Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

DOI Artikel:
Witte, Fritz: Der Wille zur Tat
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0028

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 1/2___________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.____________19

nis gehört auch zum unentbehrlichen Rüstzeug eines Künstlers und zum not-
wendigen Bildungsbestandteil jedes Kunstfreundes von heute. Nur eine um-
fassendere Allgemeinbildung kann die Voraussetzungen solcher Kenntnisse ver-
mitteln; sie zu erzielen gehört mit in die Aufgaben des Lehrplanes eines Institutes
für kirchliche Kunst. Das Erfassen des Wesens der historischen Stile wirkt gleich-
zeitig unbedingt prophylaktisch gegen Stilnachahmerei, die gleichbedeutend mit
geistigem Diebstahl, die ein Prunken mit einer erborgten Kultur ist.

Wissen wir uns frei von dem Bedürfnis nach Anleihen bei früheren Kunstauf-
fassungen, so ebnen wir gleichzeitig auch der Individualität der Künstler die Wege
und ermöglichen der kirchlichen Kunst erneut die Vielgestaltigkeit, die ihr einst-
mals eigen, die ihr größter Reiz gewesen ist. Das, was uns allen gemeinsam ist,
was den Stil unserer Zeit ausmachen wird, das bleibt niemals latent, nicht einmal
als Unterströmung im Kunstwerk stecken, es bricht sich mit elementarer Gewalt
Bahn und gibt dem Gesamtbild das einheitliche bindende Kolorit.

Grundlegend für alles künstlerische Schaffen, soweit es im Rahmen an-
gewandter Kunst hegt, ist und bleibt die Arbeit in der Werkstatt, die engste Ver-
bindung zwischen Entwurf und Ausführung. Nur wo restlose Kenntnis des Ma-
teriales, der Techniken usf. vorhanden ist, kann der einfachste wie der reichste
Entwurf zum Kunstwerk geführt werden. Erste Sorge des Institutes für Kirchen-
kunst ist daher die Schaffung von geeigneten Werkstätten, in denen die Schüler
von der Pike auf das Handwerkliche erlernen, und zwar möglichst nicht nur an
Idealarbeiten geringeren Umfanges, die als Lehraufgaben ausgeführt werden,
sondern von vorneherein an der für die Wirklichkeit und Verwendung geschaffenen
Arbeit. Den einzelnen Werkstätten steht je ein künstlerischer und ein technischer
Leiter vor, die unterstützt werden von den am Institut selbst ausgebildeten
Meisterschülern.

Die erste Ausbildung der Schüler übernimmt die auf neuer Basis aufzubauende
Kunstgewerbeschule. Sie vermittelt in erster Linie den Schülern die Grundlage
der praktischen und theoretischen Ausbildung, welch letztere mehr als das bislang
an vielen Schulen Sitte war, sich auf das Notwendigste und für das Spezialgebiet
Brauchbare beschränkt. Nach dreijährigem Kursus erklären sich die Besucher
dieser Schule, ob sie sich dem Sondergebiete der kirchlichen Kunst widmen
wollen und treten dann nach Zustimmung ihrer Fachlehrer über ihre künstlerische
wie moralische Reife zum Institut für Kirchenkunst über. Dieses vermittelt
neben einer größeren Durchbildung der künstlerisch-handwerklichen Fähigkeiten
im besonderen die vorhin erwähnten Wissensgebiete. Zwischen Institut und
Kunstgewerbeschule treten die vereinigten Künstlerwerkstätten. Sie dienen der
Ausbildung der Schüler von Grund auf sowie auch der Ausführung größerer Ar-
beiten für die Wirklichkeit, sie dienen aber auch älteren Meistern, die in richtiger
ehrlicher Erkenntnis ihrer nicht allseits genügenden künstlerischen Befähigung die
Unterstützung des Institutes anrufen, sei es für Entwürfe, sei es für die Ausführung
ganzer Arbeiten oder einzelner Teile, deren Fertigstellung ihnen in ihren eigenen
Werkstätten nicht möglich oder sehr erschwert ist. Daß sie als außerordentliche
Mitglieder der Institutswerkstätten auf deren künstlerisches Programm sich ver-
pflichten müssen, ist selbstverständlich, dürfte ihnen aber deshalb schon nicht zu
schwer werden, da auch freie Meister in den künstlerischen Ausschuß des Institutes
gewählt werden. Nur unter diesen Bedingungen kann das Institut und die mit
 
Annotationen