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1903.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
368
zum Jahre 1543: „Item soe meyster Arndt den
back verdinckt was up sintejohans altair, aen
om betaelt VI daler 1 rider, facit X gülden
XXII albus." Wolff fand im Schrein auf dem
Fufsgestell des Standbildes des hl. Johannes
des Täufers den Namen Johann Boegel nebst
dessen Wappen. Er führte daraufhin aus, der
Genannte sei 1527 bis 1543 Mitglied und vor-
züglicher Wohltäter der Anna-Bruderschaft ge-
wesen und werde 1540 als Ratsherr genannt.
Er habe auch jenes Standbild geschnitzt.21)
Indessen ist der letzte Teil dieser Angaben
in seiner Geschichte der Stadt Kaikar weg-
geblieben, weil im Xantener Südportal am
Fufse mehrerer Statuen in ähnlicher Weise
die Namen der Stifter eingegraben sind.22)
Boegel hat jene mit seinem Namen bezeichnete
Statue bestellt und bezahlt. Darum redet die
Rechnung der Bruderschaft nur von dem
Schrein (back), den sie zu bestellen hatte, nicht
von den Statuen, deren Herstellung sie der
Freigebigkeit anderer verdankte.
Arnold van Tricht, ein als tüchtiger Bild-
hauer urkundlich beglaubigter Meister, würde
nicht die Herstellung eines Schreines über-
nommen haben, dessen Statuen einem andern
in Auftrag gegeben worden wären. Heute steht in
seinem Johannesaltare an dem Platz eines Ma-
rienbildes die gotische, aus dem Katharinaaltar
stammende Statue des hl. Severus. Von diesem
Katharinaaltare rührt auch die jetzige Predella
des Johannesaltares her. Die auf dem Johannes-
schrein stehenden Bilder zweier Evangelisten
sind Reste eines andern Werkes, können aber
Arbeiten des Arnold van Tricht sein. Die
Malereien der Flügel wurden erst im XVII.
Jahrh. ausgeführt. Sicher stammen von Arnold
die Ornamente des Johannesschreines, die in
dessen seitlichen Abteilungen stehenden,
1,25 m hohen Figuren Johannes des Täufers
und des Evangelisten (Abb. 7), sowie oben in
der Überhöhung des Schreines die Gruppe der
Krönung Mariens (Abb. 8). Offenbar hat der
Meister den Dreifaltigkeitsschrein nachgeahmt,
dessen reiche Pfeiler und Ornamente aber ver-
einfacht. Vergleicht man die der Überhöhung
des Dreifaltigkeitsaltares eingefügte Gruppe der
21) Die Sl. Nikolai-Kirche 24 f.
21) Geschichte der Stadt Calcar 137 Anmerkung;
Beissel, »Bauführung« III 49. Boegel ist seitdem
mit Unrecht auch in andern Werken als Bildschnitzer
genannt werden.
Taufe (Abb. 6) mit der in der entsprechenden
Stelle des Johannesaltares befindlichen Gruppe
der Krönung Marias (Abb. 8), so ist eine grofse
Schulverwandtschaft unverkennbar. Man beachte
z. B. die starke Falte am Körper Christi unter-
halb der Brust und die Gesichtszüge fast aller
Personen. Auch haben die Ornamente über
den drei grofsen Standfiguren auffallende Ähn-
lichkeit. Scheibler28) betonte bereits 1883,
dafs der Dreifaltigkeitsaltar dem Johannesaltar
sehr gleiche in der Anordnung und in den
Renaissanceornamenten der Einfassungen. Ja,
er war nicht abgeneigt, die sechs Standbilder
der beiden Johannes im Johannesaltare, der
beiden Evangelisten auf dessen Schrein und
der Apostelfürsten im Dreifaltigkeitsaltare einem
und demselben Meister zuzuschreiben, obwohl
er zugab, die Standbilder der hl. Petrus und
Paulus müfsten wegen ihres altertümlichem
Faltenwurfes aus einer frühern Zeit stammen.
Jedenfalls beweisen seine Äufserungen, dafs
in den beiden in Rede stehenden Altären
eine „Antithese" doch nicht verkörpert ist,
dafs nicht im Dreifaltigkeitsaltare nieder-
ländischer, dagegen im Johannesaltar italie-
nischer Einflufs herrscht.24) Beide huldigen
der neuen, in den Niederlanden nicht ohne
Frankreichs Vermittelung von Italien aus ver-
breiteten neuen Geschmacksrichtung. Ersterer
ist etwas früher, ist reicher und poesievoller,
weil Johann Douvermann, sein Meister, mehr
Geschick besafs und die Stifter bedeutendere
Mittel zur Verfügung stellten. Johann Douver-
mann hat seinen Vater nicht bis zum Bruche
mit gotischen Überlieferungen geführt, ihn aber
doch mehr und mehr beeinflufst und der neuen
Kunst näher gebracht; den Arnold van Tricht
hat er vollständig beherrscht, ihm vielleicht als
Nachfolger die Werkstätte seines Vaters über-
lassen. Johann erscheint in den alten Nach-
richten zuerst 1533, zuletzt 1544; Amt zuerst
1540, zuletzt 1560.
Vergleicht man die zu diesem Aufsatze ge-
gebenen Abbildungen, so ist es lehrreich zu
sehen, wie in Kaikar vom Jahre 1519 bis um
das Jahr 1544 der Stil sich änderte. Um wie-
viel edeler und ruhiger ist die Kreuztragung
des Heinrich Douvermann (Abb. 1), als die von
seinem Sohne geschnitzte Taufe Christi (Abb. 6)!
Der ältere Douvermann hat in seiner Krönung
M) »Zeitschrift fUr bildende Kunst XVIII« (1883) 64.
") »Bonner Jahrbücher CX« (1903) 278.
1903.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
368
zum Jahre 1543: „Item soe meyster Arndt den
back verdinckt was up sintejohans altair, aen
om betaelt VI daler 1 rider, facit X gülden
XXII albus." Wolff fand im Schrein auf dem
Fufsgestell des Standbildes des hl. Johannes
des Täufers den Namen Johann Boegel nebst
dessen Wappen. Er führte daraufhin aus, der
Genannte sei 1527 bis 1543 Mitglied und vor-
züglicher Wohltäter der Anna-Bruderschaft ge-
wesen und werde 1540 als Ratsherr genannt.
Er habe auch jenes Standbild geschnitzt.21)
Indessen ist der letzte Teil dieser Angaben
in seiner Geschichte der Stadt Kaikar weg-
geblieben, weil im Xantener Südportal am
Fufse mehrerer Statuen in ähnlicher Weise
die Namen der Stifter eingegraben sind.22)
Boegel hat jene mit seinem Namen bezeichnete
Statue bestellt und bezahlt. Darum redet die
Rechnung der Bruderschaft nur von dem
Schrein (back), den sie zu bestellen hatte, nicht
von den Statuen, deren Herstellung sie der
Freigebigkeit anderer verdankte.
Arnold van Tricht, ein als tüchtiger Bild-
hauer urkundlich beglaubigter Meister, würde
nicht die Herstellung eines Schreines über-
nommen haben, dessen Statuen einem andern
in Auftrag gegeben worden wären. Heute steht in
seinem Johannesaltare an dem Platz eines Ma-
rienbildes die gotische, aus dem Katharinaaltar
stammende Statue des hl. Severus. Von diesem
Katharinaaltare rührt auch die jetzige Predella
des Johannesaltares her. Die auf dem Johannes-
schrein stehenden Bilder zweier Evangelisten
sind Reste eines andern Werkes, können aber
Arbeiten des Arnold van Tricht sein. Die
Malereien der Flügel wurden erst im XVII.
Jahrh. ausgeführt. Sicher stammen von Arnold
die Ornamente des Johannesschreines, die in
dessen seitlichen Abteilungen stehenden,
1,25 m hohen Figuren Johannes des Täufers
und des Evangelisten (Abb. 7), sowie oben in
der Überhöhung des Schreines die Gruppe der
Krönung Mariens (Abb. 8). Offenbar hat der
Meister den Dreifaltigkeitsschrein nachgeahmt,
dessen reiche Pfeiler und Ornamente aber ver-
einfacht. Vergleicht man die der Überhöhung
des Dreifaltigkeitsaltares eingefügte Gruppe der
21) Die Sl. Nikolai-Kirche 24 f.
21) Geschichte der Stadt Calcar 137 Anmerkung;
Beissel, »Bauführung« III 49. Boegel ist seitdem
mit Unrecht auch in andern Werken als Bildschnitzer
genannt werden.
Taufe (Abb. 6) mit der in der entsprechenden
Stelle des Johannesaltares befindlichen Gruppe
der Krönung Marias (Abb. 8), so ist eine grofse
Schulverwandtschaft unverkennbar. Man beachte
z. B. die starke Falte am Körper Christi unter-
halb der Brust und die Gesichtszüge fast aller
Personen. Auch haben die Ornamente über
den drei grofsen Standfiguren auffallende Ähn-
lichkeit. Scheibler28) betonte bereits 1883,
dafs der Dreifaltigkeitsaltar dem Johannesaltar
sehr gleiche in der Anordnung und in den
Renaissanceornamenten der Einfassungen. Ja,
er war nicht abgeneigt, die sechs Standbilder
der beiden Johannes im Johannesaltare, der
beiden Evangelisten auf dessen Schrein und
der Apostelfürsten im Dreifaltigkeitsaltare einem
und demselben Meister zuzuschreiben, obwohl
er zugab, die Standbilder der hl. Petrus und
Paulus müfsten wegen ihres altertümlichem
Faltenwurfes aus einer frühern Zeit stammen.
Jedenfalls beweisen seine Äufserungen, dafs
in den beiden in Rede stehenden Altären
eine „Antithese" doch nicht verkörpert ist,
dafs nicht im Dreifaltigkeitsaltare nieder-
ländischer, dagegen im Johannesaltar italie-
nischer Einflufs herrscht.24) Beide huldigen
der neuen, in den Niederlanden nicht ohne
Frankreichs Vermittelung von Italien aus ver-
breiteten neuen Geschmacksrichtung. Ersterer
ist etwas früher, ist reicher und poesievoller,
weil Johann Douvermann, sein Meister, mehr
Geschick besafs und die Stifter bedeutendere
Mittel zur Verfügung stellten. Johann Douver-
mann hat seinen Vater nicht bis zum Bruche
mit gotischen Überlieferungen geführt, ihn aber
doch mehr und mehr beeinflufst und der neuen
Kunst näher gebracht; den Arnold van Tricht
hat er vollständig beherrscht, ihm vielleicht als
Nachfolger die Werkstätte seines Vaters über-
lassen. Johann erscheint in den alten Nach-
richten zuerst 1533, zuletzt 1544; Amt zuerst
1540, zuletzt 1560.
Vergleicht man die zu diesem Aufsatze ge-
gebenen Abbildungen, so ist es lehrreich zu
sehen, wie in Kaikar vom Jahre 1519 bis um
das Jahr 1544 der Stil sich änderte. Um wie-
viel edeler und ruhiger ist die Kreuztragung
des Heinrich Douvermann (Abb. 1), als die von
seinem Sohne geschnitzte Taufe Christi (Abb. 6)!
Der ältere Douvermann hat in seiner Krönung
M) »Zeitschrift fUr bildende Kunst XVIII« (1883) 64.
") »Bonner Jahrbücher CX« (1903) 278.