245
1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.
246
als solcher vom Papst Gregor IX. nach Italien abge-
sandt, und von Kaiser Friedrich mit anderen Äbten
und Prälaten in Haft gehalten. Gleich Konrad er-
fährt er, dafs da draulsen nicht alles Gold ist, was
glänzt. II meurt brise par le chagrin. Mit Arnold
von Löwen, 1240, geht Villers schönste Periode zu
Ende. Herzog Heinrich zeigte sich ihm besonders
geneigt, nannte ihn: son tres eher pere — und liefs
zum Zeichen dieser Freundschaft ein Individuum
hängen, das seinen Zelter gestohlen hatte. Der Herzog
erhielt jährlich vom Kloster ein Kleid zum Geschenk,
welches er anlegte, wenn er sich von Gefahren be-
droht wähnte. Es stellt sich Krebsgang ein. Arnold
von Gestelle nimmt 1271 erst nach zweimaliger Wahl
die Abtswürde an. Sein Widerstand erklärt sich aus
seinem frommen und einfachen Sinn. Die Brüder
finden keinen Reiz mehr in der Einsamkeit. Sie
machen Ausflüge unter dem Vorwand, dafs sie die
Höfe beaufsichtigen müssen. Nur Laien, höchstens
Laienbruder haben sich mit der Landwirtschaft zu
befassen. So entscheidet der neue Abt. Er stellt
die Ordnung wieder her und vollendet die Kirche.
Jakob von Somal, erschreckt durch den Rückgang
auf intellektuellem Gebiet, bestrebt sich, neuen Eifer
für das Studium zu erwecken; die scriptoria oder
Zellen für die Abschreiber legen Zeugnis ab für seine
Bemühungen. Dieser Abt vergafs niemals, dafs er
einst einfacher Mönch gewesen; er schlief mit den
Brüdern im gemeinsamen Schlafsaal, gesellte sich zu
ihnen beim Morgengebet und im Refektorium, Minder
vorteilhaft für das Kloster erwies sich seine Gewohn-
heit, in der Umgegend, besonders in Nivelles, zu
predigen. Wohl entflammt er die Herzen der Gläu-
bigen fürs himmlische Vaterland, aber seine Sorge
wird innerhalb der Klostermauern schmerzlich ver-
mifst, ein allgemeines Unbehagen macht sich be-
merkbar. Jakob entäufsert sich seiner Funktionen
und zieht sich nach Clairvaux zurück, Zwietracht teilt
die Brüder. — Heinrich von Melsbrock wird von der
einen Partei erkoren, die andere wählt Robert de
Bloquery. Der letztere erringt den Sieg und führt
ein strenges Regiment. Man schreibt ihm den Neubau
des Klosterganges vor dem Refektorium zu, 1287.
Der zweiundzwanzigste Abt, Nikolaus von Gest, ein
Vetter des Herzogs Jan IL von Brabant, vertauscht
Grand - pre mit Villers. Er baut in Brüssel:
Un pied 4 terre pour les abbes de Villers. Was
würde Sankt Bernard zu dieser Einrichtung gesagt
haben ? Aber wer bekümmerte sich noch um die
Grundregel des berühmten Urabtes? Raduard von
Mechelen kehrt bald zurück nach St. Bernard, woher
er gekommen, wie sein Vorgänger sich nach Clair-
vaux zurückgezogen hatte. Jacques de Plancenet wird
1310 mit der Abtswürde bekleidet, verzichtet darauf
aber schon 131.r>.
Woher diese Unruhen, diese Entmutigung? Wir
lassen die Erklärung folgen: Die weltliche Macht
fängt an, die Klöster zu bekämpfen, ihnen bedeutende
Lasten auflegend und den Erwerb von Grundbesitz
beschränkend. Die Fürsten forderten immer höhere
Subsidien von ihren Vasallen, und als diese sowohl
wie die Bürgerschaften reklamierten und protestierten,
wurde von den Klöstern ein Teil jener Kontributionen
erhoben. Villers wollte sich dieser, als unrechtmäßig
angesehenen Forderung nicht fügen. Die Mönche
verliefsen lieber ihre Zellen, und jeder nahm mit, was
er transportieren konnte. Die Gemeinschaft teilte sich
und fand Unterkunft in verschiedenen der Abtei ge-
hörenden Häusern.
Jacques de Plancenet hatte sich vor diesem Ge-
wittersturm zurückgezogen, indessen noch Zeit ge-
funden, das Laienbrüderquartier zu vergröfsern und
zwei scriptoria zu errichten. Der fünfundzwanzigste
Abt, Jan von Malre, vereinigt allmählich die Brüder
wieder in Villers: eine schreckliche Hungersnot, eine
fürchterliche Pest treibt sie wieder auseinander.
Die Abtei gerät in Schulden, mehrere Äbte, sich
aufser stände sehend, die Ordnung wieder herzustellen,
legen nach kurzer Zeit ihr Amt nieder. Durch ein
Privilegium, welches Dirk von Brigade vom Herzog
Jan III. erhält, wird die Sache nicht besser. Die
Gläubiger sollen kein Recht mehr haben, die Mönche
in Haft zu halten oder ihre Güter in Beschlag zu
nehmen. Dann nur immer lustig drauf los gelebt!
Jan von Brüssel, der neunundzwanzigste Abt, verteilt
ohne Scheu Bücher, Äcker und Wälder unter den
Brüdern. Die folgenden Äbte stellen die Ordnung
wieder her. Unter ihnen tut sich ein alter zucht-
liebender Militär hervor, Alberie de Genappe. Unter
Martin de Uny kehren Wohlfahrt und Überflufs zu-
rück. Er regiert von 1358 bis 1385, verstand aber
nicht Mals zu halten, und erlaubte sich am Hofe
Herzogs Wenzeslaus tolle Ausgaben. Die Mönche
sind nicht mit ihm einverstanden, und da ihre Vor-
stellungen unbeachtet bleiben, stecken sie ihren ver-
schwenderischen Obern ins Gefängnis. Nach seiner
Befreiung stirbt er in Elend und Wahnsinn. Die
Kirche wird 1433 prächtig ausgeschmückt auf Geheifs
Gerhards von Löwen. Denis von Zevendonck verläfst
1524 Lierre, wo er Dechant des Kapitels von Sankt
Gomarus war. und kommt nach Villers. Als Novize
angenommen, legt er noch am selben Tag die Ge-
lübde ab und wird am folgenden zum Abt geweiht.
Der neue Abt rühmt sich der Freundschaft Karls V.,
welcher 4000 Livres von ihm leiht. Frans Vleys-
houvers von Brüssel begünstigt 1568 die Opposition
gegen den König von Spanien, was zur Folge hat,
dafs die Altäre der Abteikirche umgestürzt, ihre
Grabmäler entweiht, ihre kostbaren Reliquien zer-
streut werden.
Robert Henrion — 1587 — bringt durch gute
Verwaltung den Wohlstand zurück, die Kirche wird
wiederhergestellt, neue Gebäude erstehen. Von Dom
Henrion wird erzählt, dafs er 1620 in den Flammen
umkam, was als Strafe des Himmels angesehen wurde ;
einst hatte der Abt das Urteil zu fällen über der Zau-
berei und sonstiger Hexenkünste angeklagte Ordens-
angehörige; sie wurden, ohne Schuld bekannt zu
haben, auf offenem Markt verbrannt; sie hatten den
Abt vor Gottes Richterstuhl geladen. Jacques Hache
baut 1716 das neue Palais, das Fremdenquartier
und die prachtvolle Bibliothek. Es folgen noch Zän-
kereien mit Josef IL und dann erscheinen die Herren
Franzosen, derem Treiben eine .guerre de partisans"
nicht Einhalt zu gebieten vermag. Nach dem Ge-
setze vom 15. Fructidor wurden Orden, Kongrega-
tionen, Abteien u. s. w. aufgehoben. Villers wird am
1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.
246
als solcher vom Papst Gregor IX. nach Italien abge-
sandt, und von Kaiser Friedrich mit anderen Äbten
und Prälaten in Haft gehalten. Gleich Konrad er-
fährt er, dafs da draulsen nicht alles Gold ist, was
glänzt. II meurt brise par le chagrin. Mit Arnold
von Löwen, 1240, geht Villers schönste Periode zu
Ende. Herzog Heinrich zeigte sich ihm besonders
geneigt, nannte ihn: son tres eher pere — und liefs
zum Zeichen dieser Freundschaft ein Individuum
hängen, das seinen Zelter gestohlen hatte. Der Herzog
erhielt jährlich vom Kloster ein Kleid zum Geschenk,
welches er anlegte, wenn er sich von Gefahren be-
droht wähnte. Es stellt sich Krebsgang ein. Arnold
von Gestelle nimmt 1271 erst nach zweimaliger Wahl
die Abtswürde an. Sein Widerstand erklärt sich aus
seinem frommen und einfachen Sinn. Die Brüder
finden keinen Reiz mehr in der Einsamkeit. Sie
machen Ausflüge unter dem Vorwand, dafs sie die
Höfe beaufsichtigen müssen. Nur Laien, höchstens
Laienbruder haben sich mit der Landwirtschaft zu
befassen. So entscheidet der neue Abt. Er stellt
die Ordnung wieder her und vollendet die Kirche.
Jakob von Somal, erschreckt durch den Rückgang
auf intellektuellem Gebiet, bestrebt sich, neuen Eifer
für das Studium zu erwecken; die scriptoria oder
Zellen für die Abschreiber legen Zeugnis ab für seine
Bemühungen. Dieser Abt vergafs niemals, dafs er
einst einfacher Mönch gewesen; er schlief mit den
Brüdern im gemeinsamen Schlafsaal, gesellte sich zu
ihnen beim Morgengebet und im Refektorium, Minder
vorteilhaft für das Kloster erwies sich seine Gewohn-
heit, in der Umgegend, besonders in Nivelles, zu
predigen. Wohl entflammt er die Herzen der Gläu-
bigen fürs himmlische Vaterland, aber seine Sorge
wird innerhalb der Klostermauern schmerzlich ver-
mifst, ein allgemeines Unbehagen macht sich be-
merkbar. Jakob entäufsert sich seiner Funktionen
und zieht sich nach Clairvaux zurück, Zwietracht teilt
die Brüder. — Heinrich von Melsbrock wird von der
einen Partei erkoren, die andere wählt Robert de
Bloquery. Der letztere erringt den Sieg und führt
ein strenges Regiment. Man schreibt ihm den Neubau
des Klosterganges vor dem Refektorium zu, 1287.
Der zweiundzwanzigste Abt, Nikolaus von Gest, ein
Vetter des Herzogs Jan IL von Brabant, vertauscht
Grand - pre mit Villers. Er baut in Brüssel:
Un pied 4 terre pour les abbes de Villers. Was
würde Sankt Bernard zu dieser Einrichtung gesagt
haben ? Aber wer bekümmerte sich noch um die
Grundregel des berühmten Urabtes? Raduard von
Mechelen kehrt bald zurück nach St. Bernard, woher
er gekommen, wie sein Vorgänger sich nach Clair-
vaux zurückgezogen hatte. Jacques de Plancenet wird
1310 mit der Abtswürde bekleidet, verzichtet darauf
aber schon 131.r>.
Woher diese Unruhen, diese Entmutigung? Wir
lassen die Erklärung folgen: Die weltliche Macht
fängt an, die Klöster zu bekämpfen, ihnen bedeutende
Lasten auflegend und den Erwerb von Grundbesitz
beschränkend. Die Fürsten forderten immer höhere
Subsidien von ihren Vasallen, und als diese sowohl
wie die Bürgerschaften reklamierten und protestierten,
wurde von den Klöstern ein Teil jener Kontributionen
erhoben. Villers wollte sich dieser, als unrechtmäßig
angesehenen Forderung nicht fügen. Die Mönche
verliefsen lieber ihre Zellen, und jeder nahm mit, was
er transportieren konnte. Die Gemeinschaft teilte sich
und fand Unterkunft in verschiedenen der Abtei ge-
hörenden Häusern.
Jacques de Plancenet hatte sich vor diesem Ge-
wittersturm zurückgezogen, indessen noch Zeit ge-
funden, das Laienbrüderquartier zu vergröfsern und
zwei scriptoria zu errichten. Der fünfundzwanzigste
Abt, Jan von Malre, vereinigt allmählich die Brüder
wieder in Villers: eine schreckliche Hungersnot, eine
fürchterliche Pest treibt sie wieder auseinander.
Die Abtei gerät in Schulden, mehrere Äbte, sich
aufser stände sehend, die Ordnung wieder herzustellen,
legen nach kurzer Zeit ihr Amt nieder. Durch ein
Privilegium, welches Dirk von Brigade vom Herzog
Jan III. erhält, wird die Sache nicht besser. Die
Gläubiger sollen kein Recht mehr haben, die Mönche
in Haft zu halten oder ihre Güter in Beschlag zu
nehmen. Dann nur immer lustig drauf los gelebt!
Jan von Brüssel, der neunundzwanzigste Abt, verteilt
ohne Scheu Bücher, Äcker und Wälder unter den
Brüdern. Die folgenden Äbte stellen die Ordnung
wieder her. Unter ihnen tut sich ein alter zucht-
liebender Militär hervor, Alberie de Genappe. Unter
Martin de Uny kehren Wohlfahrt und Überflufs zu-
rück. Er regiert von 1358 bis 1385, verstand aber
nicht Mals zu halten, und erlaubte sich am Hofe
Herzogs Wenzeslaus tolle Ausgaben. Die Mönche
sind nicht mit ihm einverstanden, und da ihre Vor-
stellungen unbeachtet bleiben, stecken sie ihren ver-
schwenderischen Obern ins Gefängnis. Nach seiner
Befreiung stirbt er in Elend und Wahnsinn. Die
Kirche wird 1433 prächtig ausgeschmückt auf Geheifs
Gerhards von Löwen. Denis von Zevendonck verläfst
1524 Lierre, wo er Dechant des Kapitels von Sankt
Gomarus war. und kommt nach Villers. Als Novize
angenommen, legt er noch am selben Tag die Ge-
lübde ab und wird am folgenden zum Abt geweiht.
Der neue Abt rühmt sich der Freundschaft Karls V.,
welcher 4000 Livres von ihm leiht. Frans Vleys-
houvers von Brüssel begünstigt 1568 die Opposition
gegen den König von Spanien, was zur Folge hat,
dafs die Altäre der Abteikirche umgestürzt, ihre
Grabmäler entweiht, ihre kostbaren Reliquien zer-
streut werden.
Robert Henrion — 1587 — bringt durch gute
Verwaltung den Wohlstand zurück, die Kirche wird
wiederhergestellt, neue Gebäude erstehen. Von Dom
Henrion wird erzählt, dafs er 1620 in den Flammen
umkam, was als Strafe des Himmels angesehen wurde ;
einst hatte der Abt das Urteil zu fällen über der Zau-
berei und sonstiger Hexenkünste angeklagte Ordens-
angehörige; sie wurden, ohne Schuld bekannt zu
haben, auf offenem Markt verbrannt; sie hatten den
Abt vor Gottes Richterstuhl geladen. Jacques Hache
baut 1716 das neue Palais, das Fremdenquartier
und die prachtvolle Bibliothek. Es folgen noch Zän-
kereien mit Josef IL und dann erscheinen die Herren
Franzosen, derem Treiben eine .guerre de partisans"
nicht Einhalt zu gebieten vermag. Nach dem Ge-
setze vom 15. Fructidor wurden Orden, Kongrega-
tionen, Abteien u. s. w. aufgehoben. Villers wird am