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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Braun, Joseph: Das neue Teppichwerk der St. Marienkirche zu Aachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0184

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Abhandlungen.

Das neue Teppich werk der St. Ma-
rienkirche zu Aachen.

(Mit 2 Abbildungen,
■jlütt® Tafel III.)

er namhaften Zahl
prächtiger Kirchen-
teppiche, welche seit
dem Ende der fünf-
ziger Jahre des vo-
rigen Jahrhunderts
, entstanden, ist in jüngster Zeit ein neuer
hinzugefügt worden, der zwar nicht den
Anspruch erhebt, der bedeutendste dieser
Teppiche zu sein, jedoch mit anderen gröfse-
ren Chorteppichen immerhin rivalisieren darf.
Wir meinen das Teppichwerk, welches Aachener
Damen zu Ehren der Gottesmutter für die
St. Marienkirche zu Aachen angefertigt haben,
und das am 8. Dezember letzten Jahres, dem
Fest der unbefleckt Empfangenen, zum ersten
Male Altarstufen und Chor geschmückt hat.

Die Anregung zu ihm ging von Frau Kom-
merzienrat Vossen, Frau Lingens-Bischoff und
Fräulein Emma Adenaw aus. Rasch waren fromme
Verehrerinnen der Gottesmutter in genügender
Zahl gefunden, welche bereitwilligst entweder
ihr Scherflein zur Bestreitung der nicht uner-
heblichen Kosten spendeten oder ihre Beihilfe
für die Ausarbeitung des Teppichs zusagten.
So konnte, nachdem Schreiber dieser Zeilen
eine Skizze entworfen und Herr W. Mengel-
berg in Utrecht sie in seiner bekannten Weise
in Farben trefflichst ausgeführt hatte, mit dem
Werke begonnen werden. Es wurde der als
Stickgrund dienende Stramin in der Ausdeh-
nung des Teppichs provisorisch aneinander
gereiht, die Zeichnung durch Maler Wirth
vergröfsert und auf den Stramin übertragen
und dann den Damen die wieder auseinander
getrennten Stücke zum Aussticken übergeben.
Es geschah das gegen die Mitte des Dezembers
1902. Die Arbeit schritt so rasch voran, dafs
im August des folgenden Jahres bereits an das
Zusammensetzen der Stücke und die Fertig-
stellung des Teppichs gedacht werden konnte.
Mit Beginn Oktober war das Werk vollendet

Das Teppichwerk besteht aus zwei völlig
voneinander getrennten Teppichen, einem
kleineren für die Stufen des Hochaltars und
einem gröfseren für den Chor. Jener mifst ca.
6X6 gm, dieser ca. 6?/8X3 1m- Die Teilung er-
folgte aus praktischen Gründen. Natürlich
mufste dafür Sorge getragen werden, dafs
zwischen dem Altarstufenteppich und dem Chor-
teppich nicht blofs stilistisch und koloristisch,
sondern auch hinsichtlich der dekorativen Mo-
tive und der in ihnen zum Ausdruck kommen-
den Idee Einheit herrsche.

Der Chorteppich setzt sich aus einem ca. 4,20
X4,20»2 haltenden Mittelfelde und einer 0,90 m
breiten Borte zusammen. Das Mittelfeld besteht
aus einem über Eck stehenden Quadrate und vier
gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecken. Dem
Quadrate, dessen Seiten in grofsen Unzialen
die Widmungsinschrift: ACCIPE- VIRGO -
MATER - Q VOD - LAETA - OFFERT - A-
QVISGRANI-PIETAS-FILIAR VM- A D-
MCMIII. (Nimm hin, Jungfrau-Mutter, was
freudig der Töchter Aachens Frommsinn spendet.
Im Jahre des Herrn 1903) enthält, ist ein
Vierpafs eingeschrieben, dessen Inhalt durch
die auf Spruchbändern angebrachten Beischriften
IER VSA LEM, CA L VA RIA, TEMPL VM,
MONS - OL1VAR VM, CO ENA CVL VM als
eine Darstellung Jerusalems und seiner heiligen
Stätten gekennzeichnet wird. In der Mitte des
Bildes ragt der Tempel empor; darunter ge-
wahrt man in Form einer offenen Halle den
Abendmahlssaal, beide von einer turmbewehr-
ten Ringmauer umschlossen, links erhebt sich,
durch drei Kreuze angedeutet, der Kalvarien-
berg, rechts, durch Olivenbäume markiert, der
Ölberg. Palmwedel füllen die von der quadra-
tischen Umrahmung und dem Vierpafs gebil-
deten Zwickel.

Die um das Mittelquadrat gelagerten Drei-
ecke weisen Darstellungen Nazareths, dann der
Stadt im Gebirge Juda, wo nach dem Evan-
gelium Zacharias und Elisabeth wohnten, Beth-
lehems und Ägyptens auf. Eine Inschrift gibt
die Bedeutung der einzelnen Bilder an. Naza-
reth, die Stadt Judas und Bethlehem erscheinen
nach mittelalterlicher Weise als Städte mit
 
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