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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0216

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385

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

386

geteilt; seine Ausführungen sind gewiß zu unter-
schreiben, wenn ich auch persönlich Beziehungen
zum unteren Niederrhein nicht ganz leugnen möchte.
Besonders interessiert Bild c auf Taf. XIX, das
Schweitzer als „Joseph mit Jesusknaben" bezeichnet.
Es gibt ganz ähnliche Stücke, die zweifellos den Vater
Abraham mit Isaak auf dem Wege zur Opferstätte
darstellen. Mir ist nur noch ein Gemälde in der
Pinakothek (München) vom Sippenmeister und eine
Art Reliquiai in Form einer Kniebüste in Holz be-
kannt, wo der hl. Joseph, mit dem Christusknaben an
der Hand, auftritt. Die Frage der Authentizität der
Aachener Plastik sowie der Büste ist von Bedeutung
insofern, als sie uns vielleicht eine Antwort gäbe
darauf, wann der Nährvater Christi erstmalig allein
auftritt. Der Sippenmeister gibt aber nicht den
Charakter des Patriarchen mit Kopftuch an Joseph
(vgl. J. Seitz, Verehrung des hl. Joseph, Freiburg 1908,
S. 332 ff). Die auf Taf. XXXII wiedergegebenen
Skulpturen wären noch bedeutend zu ergänzen durch
Gegenstücke, sie verdienten sehr wohl eine Spezial-
untersuchung. Wenn Schweitzer nun aber die Selb-
drittgruppc (ehemals Sammlung Steiger) auf S. 20
(Abb. 16) mit der Gruppe in Zusammenhang bringt,
so widerspricht er sich selbst. Seite 42 (Abb. 45)
bringt er eine Rrüsseler Madonna, die der seiner Selb-
drittgruppe aus dem Gesicht geschnitten ist. Gerade
das breite Köpfchen der Madonna mit den mädchen-
haften Reizen, und nebenher auch das Hängegesims des
Schreines weisen energisch auf Brüssel bzw. Vlamland;
die Sammlung Schnütgen hat ein kleines Madönnchen
wahrscheinlich derselben Hand. Die ,,Madonna
im Strahlenkränze" auf Taf. XLV schließt für mich
eine ganze Reihe von Widersprüchen in sich. Ich
erlaube mir, hinler dieses Stück ein ganz großes
Fragezeichen zu setzen. Wie würd's sein, wenn man
die „erneuerte Polychromie" einmal entfernte?
Mir ist ein Figürchen in einer Privatsammlung
bekannt, das einer viel früheren Zeit angehört und
trotzdem eine überzeugende Ähnlichkeit mit der
Strahlenmadonna hat: auch jenes ist zum mindesten
sehr stark überarbeitet und stammt meines Wissens
aus derselben Quelle. Ich vermute als gemeinsame
Vorlage eine der mehrfach vorkommenden Figürchen
vlämischer Herkunft, die vermutlich Nachbildungen
eines im Mittelalter viel verehrten Wallfahrtsbildes
sind; speziell denke ich an eine solche Figur in der
Sammlung Pietz-Rheinc (Ludorff, Kreis Steinfurt,
Taf. 76,2). Dankenswert sind Schweitzers Zusammen-
stellungen von Werken des sogenannten „Meisters von
Osnabrück", der aber in Wirklichkeit wohl nicht in
Osnabrück, sondern irgendwo anders in Westfalen
(Liesborn?) seine Werkstatt hatte. Soweit mir die
Beurteilung zusteht, sind Schweitzers Angaben über
süddeutsche Arbeiten weit sicherer gegeben. Seit.- IUI
(Abd. 64) ist aber wohl der Evangelist Mailhäus und
Dicht Johannes gemeint. Die Kreuzigungstafel aus
Elfenbein (Taf. 63d) ist fast identisch mit der Sian-
roiii der Sammlung Stroganoff. die Graeven (Elfen-
beinwerke Hl. 70) für das XII. und nicht X. Jahth.
ansetzt.

Notwendig, wenn auch unerfreulich wäre es, die
Plastiken-Sammlung des Snennondt-Mnseoms auf die
Echtheit mancher Stücke zu untersuchen. Hin ziemlich
weitmaschiges Sieb wäre notwendig, um nur da- zurück-

zubehalten, was existenzberechtigt ist. Die Angabe
ostentativer Ergänzungen hat Schweitzer mit dankens-
werter Rücksichtslosigkeit gemacht. Aber hinter den
augenfälligen Ergänzungen von minimaler Bedeutung
sitzen des öfteren solche, die den Plastiken den kunst-
historischen Wert überhaupt benehmen, sie verbergen
sich geradezu hinter jenen. Eine peinliche Unter-
suchung, vor allem die Entfernung neuerer Polychromie,
würde, wie in das niederrheinisch-kölnische, so auch in
das westfälische Kabinen Lücken reißen. Selbst an
Stücke wie Taf. VII 2 (Paulus) Abb. 18 S. 21 usf. sollte
man furchtlos die Sonde anlegen. Sind die Apostel
Abb. 26 S. 27, die Madonna Abb. 31 IS 31, Taf. XVIII
(segnender Christus), ist selbst die französische, knie-
ende Madonna 55 a über allen Zweifel erhaben ? Selbst
die thronende Madonna III I (früher Sammlung Bock)
ist befremdend, einmal wegen des Christuskopfes,
dann auch neben anderen Motiven wegen der ein-
gestochenen Pupillen. Ich möchte zwei Merkmale an-
geben, die mir Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit
einzelner Stücke zu geben scheinen: Bei den Ma-
donnen das Christuskind, das bei mehreren sowohl
kölnischen wie niederrheinischen und westfälischen
Stücken dieselbe sonderbare Brustbildung aufweist, indem
die Partie um die Brustwarze auffällig herausgearbeitet
ist; sodann das ebenfalls zu beachtende Motiv der
Mantelspangen bzw. Bänder und der rundplastisch
herausgearbeiteten Gewandsäume am Halsausschnitt.
Gewisse, an verschiedenen Lokalschulen auftretende
Gewandflauheiten sind ebenfalls nicht wegzuleugnen.
Bei vielen der genannten Figuren hat zum mindesten
eine Überschneidung stattgefunden. Doch, was schadet's,
das Suermondt-Museum wird mit seiner Plastiken-
sammlung stets mit obenan stehen, soviel wirklich
glänzendes, einziges Material hat es besonders durch
den Ankauf der Sammlung Moest erworben. Der
Katalog mit den prächtigen Illustrationen gliedert sich
den Veröffentlichungen der Berliner Museen sowie der
Nürnberger Sammlung würdig an. Zum Beginn des
Monats Mai wird die Plastikensammlung des H. Dorn-
kapitulars Schnütgen ebenfalls in einem Tafel werk der
Öffentlichkeit übergeben werden.

Kola Witte.

Manuel d'art byzantin par Charles Diehl-

Paris 'Picard et f.) 1910, ungeb. 15 fr.
Byzantine art and archaeo logy by O. M. Dal-
ton. Oxford (Clarendon press) 1911. With 457
illustrations. Leinwandband 42 M.
Zwei überaus erfreuliche Erscheinungen, die über
das angezogene Gebiet beide gut orientieren Beide
Verfasser sind auch genügend bekannt als Publizisten
in Fragen byzantinischer Kunst, so dali man von vorne-
herein zum mindesten eine klare Übersichtlichkeit in
der Anordnung des Materiales erwartet. Dennoch sind
ihre Arbeiten im (irunde voneinander verschieden, sie
ergänzen sich gegenseitig.

Diehl behandelt den Stoff in vier großen Ab-
schnitten: Ursprung und Ausbildung — die erste,
die zweite Glanzperiode — die letzte Äußerung byzan-
tinischen Kunstschaffens. Da er für jede Periode die
einzelnen Kunstzweige, Architektur, Plastik, Malerei,
Goldschmiedekunst ust., gesondert behandelt, wie es
flu ein Handbuch selbstverständlich ist, ergeben sich
für ihn eine Unmenge von Unterabteilungen, die
 
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