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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale von Toul
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0173

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275

1903-

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

276

2. Die Form des Rationale tritt — abge-
sehen von Eichstätt — in keiner Kirche so ver-
schiedenartig auf, wie gerade in Toul. Feste
Gestalt nahm es erst im XV. Jahrh. an, vorher
zeigt es einen häufigen Wechsel. Es lassen
sich vornehmlich fünf Formen unterscheiden,
von denen zwei allerdings nur je einmal auf-
treten. Als eine Art Stola, die auf der Brust
gekreuzt und an der Kreuzungsstelle mit einer
runden Agraffe verziert ist, erscheint es auf
einem Siegel des Bischofs Eudes von Sorzy
(1218—1228) aus dem letzten Jahre seiner Re-
gierung.9) Man möchte leicht geneigt sein,
dieses Unikum als eine Kaprice des Verferti-
gers des Sigills anzusehen, um so mehr, da ein
zweites Siegel desselben Bischofs eine andere
Gestalt des Rationale zeigt. Dagegen ist indes
darau zu erinnern,
dafs noch heute der
Bischof von Krakau
ein Rationale in
Form einer gekreuz-
ten Stola trägt.1
Darum ist auch das
eigentümliche Or-
natstück, das Bi-
schof Eudes trägt,
als Rationale anzu-
sehen.

Die zweite Form
ahmt durchaus das
Pallium (Y) nach;
wir sehen es so
auf dem bereits er-
wähnten Siegel des Bischofs Heinrich von
Lothringen, wo es mit vier Kreuzen verziert
ist; auch in dieser Form tritt es nur ein-
mal auf.11)

Drittens erscheint es in einer das Pallium
imitierenden Gestalt, nämlich nicht als schma-
les, sondern als breites Schulterband mit ebenso
breitem, längerem oder kürzerem Pendant auf
der Brust; aufserdem ist es durchweg mit Edel-
steinen oder Stickerei verziert, während das
Pallium aufser den Kreuzen jede Verzierung
entbehrt; die Edelsteine sind meistens reihen-
weise gestellt. So sehen wir es auf zwei Sie-

Das Rationale von Toul

*) Robert, Sigillographie pl IV, Fig. 19.

1°) Abb. bei Essenwein, Krakau, Fig. 100.

ll) Aufser Frage bleibt das Rationale in Form des
Palliums auf einem Bilde des hl. Mansuetus aus dem
XVII. Jahrh. im Chor der Kathedrale zu Toul.

geln des Bischofs Peter von Brixey aus den
Jahren 1171 und 1186, bei Eudes de Lorraine-
Vauddmont (f 1197),12) Robert d'Ostenge de
Marcey (f 1253).13) Die Siegel zeigen diese
Form zuletzt bei Johann von Sierk (f 1305),
wo es mit Vierecken und Perlen reich ver-
ziert ist;14) das vordere Pendant hängt bis
unter den Saum der Kasel herab. Auch auf
älteren Gemälden in der Apsis der Kathedrale
zu Toul sieht man diese dritte Form des Ra-
tionale.15)

Eine vierte Form behält nur das Schulter-
band bei, verzichtet aber auf das vordere Pen-
dant und ersetzt es durch kleine Schellen oder
Kreuze. Sie begegnet uns zuert auf dem ein-
gangs erwähnten Siegel des Bischofs Peter von
Brixey. Während es hier verziert und mit vier

Kreuzen versehen
ist, erscheint es auf
einem Siegel des
Bischofs Eudes von
Sorcey ganz ein-
fach, aber mit fünf
Kreuzen.10) Die-
selbe Form hat es
vielleicht auch auf
einer Münze des

Bischofs Johann
von Arzilliers (f
1320).17)

Seit der Mitte

des XIV. Jahrh.

endlich tritt jene

Form auf, welche

man mit verschiedenen Änderungen mehrere

Jahrhunderte beibehielt und die auch jetzt

h

12) Robert, Sigillographie pl. II, Fig. 4, 5. pl. III,
Fig. 0. Auch auf einer Münze des Bischofs Peter er-
scheint es als Schulterband mit Pendant. Vergl. Bre-
tagne et Briard, Notice sur une trouvaille des
monnaies lorraines. (Nancy 1884) Nr. 7. Bar.
bier deMontault in Mgmoires de la soc. d'archeol.
lorr. 1885, p. 259 '.

>») Robert, Monnaies de Toul (1841) pl V,
Fig. 2, 3.

M) Robert, Sigillographie pl. VII, Fig. 17; ebenso
erscheint es auf Münzen des Bischofs Johann. Ro-
bert, Monnaies, pl. VII, Fig. 3, 4.

'■6) Vergl. Lorraine-Artiste 1892, p. 13. Martin,
1. c. I. 469.

'<">) Robert, Sigillographie pl. IV, Fig 9.

») Robert, Monnaies pl. VII, Fig.5. Ein sicheres
Urteil gestattet die Darstellung nicht, da nur der Kopf
und der oberste Teil der Brust sichtbar ist.
 
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