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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Podlacha, Ladislaus: Abendländische Einflüsse in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0123

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207

1911. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST — Nt. 7.

208

Kunstmilieu viel stärker entziehen und so tief
in die abendländische Kunstwelt hineingezogen
werden, daß man sie oft leicht für originelle
Talente mitten im neuen Vaterlande halten
könnte. Wenn schon die Kunst des in der
zweiten Hälfte des XVII. Jahrh. lebenden
und in Venedig ausgebildeten Malers Pana-
giotis Doxaras sich durch ihren greko-italieni-
schen Charakter auszeichnet, so bleibt doch
als ein interessanteres Beispiel der Kreuzung
beider Welten in der Kunst der Maler Do-
menico Theotocopuli von Kreta (1548—1625),
gewöhnlich El Greco genannt. Dieser Vor-
läufer der neueren Impressionisten hebt sich,
besonders in den späteren Werken, von seiner
Umgebung ab durch seinen merkwürdigen
Standpunkt in dem Erfassen des künstlerischen
Inhalts, welcher Standpunkt keinen Zweifel
über den Ursprung dieser Erscheinung zuläßt.
Wie bekannt, hat dieser Schüler Tizians
während seines Aufenthaltes in Spanien
manches geschaffen, was entschieden auf ehe-
malige Kunstübung in einer griechischen Um-
gebung hinweist und auch durch die stark
subjektive Natur eines Griechen zu erklären
ist. Zeigt das Bild „El Espolio" (Kathedrale
zu Toledo), schon in der Anordnung von
Personen deutlich byzantinische Anklänge12)
und das Bild „Der Traum Philipps" (Escorial)
selbst Aneignung von byzantinischen Motiven,
so ist auch die Erklärung für eine mit ein-
fachen Mitteln erzielte, ungewöhnlich scharfe
Charakteristik von Porträtköpfen im Prado-
Museum oder sonst auf den anderen Tafel-
bildern in der oben erwähnten Tatsache zu
suchen. Wer mit den byzantinischen Schöp-
fungen vertraut ist, wird sich vor den Werken
dieses talentvollen Griechen gar nicht befremdet
fühlen.

Kaum anders als in Griechenland gestalten
sich die Verhältnisse im Norden. Die bis
heute erhaltenen Malereien in russischen
Kirchen zu Nowgorod, Moskau und Jaroslau
aus dem XVI.—XVIII. Jahrh. liefern uns Be-
weis einer nicht unbeträchtlichen Einwirkung
der westeuropäischen Anschauungen auf die
ikonographischen Vorstellungen und auf die
Kompositionsweise der russischen Izographen.
Schon die Wandgemälde in der Jagellonen-
kapelle der Krakauer Kathedrale vom Jahre

1470, dem Stile nach ausgeführt durch die
aus dem Norden stammenden Künstler, tragen
an sich schon deutliche Spuren dieser Gärung.
Die Art der Anweisung des Sitzplatzes an
den Erlöser und die Apos'el im Bilde des
hl. Abendmahles, das Aufsetzen der Dornen-
krone auf das Haupt Christi in der Kreuzi-
gung, das so tragisch wirkende und aus den
gotischen Kruzifixen bekannte Zusammen-
sinken Maria in derselben Szene, die Ein-
führung des in Strahlen schwebenden nackten
Christuskindes in die Verkündigungsszene —
alle diese Motive sind auf die lateinischen
Vorlagen zurückzuführen. Um die Mitte des
XVI Jahrh. wird die Invasion der abend-
ländischen Motive und Formen zu einer
aktuellen Frage, zu der selbst die Moskauer
Synode Stellung nahm. Die Gelegenheit dazu
boten die Werke der in Moskau nach einer
verheerenden Feuersbrunst im Jahre 1547
tätigen Izographen von Nowgorod und Pskow.
Ohne ihre innere Verbindung mit der ein-
heimischen Kunst abzubrechen, haben diese
Meister in ihr künstlerisches Inventar mehrere
neue Themen herübergenommen und sie in
Moskau wiederholt bildlich dargestellt. Die
Neuerungen, für welche sich Muster unter den
lateinischen Werken nachweisen lassen, riefen
von der Seite der Rechtgläubigen Proteste
hervor13; und wurden auch zum Gegenstande
einer ernsten Beratung der Synode im Jahre
1554. Wie leicht zu erraten ist, handelte es
sich nicht um die rein formale Seite der
Bildwerke, sondern um deren Inhalt bezw.
um manche gegen die Überlieferung vorge-
nommenen Änderungen. Die Synode hat
sich prinzipiell zugunsten der neuen Werke
ausgesprochen, und obwohl noch im Laufe der
nächsten Jahrhunderte hie und da ein Bild
wegen seines ikonographischen Charakters
offiziell verdammt wurde und als die oberste
Regel für die Izographen laut Verordnung
der Synode aus dem Jahre 1551 (Stoglau)
von jetzt ab galt, sie sollten dafür Sorge
tragen, daß ihre Werke nach alten Urbildern
gemalt werden M) - - hat der abendländische

12l Vgl. Justi C, »Domenico Theotocopuli von
Kreta«, Zeitschrift für bildende Kunst IX
(1898) S. 214-

11) Buslajew V. ].t »Historische Studien über
die russische Nationalliieratur und Kunst (St. Peters-
burg 1881, russisch), II S. 281 f.

,4) Näheres bei Pokrowski, Die Wandmalereien«
w.o. S. 240 f.; derselbe, »Das Evangelium In den
Denkmälern der Ikonographie« (St. Petersburg 1892,
russisch), S. I.I ff.
 
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