Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

DOI Artikel:
Witte, Fritz: Ein Bischofsstab des ausgehenden XV. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0118

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
197

1911.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

198

da sie in vielen Fallen auf diesem Gebiete
des Plagiates zu bezichtigen sind. Das von
LehrsA) benutzte Bild des Meisters für eine
Monstranz gebe ich hier nochmals wieder
und mache dabei vor allem aufmerksam auf
die etwas befremdend, man ist versucht zu
sagen: nicht ganz goldschmiedemäßig, nicht
materialentsprechend anmu-
tende Umrahmung der Lunula
der Monstranz, auf die streng
tektonische Verteilung von
Flache und Auflösung, auf
die hockenden Wasserspeier
und die der Treibtechnik so
entgegenkommenden Hänge-
konsolen und Kreuzblumen.
Die erwähnte Umrahmung ist
etwas flau empfunden, in ihrer
Weichlichkeit für einen Blei-
guß eher als für Hartmetall
geeignet, aber immerhin aus-
geprägt persönlich. Ein Ver-
o-leich mit den übrigen Kupfern
des Meisters0) macht es noch
wahrscheinlicher, daß seine
Vorlagen zum mindesten be-
nutzt sind. Immer kehrt das
eigenartige, bereits erwähnte
Kranzornament wieder, und
ich linde es auch nur bei
ihm. Ihm sind auch die
hockenden Bestien als Wasser-
speier mit hochgezogenem
Rücken und großen Köpfen
eigen. Die Stecher werden
zumeist über das Ziel hinaus-
geschossen haben mit ihren
Entwürfen, so schmiegsam, so
folgsam wie ihr Griffel war
der Stichel der Goldschmiede
in vielen Fällen nicht, und so
werden letztere Abkürzungen
und Vereinfachungen des
öfteren vorgenommen haben, wie es beim
Rauchfaß Schongauers ebenfalls geschehen
ist. Die spielenden Krabben an der Kurvatura
des Meisters "Wa^ ") wird kaum ein Gold-
schmied in dieser subtilen, spielenden Zer-

'■) a. a. O. Sp. 71, 72, Abb. 2.

«) Lehrs, .Dei Meiste] ^ "*> ' ('-"1"'!: '■"

Abb

rissenheit nachgebildet, er wird sich auf die
Vereinfachung beschränkt haben, welche die
Krabben unseres Stabes aufweisen 8). Der
Meister hat ein ausgeprägtes architektonisches
Empfinden in seine Entwürfe gelegt, war er
doch in erster Linie ein Zeichner für Stein-
baldachine von Sakramentshäuschen, für Kirchen
und Kapellen, für Altäre,
Pfeiler und Krabbenbogen.
Tritt diese Richtung nicht
auch in unserem Stabe zu-
tage? Was mehr malerisch-
ornamental zugedacht ist, das
kann recht wohl eine Zutat des
ausführenden Goldschmiedes
sein.

Noch deutscher, wenn ich
diesen Ausdruck brauchen
darf, sind die kleinen, ge-
gossenen und ziselierten Silber-
figürchen in den Nischen. Mir
scheint es nicht einmal ge-
wagt zu sein, wenn wir mit
ihnen in eine ganz bestimmt
umgrenzte Landschaft wan-
dern: nach Niederdeutschland,
an den unteren Niederrhein
oder Westfalen. Westfalen und
die nächsten Nachbargebiete
dürfen wir rückhaltlos als eine
Pfiegestätle gerade der Gold-
schmiedekunst im XV. Jahrh.
ansprechen, der Dokumente
sind genug, um das zu belegen.
Die derbe Untersetztheit der
Figuren, die etwas banale
Behandlung der Köpfe, die
an getriebene Silberfiguren er-
innert -- ich denke beispiels-
weise an den hl. Georg von
Hochelten1') — das Behäbige
in der Charakterisierung, das
alles dürfte eine solche An-
nahme unterstützen.

Köln. Fiitz Wille.

7) Leb rs,
..Peintre-Graveur1

a II. J'ie,. I a u.
Bei. VI. dl, 1!»

] b, Ba 11 ^ch im

') Israel v. Meckenem, der den Kupfer kopierte,
hat diese Vereinfachung bereits vorgenommen und vor
allem die Krabben massiger gehalten.

»J Gute Abbildung im Katalog der retrospek-
tiven Ausstellung EU Düsseldorf 1902 unter Nr. 18.

K) Einige Ähnlichkeit mit unserem Stabe hat dei in

St.-Sebastien-Stavelot, abgeb. in >ObjetS d'ait rilig. du
moyen ige. Expos a Malinese, (Brüssel 1866), Taf 43,4.
 
Annotationen