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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Witte, Fritz: Ein Bischofsstab des ausgehenden XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0116

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Abhandlungen.

Ein Bischofsstab des ausgehenden
XV. Jahrhunderts.

nfel YI11 und 2 Abbildungen.)

lofsstäbe (pastorale, pedum,
jaculus) aus dem Mittelalter
id in größerer Anzahl er-
halten. Das mag einmal
seinen Grund darin haben,
daß sie vielfach als kost-
bare Erinnerungszeichen
bedeutsamer oberhirtlicher
L'hkeiten besondere Wert-
schätzung erfuhren, dann auch, weil neu
kreierte Bischöfe entweder selbst einen Hirten-
stab sich anfertigen ließen, oder solche von
befreundeter Seite ihnen zum Amtsantritt
geschenkt wurden, wie es heute noch löblicher
Brauch und durch viele Inschriften auf den
Stäben für das Mittelalter bezeugt ist. Zumeist
handelt es sich aber um einfachere Arbeiten,
für die romanische Periode vielfach sogar um
fast schablonenmäßig wiederholte Exemplare,
die in großer Zahl den Betrieben von Limoges
zu danken sind. — In Museen gehören die
Stäbe immerhin noch zu den Seltenheiten,
da sie zumeist in den Schätzen der Dom-
kirchen ihre Ruhestätte gefunden haben.

Es mag deshalb als ein überaus glücklicher
Zufall betrachtet werden, daß die Sammlung
Schnülgen durch die Munifizenz eines einsich-
tigen Freundes in den Stand gesetzt wurde, das
hier abgebildete köstliche Prachtstück einer Kur-
vatura zu dem bereits vorhandenen Exemplar
hinzuzuerwerben. Es zeichnet sich aus durch
seine wuchtige, imponierende Größe (Höhe
0,12 in, Durchmesser der Krümme 0,17 m)
wie durch die Eleganz und den Reichtum des
Aufbaues. Das Material ist vergoldetes Silber,
das reichen Niello- und Steinschmuck er-
halten hat. Das Gewicht des Aufsatzes beträgt
drei Pfund.

Aus dem runden Stab ist in überaus ge-
schickter Weise das Sechseck der Kurvatura
entwickelt. Aus einem gewundenen Kordel-
reifen wachsen zwölf leicht kreiselnde Buckel,
die auf ihrer fast kreisrund wirkenden Ober-
fläche eine reich profilierte Sechspaßplatte mit

Sternzinken in den Ausbuchtungen tragen.
Aus der Mitte der Platte wächst der wuchtige
sechsseitige Kern der Krümme, dessen Flächen
auf Eck durch kräftig vortretende Streben
abgestützt werden, die wiederum nach außen
durch erkerartig ausladende, gewundene Säul-
chen mit Wasserspeiern und Fialen aufgelöst
und unter sich durch reiche Maßwerkgiebel
mit Fischblasenmotiv verbunden werden, so
daß je zwei Streben eine Nische bilden, das
Ganze aber wie eine reiche schlanke Krone
um den festen Kern sich legt. In den einzel-
nen Nischen schmiegen sich tief unterschnittene
Konsolen an die Flächen des Schaftes und
tragen sechs 5 cm hohe silbergegossene Figür-
chen, die in einzelnen Partien des Gewandes
und der Fleischteile nachziseliert sind. Es
sind der Reihe nach dargestellt: St. Georg
mit Kreuzschild am rechten Arm, den Drachen
tötend, St. Petrus, St. Bernard, St. Cornelius,
eine weibliche Heilige mit Buch und Palme,
St. Sebastian. — Aus dieser ungewöhnlich reich-
gegliederten Architektur kommt der Kern
hervor, in den einzelnen Flächen durch Maß-
werkfenster belebt, von Fialentürmchen flan-
kiert, oben mit Zinnenabschluß. Aus diesem
Zinnenkranz löst sich, erst die steile Richtung
des Schaftes beibehaltend, dann elegant sich
zurückwerfend die Krümme. Wie der untere
Aufsatz, so verrät auch sie feines architek-
tonisches Gefühl, indem sie die Diagonale
ihrer kreisrunden Endigung genau in die
Achse des Stabes selbst verlegt, wodurch sie
etwas besonders Festes und Sicheres bekommt
und der bei so manchen Stäben beobachteten
Verschiebung des Schwerpunktes aus dem
Wege geht. Gleichmäßig verjüngt sich der
Kern der Krümme in der Kreisbewegung
bis zur Spitze, die an den Ausgangspunkt der
Kreisbewegung zurückkehrt und leicht sich dort
anschmiegt. In der Breitenansicht schmückt
die Kurvatura ein mit blaugrünen und roten
Steinen durchsetztes Nielloband mit Schrift,
eingelaßt einmal durch den schmalen Metall-
streifen, der zur Befestigung dient, dann durch
ein feines, gedrehtes Goldkördeichen. Auf
der einen Seite lautet die Inschrift: ave Maria
grat ia) plena, auf der anderen: agnta Dei <jui
(in falscher Lage geschrieben) tollis />eccal{a)
 
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