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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Reiners, Heribert: Der Meister von Siersdorf, [2]: Ein niederrheinischer Bildschnitzer aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0109

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1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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belgischen Grenze, anzusprechen ist. So
gehen auch die Steinarbeiten von Korneli-
münster in manchem mit Kölner Werken
zusammen. Als typische Arbeit des späten
Köln darf man wohl die bereits genannte
Kreuzigungsgruppe am Chor von St. Johann
Baptist ansprechen, in der man ein gotisches
Barock in dem überreichen und weichen,
kleinlichen Faltenstil wiederfindet. Das ist in
solcher Form am unteren Niederrhein nicht
üblich, wohl aber in dem übrigen, oberen
Stromgebiet, und die Christophcrusstatue aus
Heinsberg zeigt solche Verwandtschaft am
ehesten, ohne sie damit als
kölnische Arbeit anzusprechen.
Für den Westen des Gebietes
ist vermutlich ein stärkerer
belgisch-französischer Einfluß
maßgebend gewesen. Schon die
Figuren am Sockel des Korne-
lius in der Abteikirche zu
Kornelimünster werden kaum
von einer Kölner Arbeit jener
Zeit erreicht, und die Statue
des Heiligen selber soll in
Belgien ein direktes Analogon
haben. Der Meister dieses
großen Monumentes steht am
ganzen oberen Niederrhein un-
erreicht. (Von den früheren
Arbeiten, z. B. dem Grabmal
der Herren von Heinsberg in
der dortigen Pfarrkirche, sehe
ich hierbei ab, da sie wohl
einem fremden Künstler zu-
zuweisen sind.) Die Bezie-
hungen der Abtei waren viel
stärker zum Westen, nach
Belgien und anscheinend zum
Limburger Land hin, als nach Köln. Nach
den Ahnenwappen auf den Grabsteinen der
Äbte zu schließen, scheinen auf Grund der
dort liegenden Besitzungen manche Fäden
sich dorthin gesponnen zu haben.

Aber nicht nur Belgien, damals Brabant,
auch Luxemburg und vor allem jedoch das
nordöstliche Frankreich sind vermutlich als die
gebenden für die Plastik unserer Gegend an-
zusprechen. Wir sind gewohnt, weil es uns
immer gesagt wird, für die Plastik Kölns und
des oberen Niederrheins durchweg den nieder-
ländischen Einfluß anzunehmen. Aber warum
nur den niederländischen? Ist es Zufall, wenn

Fig. u

frühere Arbeiten, z. B. die Konsolfiguren von
St. Andreas und im Chor des Aachener Münsters
etwa mit denen vom Hotel Jacques Coeur in
Bourges oder mit einigen im Musee zu Troyes
aufbewahrten so eng zusammengehen ? Warum
soll dieser Einfluß nicht noch länger angehalten
haben? Und dann scheint mir beachtenswert,
daß der Lettner in St. Pantaleon zu Köln dem der
Kirche de la Madeleine in Troyes durchaus
nicht fernsteht. Der französische Einfluß wird
wohl noch viel länger in der rheinischen Plastik
von Bedeutunggewesen sein, als man gewöhnlich
annimmt. Für unsern Meister wenigstens, der
die Siersdorfer und zugehörigen
Werke schuf, scheint er mir
vorhanden. Als besonderen
Stützpunkt für diese Behaup-
tung möchte ich die Tracht
anführen. Die eigenartigen
breiten Borten, die die Ge-
wänder einsäumen, sind charak-
teristisch für das nordöstliche
Frankreich, vor allem die
Gegend von Troyes, die breiten
Borten, die in vertieftem Felde
Ornament und nur zu oft
sinnlose Buchstaben zeigen.
Ich nenne zum Vergleich die
Visitationsgruppe in St.Jean zu
Troyes, eine Madonna in
St. Urbain ebendort, einen
Christophorus in Verneuil.

Ich möchte aber durchaus
nicht behaupten, daß wir in
jenem Meister einen fremden
Künstler vor uns haben, ihn
vielmehr als einen einheimi-
schen ansprechen, ihn jedoch
aus den oben angeführten
Gründen auf keinen Fall an den unteren
Niederrhein und zuletzt nach Kaikar ver-
weisen, wie es bislang geschehen.

Daß sich gerade in Heinsberg und der
Umgegend so viele Arbeiten von ihm erhalten
haben, ist nicht zufällig. Die zahlreichen Werke,
die überhaupt aus jener Gegend stammen,
namentlich aus den Kreisen Jülich und Heins-
berg, und die nicht gerade erstklassig sind,
aber doch ihre Zugehörigkeit zu einer großen
Gruppe nicht verleugnen können, berechtigen
uns, ein Zentrum irgendwo dort anzunehmen.
Ob dieses Heinsberg oder Jülich, vielleicht
auch Düren war, ist ungewiß. Man möchte sich
 
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