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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Podlacha, Ladislaus: Abendländische Einflüsse in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0143

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245

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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der Art Raffaels und anderer. Ein gewisses
Hinneigen nach dieser Richtung zeigt auch
das Freskogemälde, das sich in der Stifter-
abteilung der Kirche zu Homora befindet.
In diesem Bilde ist der genrehafte Charakter
der Szene nicht so stark ausgeprägt, man
sieht aber, daß das Bild sich nicht mehr
strenge an die Überlieferung anlehnt, sondern
außer dem schlafenden Kinde daneben Maria
und Joseph darstellt. Laßt man den vor dem
Kinde stehenden und die Leidenswerkzeuge
haltenden Engel außer acht — dieses Motiv
ist auf Grund des Einflusses der byzantinischen
Miniaturmalerei zu erklären5) — so sieht
man nichtsdestoweniger eine Erweiterung des
Inhaltes; eine solche Komposition wie in
Homora erscheint eher als
eine Anlehnung an die abend-
ländischen Darstellungen der
hl. Familie als an die mittel-
alterliche Darstellung des
wachenden Emmanuel.

Am wenigsten scheinen die
Weltgerichtsbilder vom
fremden Einflüsse berührt zu
sein. Kein Wunder, es ist ja
eine Komposition, die in dieser
Form, wie wir sie in den Buko-
winer Malereien noch erblicken,
auf dem byzantinischen Boden
entstanden ist und fertiges
Schema schon im frühen Mittel-
alter angenommen hat. Mögen
manche Kunsthistoriker, wie
Kraus und Voß, die Ansicht
vertreten, daß die Entwickelung des Welt-
gerichtsbildes sich zunächst und wesentlich im
Abendlande abgespielt hat6), so können solche
Ausführungen wenig überzeugend sein, seitdem
die Forschungen Pokrowskis vorliegen7). Unter

5) Eir.e schöne Erklärung der Darstellung Christi
als Emmanuel enthalten apokryphe Legenden der russi-
schen Handschriften: diese Legenden erzählen von
einer Offenbarung des hl. Leidens, die dem jugendlichen
Christus während einer mit seiner Mutter nach Nazareth
unternommenen Reise zuteil gewoiden ist. Der Text
bei Pokro wski, »Die Wandmalereien« w. o.S. 291.

•) K raus, »DieWandgemäldederSt.-Georgs-Kirche
zu Oberzell auf der Reichenau« (Freiburg i. Br. 1884',
S. 15 f.; derselbe, »Geschichte der christlichen
Kunst« (Freibuig i. Br. 1890—.908), II, S. 374,
376; VoU G., »Das Jüngste Gericht in der bildenden
Kunst des frühen Mittelalters» (Leipzig 18S4I, S. 9 f.

') Pokro wski, »Das Jüngste Gericht in den
Denkmälern der byzantinischen und russischen Kunst«,

Abb.

den größeren byzantinischen Wandbildern ist
dieses wohl das einzige, in welchem sich der
abendländische Einfluß, wenigstens in den
Bukowiner Malereien, nur in schwachem Um-
fange erkennen läßt. Ist man geneigt, die
Entwickelung des Weltgerichtsbildes auf dem
byzantinischen Boden und in dem Abend-
lande grundsätzlich zu scheiden, so ist das
nicht nur vom Standpunkte der technischen
Ausführung aus und der komposilionellen
Auffassung des Themas bei den Byzantinern
und bei den Abendländern zulässig. Es bleibt
noch der Inhalt des Bildes, die durch die
literarischen Vorlagen bedingte Stimmung, das
Vorkommen der den lateinischen Künstlern
unbekannten und zu didaktischen Zwecken
vorgebrachten Episoden, und
diese Züge genügen, um die-
sem mehr in epischer Einfach-
heit als in dramatischer Kraft
gehaltenen Bilde eine den
abendländischen Werken dieser
Art entgegengesetzte Stellung,
also auch eine gewisse Origi-
nalität, zuzusprechen.

Was die ikonographischen
Einzelheiten anbelangt, so
gibt es kein Motiv in der Szene,
das nicht durch eine ent-
sprechende Stelle in den litur-
gischen Texten oder durch
einen Brauch der morgen-
ländischen Kirche bedingt
wäre. Auf welche Weise wäre
z. B. das Motiv der soge-
nannten Hetoimasia zu erklären, wenn uns
nur die abendländischen Textvorlagen be-
kannt wären? Und doch findet dieses
Motiv seine Begründung nicht nur in der
giiechischen Kirchenliteratur, sondern auch in
dem Brauche, die heiligen Bücher auf dem
Throne des Bischofs aufzubewahren oder nur
zu legen, worauf Kraus selbst hinweist8).
Diese Übung überdauerte das ganze Mittel-
alter, in der Moldau hat sie der päpstliche

Saczawitza, Krönung Maria
(Südliche Außenwand).

Abhandlungen des VI archäologische n Kon-

gresses, russisch, Bd. II] S. 285 f.; »Das Evange-
lium« S. 220 — 221 ; »Die Wandmalereien« w. o.
S. 198, 196, 206—208, 222, 224, 225, 255, 257,
262, 276, 283, 291, 292, 294,296 — 298. Vgl. auch
Jessen, »Die Darstellung des Weltgerichts bis auf
Michelangelo. (Berlin 1883), S. 19.

8) Kraus, »Geschichte der christlichen Kunst«
I S. 432, Anmerkung 2.
 
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