blick ent-
zogen ; zwar liegt die jetzige
Gewölbedecke des Chor-
hauptes noch beträchtlich
unterhalb der Fenster, die

Aufsenmauern desselben
haben aber, ebenso wie
die des Mittelschiffes und
Chorquadrates, eine so beträchtliche Er-
höhung erfahren, dafs die Fenster, wie die
unter Figur 1 gegebene Ansicht der Dom-
kirche ergibt, nach aufsen hin ganz ver-
deckt sind. Vollständig klar stehen sie aber
dem vor Augen, der sich auf den Dachboden
des Chorhauptes begeben hat. Raum- und
Lichtverhältnisse sind dort so ausreichend, dafs
es möglich gewesen ist, von einem der beiden
Fenster, dem der Nordseite, die photographi-
sche Aufnahme zu machen, die hier in Fig. 2
zur Wiedergabe gebracht ist. Die Schwierig-
keit, auf den genannten Raum zu kommen,

— man mufs über das Gewölbe hinweg durch
eine der genannten Fensteröffnungen kriechen

— macht es erklärlich, dafs diese Fenster für
die Baugeschichte des Domes noch nicht ver-
wertet worden sind. Und doch stellen sie es,
in Verbindung mit den übrigen schon ge-

nannten Merkmalen, sicher, dafs dem Gewölbe-
bau des XIII. Jahrh. ein flachgedeckter Bau
des XII. Jahrh. vorhergegangen ist.

Der Umstand, dafs das Chor schon 1178,
der vor dem Eingange zur Gruft stehende
Kreuzaltar 1208, das Ganze aber erst 1282 ge-
weiht worden ist, verliert damit alles auffällige.
Wenn der Kreuzaltar 1208 geweiht werden
konnte, so mufs damals, da dieser Altar im
Langhause stand, die Kirche im wesentlichen
vollendet gewesen sein, jedenfalls kann daran
nicht noch bis 1282 weiter gebaut worden
sein. Wenn nun trotzdem von einer 1282 er-
folgten Weihe der ganzen Kirche berichtet
wird, so kann es sich dabei nur um einen
ganz neuen Bauvorgang handeln. Die Altar-
weihe um 1208 stellt den
Abschlufs einer Bauperiode
dar, aus der der Dom als
eine flachgedeckte Anlage
hervorgegangen ist. Weiter-
hin wurde der Bau dann
einer durchgreifenden mit
der Weihe von 1282 ab-
schliefsenden Umgestaltung
unterzogen, in der er zur
Gewölbebasilika, wie sie jetzt
dasteht, umgewandelt wor-
den ist. Näher auf diesen
Punkt einzugehen, ist aber
hier nicht der Ort;11) eine
weitergehende Klarstellung
kann, wenn sie überhaupt
möglich ist, nur auf Grund einer eingehen-
den baulichen Untersuchung erfolgen und
mufs die Begründung dann unter Beigabe
eines umfassenderen zeichnerischen Materials
erfolgen. Die hier gegebenen Erörterungen
sind aber hinreichend, um erkennen zu lassen,
dafs die bisher zur Geltung gekommenen An-
schauungen die Baugeschichte des Churer
Domes nicht erschöpfen.

Die Rundfenster, an welche diese Bemer-

Kundfenster mit iiufserer Bemalung.

ll) Es mag erwähnt werden, dafs die Snrgmauern
des Mittelschiffes die gleiche, durch abweichende
Mauertechnik sich kennzeichnende Erhöhung wie die
Mauern des Chorquadrates zeigen, aber weder den
Mauerabsatz, noch sonstige Merkmale aufweisen, welche
auch hier auf das ehemalige Bestehen einer Flachdecke
bezeugen. Man wird annehmen dürfen, dafs das
Langhaus bei der Umgestaltung des XIII. Jahrh. eine
Erneuerung erfahren hat, bei der vom alten Bau nur
die .Seitenschiffmauern benutzt worden sind.
 
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