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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Ewald, W.: Der Lettner von St. Maria im Kapitol zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0171

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271

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

die späteren Kölner Patrizierhäuser vorbild-
lich werden sollte.21)

Unser Lettner ist, abgesehen von den klei-
neren ebenfalls aufserkölnischen Arbeiten in
der Schatzkammer des Kölner Domes, dem
Epitaph des Bischofes de Croy und dem zier-
lichen Geschenke des Erzbischofs von Mainz,
Albrecht von Brandenburg, das früheste gröfsere
Denkmal der Renaissance in
Köln. Manchem Kölnischen
Künstler, dem es die Mittel nicht
gestatteten, in der Fremde sich
weiter auszubilden, wurde an
jener glänzenden Stiftung der
Hackenays eine vollständig
neue Formenwelt erschlossen.
Sie bewunderten und stu-
dierten das fremde Kunstwerk
und waren dann später be-
strebt, bei ihren Arbeiten mög-
lichst die am Lettner entdeck-
ten Formen zu verwenden.
Dafs ihnen dies nicht immer
in der besten Weise gelungen
ist, bezeugt das Sakraments-
häuschen in St. Georg aus dem
Jahre 1555. (Vergl. Abb. 6.)

Obgleich jener mittelmäfsige
kölnische Bildhauer sich be-
mühte, einer sklavischen Nach-
ahmung aus dem Wege zu ge-
hen, so verraten doch eine
Reihe von Einzelheiten in der
Architektur des Sakraments-
häuschens, wie die charakte-
ristischen Mittelstücke der Ba-
lustersäulchen eine starke Ab-
hängigkeit von dem Lettner
in St. Maria im Kapitol. Noch

prachtvollen Renaissance-Architektur. (Vergl.
Abb. 5.) Auf den beiden Ecken eines einfach
gegliederten Unterbaues stehen zwei Karyati-
den, durch eine darunter befindliche Inschrift
näher als Judith und David bezeichnet. Beide
Figuren tragen entschieden den Charakter
der Frührenaissance. Auf ihnen ruht ein drei-
teiliger Architrav, auf diesem ein reich orna-
mentierter Fries. Das Ganze
wird gekrönt von einem hohen,
fein profilierten Gesims. In die
mittlere Fläche wurde später
eine Nische gebrochen, in die
man eine Station hineinstellte.
Auffallend ist nun, dafs
eine Reihe von Details jener
Umrahmung, die Verhältnisse
der einzelnen Glieder des Ge-
bälkes, die Ornamente, ganz
genau dieselben sind wie bei
unserem Lettner. Auch das
Material ist dasselbe. Die Ver-
wandtschaft der beiden Bild-
werke ist so grofs, dafs wir
auf den ersten Blick in der
Station ein Bruchstück des
Lettners vermuten würden.
Aber dies ist wegen der Ver-
schiedenheit der Gesamtmafse
kaum möglich. Es mufs hier
ein anderes Werk desselben
Meisters oder derselben Schule
vorliegen. In dem oben er-
wähnten Ratsschreiben war
neben dem Lettner auch von
einem Grabe und einem Al-
tarsteine die Rede, die von
Mecheln nach Köln überführt
werden sollten. Dafs jenes
Grab für die Familie Hackenay

entschiedener ist das Abend-
mahl-Relief von der gleich- Abb. 6. Sakramentshäuschen in St Georg bestimmt war, ist wohl Selbst-
namigen Darstellung am Lett- verständlich. Wir wissen weiter

ner beeinflufst worden. aus Weinsberg, dafs Nicasius und Georg

Bei einer Besprechung des Lettners ist es Hackenay in Maria im Kapitol und zwar in

wohl gestattet, ein ihm nahestehendes Bild-
werk kurz zu berühren.

Im Kreuzgange von St. Maria im Kapitol
befindet sich eine Station, umrahmt von einer

«) Weinsberg IV, S. 22. „So mach keiser
Carolus dissem Nicasio das afflais-gelt, so in Coln
yergadert war, zu vollest sines baus geschenkt haben.
Und er hat ein pallast draus gebaut mit dem eirsten
windellorn in Coln."

der Nähe des Lettners beigesetzt waren.

Nach alledem wäre es nicht unwahrschein-
lich, dafs jene Umrahmung der Station ein
Teil des Grabmales der Hackenays ist, das
bei der Umsetzung des Lettners ebenfalls aus
seinem alten Platze entfernt und später in eine
Kreuzwegsstation umgewandelt wurde.

Köln. w. Ewald.
 
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