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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Schmarsow, August: Eine mittelrheinische Kreuzigung im Brüsseler Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0082

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Abhandlunor-en.

Eine mittelrheinische Kreuzigung im
Brüsseler Museum.

(Mit Abbildung, Tafel VI.)

ff n der Gemäldegalerie des König-
in liehen Museums zu Brüssel be-
C~ findet sich unter der Bezeichnung
lif „Ecole italienne" ein giebelförmig
j!|> zugespitztes kleines Tafelbild mit
der Kreuzigung, das im Jahre 1874
vom Herzog von Arenberg mit
einer Anzahl von anderen Stücken
(im ganzen 40) der Staatssammlung überlassen
wurde und seitdem im Katalog von Fetis als
Nr. 151 so eingeordnet stand. Jetzt ist es im
Katalog von J. A. Wauters mit der Nr. 629
versehen, die versehentlich noch einem an-
deren Bilde gegeben wird, das gar nicht da-
mit zusammengehört. Daß es der „italienischen
Schule" zugerechnet werden müsse, scheint
also in Brüssel noch heute von niemand be-
zweifelt zu werden.

Schon vor langen Jahren, als ich bei meinen
Masaccio-Studien die drei darunter hängenden
Predellenstücke als Arbeit des Meisters der
Petruslegende in den Uffizien bezeichnete,
den wir heute Giovanni del Ponte nennen
dürfen, hatte ich mir angesichts dieses Colmetto
das Urteil notiert." „das ist überhaupt kein
Italiener, sondern ein Deutscher. Um 1874
würde man das bei uns schlankweg Kölnische
Schule genannt haben". Bei einem folgenden
Besuche in Brüssel kam ich zu demselben
Widerspruch gegen die Verweisung nach Italien
und zu einer genaueren Lokalisation an den
Mittelrhein. Bei Gelegenheit meines letzten
Aufenthaltes habe ich das leider etwas über-
malte, im Goldgrund ganz aufgefrischte, durch
Schraffierung der Heiligenscheine über der
ursprünglich anders gehaltenen Zeichnung ent-
stellte, aber auch so noch immer wertvolle
und schon wegen seiner Verwechslung mit
italienischen Werken interessante Bildchen
photographieren lassen, um es an dieser Stelle
zu veröffentlichen, wohin es gehört Ich glaube
es jetzt auch in eine bestimmte Reihe ein-
ordnen zu dürfen, die neuerdings einsichts-

voller als bisher zusammengestellt worden ist,
— nicht kölnischer oder niederrheinisch-west-
fälischer, sondern mittelrheinischer Kunst.

In der Mitte steht, aus dem Erdreich hinter
dem Rasen des Vordergrundes, mit seinen
grünen Kräutern und bunten Blumen, schlicht
aufragend, das tauförmige Kreuz, mit einer
kleinen Stange darauf, an der das Schriftblatt
mit den gotischen Minuskeln -i-ll-r-i- be-
festigt ist. Darüber schwebt nach links ein
betender Engel, dessen Kopf mit dem Flügel-
paar auf den Schultern und den gefalteten
Händen unter dem Kinn ganz nah zusammen-
gerückt wird, während der Leib im langen
nachflatternden Gewände nur undeutlich, wie
eine Raupe etwa, angegeben ist und durch später
gleichförmig aufgemalte Farbe noch silhou-
ettenhafter erscheint. Vom Querbalken des
Kreuzes hängt der Gekreuzigte mit zusammen-
gekrampften Fingern an dünnen Armen herab.
Das Haupt neigt sich auf die rechte Schulter,
auf die auch ein breiter Haarschopf hernieder-
fällt. Ein feingeschnittenes Antlitz mit schmaler
gerader scharf zugespitzter Nase, kleinem
Munde und behaartem Kinn verkündet noch
immer, auch in verwischtem Zustande, das
zarte empfindungsvolle Ideal der edlen Bildung,
die auch in Todesnot ihre Schönheit und
Würde bewahrt. Ein breiter Brustkasten, ein
etwas aufgetriebener Leib und weiche Schenkel
mit wenig betonten Hüftknochen stehen über
schmächtigem Gebein mit dünnen Waden und
kleinen Füßen, die der dritte Nagel zusammen-
hält. Nur ein durchsichtiges Schleiertuch legt
sich um die Lenden, kaum mehr als eine
flüchtig hingesetzte Draperie, während die
Seitenwunde, mit dem Blut darunter, ebenso
betont ist wie die geballten Fäuste droben als
Halt der herabhangenden Körperlast. — Zur
Rechten Christi steht die Mutter, mit Maria
Magdalena als stützender Begleiterin in einen
Gesamtumriß vereinigt. Sie trägt ein weißes
Linnentuch über dem gesenkten Haupt und
hebt es zum Trocknen ihrer Tränen mit der
Linken empor; nur die steif herabsinkende
Rechte deutet an, daß ihr Weh sie über-
wältigt. Sonst bleibt die ganze Gestalt auf-
recht in dem trübkarminroten Kleide und dem
grünblauen Mantel, dessen Schleppe sich lang
, über den Boden ergießt. Magdalena neigt
 
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