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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Tepe, Alfred: Malerisch, [2]: Eine entwicklungsgeschichtliche Kunststudie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0204

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361

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12

362

Wände. Untersucht meine Bausteine, prüft
meine Gliederungen, ergründet die Zusammen-
fügung meiner Teile, meine leicht schwebende
und doch so sicher getragene Wölbung. Die-
selbe Logik, dieselbe Klarheit und Wahrheit
und Gesetzmäßigkeit, die ihr in Hellas Meister-
werken bestaunt, wird euch auch an meinen
Gliedern offenbar werden. Der Kölner Dom
wurde der Muster und Lehrmeister der Neu-
gotiker; kein
ganz unge-
fährlicher.
Denn, wie
der bewußte
Baron richtig
bemerkte, sie
wurden nur
sehr aus-

nahmsweise
zu Kathedral-
bauten be-
rufen.

III.
Ströme, deren
Quellen im
Hochgebiet
nahe beiein-
ander liegen,
nehmen den-
noch verschie-
dene, ent-
gegengesetzte
Richtungen
an. Die Alpen
senden ihre
Gewässer in
die Nordsee,
ins Mittel-,
ins Adriati-
sche und

Schwarze

Meer. Die neue kirchliche Baukunst blieb
dem nordischen Rheine treu, das Sehnsuchts-
land der wiedererstandenen religiösen Malerei
blieb Italien. Die neuentdeckten Werke der
mittelalterlichen Meister konnten sie nicht
zum Studium anregen. Anatomische Mängel,
derbe Realistik bei minutiöser Ausführung,
paßten nicht zum idealen Seelenschwung der
Nazarener und Düsseldorfer. So entstand von
vornherein derStilgegensatz zwischen deutscher
und deutsch-italienischer Baumalkunst. Um
so interessanter ist die Tatsache, daß beide

Abb. 4. Amsterdam, Jesuitenkirche.

sich zusammenfanden in dem ersten gotischen
| Gotteshaus des XIX. Jahrh., der St.-Apolli-
naris-Kirche in Remagen.

Aber abgesehen von der Stilfrage, lag noch
manches Trennende vor, die Frage des Vor-
tritts. Hohe Frauen sind nicht abgeneigt, sich
darüber in wenig parlamentarischen Formen
und Worten auseinanderzusetzen. Klassisches
Beispiel: Kriemhild und Brunhild, Maria Stuart

und Elisa-
beth.

Der goti-
sche Archi-
tekt ist am
wenigsten ge-
neigt und im-
stande, als
gehorsamer
Diener zu
fungieren und
dem gnädi-
gen Herrn
Maler unter-
tänigst sich
zur Verfügung
zu stellen.
Konstruktion
und Gliede-
rung sind ihm
die Haupt-
sache. Er
kann nicht
einzig daran
denken,Wand-
llächen für
Fresken zu
schaffen, oder
ein Ausstel-
lungs- und
Anhängelokal
für goldene
und sonstige Rahmen darzubieten. Betäti-
gungsgelegenheit für den Malerpinsel ist aller-
dings in der gotischen Kirche reichlich vor-
handen, aber er muß sich den Verhältnissen
anpassen. Schwer faßlich für die Herren, die
sich stolz auf die Brust schlagen mit dem
Ausruf: „Anch'io sono pittore", d. h. ich
gehöre der höchstbegnadeten, höchststehenden
aller Künste an.

Betrachten wir ein wenig das gotische
Kircheninterieur. Die großen Wandflächen
sind verschwunden, sie sind konstruktiv über-
 
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