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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Witte, Fritz: Der Wille zur Tat
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0026

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Nr. 1/2__________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST._____________Y7

zuziehen, die am Institut sowie am Schnütgenmuseum für kirchliche Kunst sich
die Vorbildung verschaffen, die ihnen ein erfolgreiches Wirken in der Heimat-
diözese auf diesem Gebiete ermöglicht: Ein Wirken für die alte wie für die neue
Kunst.

Es müssen auch die Künstler da sein, die imstande und gewillt sind, innerhalb
des von der kirchlichen Lehre gespannten Rahmens sich zu betätigen.

Man könnte in manchen Zweigen des kirchlichen Kunstschaffens füglich von
einer degenerierenden Inzucht sprechen, die stets die Kunst zum Stillstand und
bald zum Rückschritt zwingt. Auf breiter Front sind unsere kirchlichen Künstler
in ein geistloses Nachbeten nicht nur alter abgenutzter Formen, sondern auch
schematischer, sagen wir richtiger inhaltlicher Gestaltung verfallen, als ob die
historische Kunst nun alle Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt und die religiösen
Themata neue Auffassungen nicht mehr zuließen. Seien wir ehrlich genug:
Unsere christliche Ikonographie ist erschreckend oberflächlich geworden und lebt
von der Wiederholung. Man braucht doch nur einmal W. Neuß' tiefgründigen
Analysen in seinem Werke „Das Buch Ezechiel in Theologie und Kunst bis zum
Ende des XII. Jahrhunderts" nachzugehen, um voller Staunen den imponieren-
den Apparat theologischen Wissens und Fühlens zu erkennen, der vor fast einem
Jahrtausend bereits den christlichen Künstlern verfügbar war1. Religiöse Inner-
lichkeit war der Träger dieses Apparates, ernstes Streben nach steter Vervoll-
kommnung und nach weiterem Ausbau des Gewonnenen erweiterte den Stoffkreis,
der leider später wieder in einem schematischen Formalismus untergehen sollte.

Es liegt nicht an unseren Künstlern allein, daß wir eine solche Ideenarmut
in der neuzeitlichen Kirchenkunst beobachten; ihnen fehlt es an der Anregung
und Befruchtung, an der Kenntnis der reichen Quellen für ein erfolgreiches
Schaffen. Diese müssen und sollen ihnen wieder erschlossen werden. Der theo-
retische Lehrgang des Institutes ist darauf vollkommen eingestellt worden. Aber
nicht in nüchterner Aufzählung theologischer Anregungen kann das Heil ge-
funden werden; es ist unbedingt notwendig, auch rein gefühlsmäßig an die Quellen
heranzugehen. Die Künstler müssen fühlen, daß gerade die Wahrheiten der Re-
ligion ewig neue Anregungen geben, daß in ihnen wie nirgendwo sonst die Möglich-
keit zur Kunst liegt, zur Schaffung sinnlich wahrnehmbarer Darstellungen bzw.
Symbole seelischer Empfindungen, daß wortwörtlich höchste Steigerung der
Kunst nur dort zu erreichen ist, wo ein Zusammenhang mit Gott und göttlichen
Dingen gefunden wird.

Unsere Künstler müssen wieder lernen, nach einheitlichen großen theologi-
schen Gesichtspunkten die gesamte angewandte Kirchenkunst zu gestalten. Die
große Idee als Leitmotiv muß neben dem Zweckgedanken schon im Kirchenbau
als Raumgestaltung zum Ausdruck kcmmen. Es ist nicht einmal einerlei für den
Architekten, welchen Titel die Kirche bekommt, die er zu entwerfen hat; einer
Kruzifixuskirche liegen ganz andere künstlerische Leitmotive zugrunde, wie
etwa einer Marienkirche. Man stelle doch einmal den Kölner Dom neben die
Liebfrauenkirche in Trier: auf der einen Seite die repräsentative Domkirche eines

1 Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens. Heft 1—2.
W. Neuß, Das Buch Ezechiel in Theologie und Kunst bis zum Ende des XII. Jahrh.
Münster 1912.
 
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