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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Reiners, Heribert: Der Meister von Siersdorf, [2]: Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0102

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167

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

168

Der Meister von Siersdorf.

Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
Mit 14 Abbildungen.

II. (Schluß.)

u der Serie der bisher beschriebenen

Figuren gehört auch eine Madonna,

die das nackte Kind vor ihrer

Brust hält. Der kleine Knabe ist

ziemlich wohlgenährt gebildet und sogar mit
einem niedlichen Bäuchlein ausgestattet. Eine
lange, in knitterige Falten zerlegte Windel, die
um seine Schultern geht, gleitet in einer Kurve
zum Knie der Mutter hernieder.

Außer diesen Figuren, die sich als eine
geschlossene Gruppe in der Pfarrkirche zu
Siersdorf befinden, ließen sich auch an andern
Orten mehrere Stücke demselben Meister zu-
weisen. Schon Renard hatte darauf hinge-
wiesen, daß die Reliquienbüste zu Schier-
waldenrath im Kreise Heinsberg mit den
Siersdorfer Figuren verwandt sei (Kunstdenk-
mäler des Kreises Heinsberg, S. 103 Fig. 80). Die
Büste ist aus Eichenholz, 55 cm hoch (Fig. 8),
und zeigt eine ältere Frau mit Krone und Kopf-
tuch, eng anliegendem Untergewand mit weitem
Halsausschnitt, darüber einen durch Doppel-
schnur zusammengehaltenen Mantel. Auf der
Brust trägt sie eine verglaste Reliquienkapsel.
Die Zugehörigkeit zur Siersdorfer Gruppe ist
evident: Nase, Mund und Kinn haben das
gleiche Gepräge. Scharf ist der Hals mit
dem Brustansatz behandelt. Die Büste wirkt
etwas ruhiger wie die andern weiblichen
Köpfe und ist vielleicht zeitlich vor jene zu
datieren.

Eine weitere zu dieser Gruppe gehörige
Figur befindet sich sodann in der katholischen
Pfarrkirche zu Waldfeucht, ein hl. Lambertus,
der in vollem Ornate auf einem gotischen
Klappstuhl sitzt, auf der Linken das geöffnete
Buch, in der Rechten ehemals einen Stab
haltend. (Eichenholz, 138 cm hoch, Fig. 9). Das
Gewand ist reich gefaltet, ohne aber wieder
die Haupt- und Nebenmotive schärfer heraus-
zuholen. Die Stege sind rund und weich
und wo sie einander begegnen, sind sie einge-
schnürt. Die gleiche Faltenbehandlung zeigt
sich vor allem bei dem herniederhängenden
Buchbeutel und den Ärmelfortsetzungen der
Handschuhe. Eine solche Häufung der Dreieck-
motive scheint der Künstler zu lieben. Man
vergleiche damit das Gewand der Lucia, die

linke Mantelpartie bei Johannes und die gleiche
Wiedergabe des Handschuhfortsatzes bei dem
stehenden Bischof. Dieser liefert uns in der
fast genau übereinstimmenden Wiedergabe
der Mitra, unter der die Ringellocken vorne
hervortreten und gleichmäßig das ganze Ober-
gesicht umrahmen, weitere Erkennungszeichen.
Die Ohren zeigen hier wie dort eine recht
verwandte summarische Behandlung. Der
Kopf weist sonst manche neue Formen auf,
er ist breiter und eckiger, schärfer geschnitten.
Der Mund ist voll und durchaus natürlich
und besonders gut die ganze Unterpartie mit
dem Halse behandelt. An Nasenwurzel und
Auge haben sich die Fältchen eingestellt,
wenn auch weniger scharf, was wohl mit
auf die neue Polychromie zu setzen ist. Man
möchte fast annehmen, daß der Künstler in
diesem markanten Typus einen Porträtkopf
wiedergegeben hat und dabei doch nicht auf
seine charakteristischen Gewohnheiten hat
verzichten wollen. Als besonders bezeichnend
sei für ihn die Behandlung der linken Hand
angeführt in ihrer scharfen Durcharbeitung
und mit dem gespreizten, kleinen Finger, den
bereits Johannes und Agnes zeigten.

Renard (Kunstdenkmäler des Kreises Heins-
berg, S. 118 Fig. 95) weist statt auf die Ver-
wandtschaft mit den Siersdorfer Figuren auf
die Sitzfigur des Lambertus zu Bocket hin
(Kreis Heinsberg, S. 22 Fig. 7). Diese hat
aber mit der zu Waldfeucht nichts zu tun, und
beide Figuren haben höchstens das Sitzmotiv
gemeinsam. Die flaue und weiche Behandlungder
Bocketer Figur steht dem fast nervösen Schnitt
der Siersdorfer Plastiken direkt gegenüber.

Die Bischofgestalten zu Waldfeucht und
Siersdorf führen uns zu einer Plastik des
Aachener Suermondt-Museums, ebenfalls ein
hl. Bischof, (Eichenholz, 104 cm hoch.
Schweitzer, a. a. O. I, Taf. 17, Text S. II.)
Der Heilige steht auf einem besiegten Drachen,
der in seinem Maule den Bischofstab faßt, und
dessen langer Schwanz sich an der Rückseite
emporringelt. Die Behandlung des Kopfes ist
verwandt dem Drachen, den der Siersdorfer
Georg tOtet Die Gewandung des Heiligen ist
ruhiger behandelt, und der Mantel wird auf der
Brust von einer großen Schließe gehalten. Der
 
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